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Der Fluch der Steine. Alfred BekkerЧитать онлайн книгу.

Der Fluch der Steine - Alfred Bekker


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prominent hatte Jennings seine Hinwendung zu Okkultismus und Magie gemacht, die er seit seinem tragischen Verkehrsunfall vollzogen hatte. Die einen hielten ihn nun für halb wahnsinnig, aber auf andere wirkte gerade das anziehend. Es gab Jennings etwas Mysteriöses, wie auch die Tatsache, daß

      er sich kaum noch in der Öffentlichkeit zeigte.

      Der LONDON CHRONICLE war die erste Zeitung seit langem, die überhaupt hoffen konnte, an ihn heranzukommen. Und das auch nur, weil einer der Herausgeber des CHRONICLE

      offensichtlich gute Kontakte zu Jennings' Manager besaß.

      "Also", wiederholte Smith. "Wie weit sind Sie, Dana?"

      "Ich stehe noch ganz am Anfang!" mußte ich bekennen und Smith runzelte die Stirn. Er sagte es nicht, aber ich konnte ihm ansehen, was in seinem Kopf für Gedanken herumspukten: Da hätte ich Ihnen mehr zugetraut, Dana!

      "Das müssen Sie mir erklären!"

      "Er hat bereits zweimal Termine mit mir von einer Minute zur anderen abgesagt. Es scheint wirklich nicht so einfach zu sein, an ihn heranzukommen... Ich habe zwar im Archiv recherchiert, aber schließlich sollte auf den Seiten der CHRONICLE ja nicht nur das stehen, was ohnehin alle wissen..."

      "Allerdings!" nickte Smith. "Da gebe ich Ihnen recht." Er ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten. Verzögerungen aller Art haßte er wie die Pest.

      "Er ist ein scheuer Mann", gab ich zu bedenken. Smith sah mich sehr ernst an. "Glauben Sie, daß es noch Zweck hat, an der Sache dranzubleiben?"

      "Ja, davon bin ich überzeugt!" behauptete ich, obwohl ich mir da inzwischen gar nicht mehr so sicher war. Es war gut möglich, daß Jennings mich ewig hinhalten würde, nur um sich schließlich zu überlegen, dem LONDON CHRONICLE doch kein Interview zu geben.

      Aber ich hatte an der Sache ein persönliches Interesse, denn dieser mysteriöse Mann faszinierte mich. Ich hatte einiges über ihn und sein Leben gelesen und brannte darauf, ihn kennenzulernen.

      "Gut", hörte ich Smith sagen. "Dann machen Sie weiter." Heute schien er seinen nachsichtigen Tag zu haben.

      *

      Der neue Termin, den ich mit John Jennings' Sekretärin abgemacht hatte, lag an einem Montag Nachmittag.

      Jim Berringer begleitete mich. Er war Fotograf beim LONDON

      CHRONICLE und wir bildeten bei den meisten Reportagen ein Team. Jim und ich waren gleichaltrig. Er war blond, trug das Haar etwas zu lang und wirkte sehr unkonventionell. Wir waren trotz unserer Gegensätzlichkeit ein wunderbares Team. Allerdings nur beruflich, auch wenn Jim manchmal durchblicken ließ, daß er nichts dagegen gehabt hätte, das auch ins Private zu erweitern.

      "Ich glaube, ich habe einmal eines dieser Objekte fotografiert, für die Jennings so berühmt ist!" meinte Jim, während uns mein roter Mercedes durch den Londoner Großstadtverkehr trug. "Es waren hundert

      aufeinandergestapelte Stühle und das Werk hieß 'Die Masse'. Um ehrlich zu sein, kann ich mit so etwas wenig anfangen!"

      "Dann fehlt dir vielleicht der Kunstsinn!" neckte ich ihn. Jim grinste. "Gut möglich. Trotzdem verstehe ich die astronomischen Preise nicht, Stühle aufeinanderstapeln könnte ich schließlich auch!"

      "Aber du bist nicht als erster auf die Idee gekommen und das macht den Unterschied aus!"

      "Wenn du es sagst...", erwiderte er spöttisch. "Trotzdem wundere ich mich, daß es offenbar Leute gibt, die dafür solche Summen ausgeben!"

      Ich lächelte nachsichtig.

      "Weißt du Jim, es gibt eben auch Menschen, deren Kunstsinn über die Kalender des PLAYBOY hinausgeht."

      Er lief rot an.

      "Ha, ha, sehr witzig!" meinte er dann. Inzwischen hatten wir unser Ziel erreicht. John Jennings residierte in einer ehemaligen Fabrikhalle, die er für seine Zwecke hatte umbauen lassen. Er hatte hier alles unter einem Dach: Ein weiträumiges Atelier, seine Privaträume und Büroräume für sein Management. Originelle Kunst war nämlich nur die eine Hälfte seines Erfolges. Die andere war der Tatsache zu danken, daß er sich gut zu vermarkten wußte. Auf dem weitläufigen Gelände war auch ein Parkplatz. Ich stellte den roten Mercedes dort ab und wir stiegen aus. Es war ein freundlicher, sonniger Tag. Jim blinzelte ein bißchen und meinte: "Hoffentlich sind wir heute nicht wieder vergeblich hier!"

      Der Eingang von Jennings' Gebäude war schmucklos. Es war eine stählerne Schiebetür, die elektrisch bewegt wurde und durch die man bequem mit einem Wagen hätte fahren können. Die Schiebetür selbst wirkte schroff und abweisend. Hier hatte sich ein Mann eine Festung gebaut, hinter deren Mauern er sich zurückziehen konnte.

      Seitlich war eine Sprechanlage. Ich meldete mich und wir wurden eingelassen. Als wir eintraten bemerkte ich die Videokamera über uns, deren Linse uns automatisch folgte. Ein kahler Gang lag vor uns. Bläuliches Neonlicht herrschte hier und sorgte für eine fast unwirtliche Atmosphäre. Schon nachdem ich die ersten Schritte in dieses Gebäude getan hatte, beschlich mich ein leichtes Unbehagen. Schritte hallten in dem Gang wider. Elizabeth Norman, Jennings' Sekretärin, kam in ihrem konservativen Kostüm auf uns zu. Sie war sicher noch keine dreißig und hatte ein hübsches, feingeschnittenes Gesicht mit dunkelbraunen Augen. Die Haare trug sie in einem Pagenschnitt.

      "Guten Tag, Miss McGraw!" begrüßte sie mich und wandte sich dann Jim zu.

      "Können wir zu Mr. Jennings?"

      "Einen Augenblick noch. Wenn Sie mir bitte folgen..." Wir folgten Miss Norman in einen weiträumigen

      Aufenthaltsraum, in dem sich ein Springbrunnen befand. Es war eine Mischung aus Büro und Wartezimmer. Schon bei unserem letzten Termin mit Jennings hatten wir hier einige Zeit verbracht.

      Ein Mann in den mittleren Jahren und einem kantigen, harten Gesicht begrüßte uns. Es war Brent Erikson, Jennings' Manager. Erikson war der Mann, dem Jennings es wohl letztlich zu verdanken hatte, daß sein Name nicht nur denen ein Begriff war, die die Feuilletons aufmerksam lasen.

      "Ich möchte mich nochmals bei Ihnen entschuldigen, Miss McGraw!" erklärte er, wobei sich in seinem Gesicht keinerlei Regung zeigte. "Aber wissen Sie, John ist einer der genialsten Künstler, die wir in den letzten Jahrzehnten in unserem Land hatten. Und da muß man ihm vielleicht manches nachsehen, wenn Sie verstehen, was ich meine."

      "Sicher", erwiderte ich kühl.

      Brent Erikson machte eine ausladende Handbewegung.

      "John ist ein schöpferischer Geist. Wenn er bei der Arbeit ist, vergißt er alles um sich herum. Er gleicht dann einem Besessenen, ißt nicht, trinkt nicht... Man muß in die-sen Phasen auf ihn aufpassen, sonst würde er zusammenbrechen!"

      "Mr. Jennings schafft also weiterhin Kunstwerke?" vergewisserte ich mich, denn seit Jahren war nichts Neues mehr von ihm auf den Markt oder in die Museen gelangt.

      "Ja. Aber er ist damit bislang nicht an die Öffentlichkeit gegangen."

      "Warum nicht?"

      Erikson zuckte die Achseln.

      "Ich nehme an, weil Johns gegenwärtige Arbeit nichts mehr mit dem gemeinsam hat, was er zuvor gemacht hat. Es ist ein völliger Bruch. Sie wissen, daß er vor drei Jahren einen Unfall hatte. Seitdem hat künstlerisch eine neue Phase für ihn begonnen."

      "Dann haben Sie seine neueren Werke aber bereits gesehen", stellte ich fest.

      Erikson lächelte.

      "Natürlich", sagte er. "Alle weiteren Fragen wird Ihnen nun John persönlich beantworten - vorausgesetzt er hat Lust dazu."

      "Sicher."

      "Wenn Sie mir bitte folgen wollen..."

      Wir erhoben uns, aber nach zwei Schritten stoppte Erikson und wandte sich an Jim.

      "Sie nicht", bestimmte er, woraufhin Jim erst ein ziemlich verdutztes und dann ein hilfesuchendes Gesicht machte.

      "Das verstehe ich nicht", meinte er.


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