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Die Entführung der MS Hansa Stavanger. Frederik EuskirchenЧитать онлайн книгу.

Die Entführung der MS Hansa Stavanger - Frederik Euskirchen


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Hoffentlich hat er das nicht so den Piraten gesagt, denke ich. 15 Millionen ist sehr hoch, aber vielleicht sind ja auch die Summen, die man sonst so hört, in den Medien falsch. Okay vielleicht läuft das so. In der ersten Zeit sind wir wirklich sehr naiv, aber die Aussicht auf eine schnelle Befreiung bessert die Stimmung auf. Wenn die Mannschaft nicht etwas arbeitet, spielt sie Monopoly, Karten oder liest etwas.

      Man lässt uns in Ruhe, mittlerweile haben wir uns hier oben gut eingerichtet. Es wird uns langsam klar, wie wir hier untergebracht werden. Ein Teil, das sind hauptsächlich die Europäer, sind oben auf der Backbordseite der Brücke einquartiert, ein Teil bleibt auf seinen Kammern und die Ing., wie auch Christian, arbeiten und schlafen im Maschinenraum.

      Auch die Piraten haben schon begonnen, sich einzurichten. Wachposten werden verteilt, schweres MG auf dem Dach installiert.

      Ein somalischer Koch, Mohammed, kommt an Bord.

      Lebendige Ziegen, Khat und sonstiger Proviant sind schon an Bord, Tarek hat zusammen mit Abdi zuvor eine Bestellung geschrieben, die sie wohl in Haradere aufgegeben haben.

      Es werden Zettel aufgehängt mit Regeln für die Piraten und dazugehörigen Strafen, außerdem ein paar Warnschilder: “No arms” und etwas auf Somali, dass, so erfuhr ich später, die Piraten abhalten sollte, ihre Waffen mit auf unsere Seite zu nehmen - zum Selbstschutz jedoch.

      So scheint sich die Stavanger langsam in eine Piratenfestung zu verwandeln und die Besatzung muss lernen, mit der neuen Situation umzugehen.

      Wir oben auf der Brücke haben die ganze Zeit die Piraten und ihre Waffen um uns, müssen ihr Geschreie und ihren Dreck ertragen, können uns aber mit Schlafen und Lesen ablenken.

      Die im Maschinenraum haben den Lärm, die Arbeit und die ständige Ungewissheit, was oben los ist, dafür aber weitgehend ihre Ruhe vor den Piraten.

      Die in der Mitte, die auf ihren Kammern schlafen, helfen unserem Koch oder sogar dem somalischen Koch.

      So, glauben wir, hat zwar jeder seine Problemchen, aber dafür auch ein paar Annehmlichkeiten diese zu kompensieren. Die Situation ist natürlich dadurch immer noch nicht besonders erträglich geworden und gelassen nehmen wir das alles bei Weitem nicht hin, aber wir denken, dass es in kurzer Zeit sowieso vorbei sein wird.

      Als Abdi kam, sagte er verheißungsvoll “Vielleicht eine Woche, dann kommt das Geld und ihr fahrt nach Hause!”

      Um auch nur in die Nähe dieses schönen Momentes zu kommen, werden wir noch einige sehr unangenehme Situationen erleben müssen.

      Wie so oft werden diese eingeleitet mit dem Besuch von Oday…

      Es ist morgens und ich schlafe noch, als ich plötzlich von einem Tumult wach werde.

      Kapitän und Offizierstab sind versammelt.

      Oday ist gleich in Verstärkung von Tarek gekommen, sie stehen erwartungsvoll vor uns, während Abdi übersetzt.

      Ein paar seiner Leute sind in Seenot, ein kleines Boot, wir sollen hinfahren. Das ist, was ich verstehe.

      Kapitän und erster Offizier versuchen ihnen zu erklären, dass wir kaum noch Brennstoff haben, aber was nützt es, sie sind fest entschlossen, mit uns auf eine Such- und Rettungsaktion zu fahren.

      Ich weiß nicht, ob es eine Vermutung innerhalb unserer Brückenteams ist, oder tatsächlich einer ihrer Brüder mit draußen in “Seenot” ist.

      Noch während versucht wird, sie abzuhalten, wird Oday plötzlich laut, wir sollen sofort losfahren.

      Okay, okay. Da dreht Tarek auch noch durch. Er macht wieder die typische Drohgebärde, Waffe hochhalten und durchladen.

      Ebenfalls lauter werdend versuchen wir zu erklären, dass wir nicht einfach aus dem Stand starten können, wie ein Skiff.

      Auch ich lasse meine neue Maske der Diplomatie fallen und werde sichtlich sauer und laut. Mit was für Deppen haben wir es hier zu tun.

      Im Laufe der weiteren Haft tue ich gut, mich an die Art der Piraten zu gewöhnen, denn es wird zu oft vorkommen, dass sie irgendwas wollen, ohne jegliches Verständnis für die Eigenschaften dessen, was sie möchten.

      Nach Abdis Übersetzung unserer Proteste legt Oday seine Hand auf Tareks Waffe und ruft, schon etwas ruhiger: ”Okay, okay, okay! ….Go! Go!”

      Er scheint verstanden zu haben, will aber trotzdem so schnell wie möglich weg.

      Wir beeilen uns und kurze Zeit später sind wir unterwegs.

      Als Ziel haben wir ein paar Koordinaten bekommen und ein paar Telefonnummern von anderen Schiffen, die an der Suche teilnehmen.

      Kapitän und ich telefonieren mit dem einen Schiff, dann wieder mit dem anderen, bekommen neue Positionen von ihnen, welche diese wiederum von irgendeiner anderen Quelle bekommen. Es ist undurchsichtig, wir können uns kaum richtig koordinieren.

      Während der Telefonate mit den anderen Schiffen höre ich an den Stimmen, dass die Lage dort auch nicht anders ist.

      Immer wieder wild werdende Piraten, die ebenfalls die ganze Zeit irgendwohin telefonieren, wollen auf einmal wieder in eine ganz andere Richtung.

      Weder wir haben ein richtiges Suchmuster noch die anderen und von einer gemeinsamen Koordination ist ganz zu schweigen.

      Mit ihrer Hektik, ihrem Unwissen und ihren ganzen anderen irrationalen Eigenschaften funken die Piraten immer wieder dazwischen.

      Wenn man mit somalischen Piraten unterwegs ist, dann ist die Situation sowieso schon unnormal, aber es muss immer wieder etwas dazu kommen, um das Ganze noch mal auf die Spitze zu treiben.

      Als der Spannungsbogen dieser Aktion endgültig seinen Höhepunkt erreicht, liege ich wieder auf Koje, es ist außerhalb meiner Wachzeiten.

      Wie mir Slava, der dritte Offizier, später erzählt, hat er während seiner Wache am Morgen etwas im Wasser treiben sehen.

      Etwas Dunkles, ungefähr so groß wie ein Mensch, aber regungslos.

      Er hat umgehend dem Kapitän Bescheid gesagt, der hat sofort reagiert und die Piraten ablenkt.

      Ob es wirklich ein Mensch war, ein Pirat oder nur ein Delfin wissen sie nicht, aber sicher ist sicher.

      Zunächst denke ich mir, dass es ja nicht so schlimm gewesen wäre, ihn zu sehen - der Pirat ist eben ertrunken, dafür können wir ja nichts.

      Aber Slava erzählt mir was von einem amerikanischen Schiff und Marine, ich versteh es zu dem Zeitpunkt nicht ganz. Begreif aber, dass wir uns da mal besser raushalten und die Piraten mit ihrem toten Kollegen nicht noch auf andere Ideen bringen.

      Erst nach der Freilassung habe ich erfahren, dass es sich um das Drama mit der Maersk Alabama handelte.

      Als ich später die Berichte über die Komplexität der Situation erfahre, bin ich sehr froh, dass wir nicht gefunden haben, wonach wir suchten.

      Letztendlich wird die Suche abgebrochen und wir kehren zu unserem Ankerplatz zurück.

      Die ganze Zeit über werden wir von unserer Fregatte begleitet. Als wir Haradere ansteuern, beschleunigt sie auf einmal, sie kommt sehr schnell näher und ruft uns.

      Man verlangt, dass wir aufstoppen, wenn die Piraten dies nicht erlauben, sollen wir notfalls einen Blackout verursachen. Selbstverständlich erlauben es die Piraten nicht, im Gegenteil, sie versetzen sich in höchste Alarmbereitschaft. Alles geht jetzt sehr schnell, in die MGs werden die Patronengurte eingelegt, die Kalaschnikows werden durchgeladen und die Panzerfaust wird vorbereitet. Ich sehe wie Hamut und Tarek ihre Koppeln mit den Magazinhalftern anziehen, ihre AK durchladen, sich angrinsen und High-Five abklatschen.

      ‘Verdammt’, denke ich mir, ‘die sind bereit zu kämpfen’.

      Mein Mund wird trocken, das Adrenalin kommt mir hoch und ich überlege. Kommen wir schnell von der Brücke?

      Wo


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