Der Gesundheitsminister. Ulrich HildebrandtЧитать онлайн книгу.
eingeladen.“
„Sagtest du nicht, keine Öffentlichkeit.“
„Das habe ich Bernd auch entgegengebracht. Er meinte, da so viele Externe im Ministerium ein- und ausgehen, käme es auf uns nicht an. Lobbyisten und Politiker aller Parteien geben sich die Klinke in die Hand. In dieser Riege sind wir noch die unscheinbarsten.“
„Dann auf zur zweiten Runde", schließt Jakob das Gespräch.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA)
Toms „Vertrauter“ aus dem Ministerium, Bernd, hat wieder ein Papier mit ähnlichem Umfang gemailt.
Jakob liest.
„Nach dem Bundesministerium für Gesundheit ist der G-BA die zweithöchste Instanz des deutschen Gesundheitswesens. Von Spöttern auch „Oberster Sowjet des Gesundheitswesens“ genannt. Den G-BA gibt es seit dem 1. Januar 2004. Das ist auch das Einführungsjahr der Fallpauschalen, der DRGs.
Im Sozialgesetzbuch V, § 92 heißt es: „Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten.“
Die Institution G-BA hat nicht nur eine irritierende Bezeichnung, gemeinsamer Bundesausschuss, wofür eigentlich, sondern auch eine bizarre Aufgabenstellung. Der G-BA soll grob formulierte Gesetze aus unserem Ministerium in die Praxis umsetzen. Diese Delegation der Ausführung von Gesetzen wird noch fragwürdiger, wenn man sich ansieht, wie der G-BA zusammengesetzt ist und vor allem, wie das Stimmrecht zugeteilt ist. Dem Ausschuss gehören an:
5 Vertreter der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
2 Vertreter der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG), 2 Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), 1 Vertreter der Zahnärzte.
3 unparteiische Vorsitzende
5 Patientenvertreter
Zwei Parteien stehen sich gegenüber:
Auf der einen Seite stehen die Vertreter aller gesetzlichen Krankenkassen. Sie werden als Kostenträger bezeichnet. Gemeinsam haben sie 5 Stimmen.
Auf der anderen Seite, ebenfalls mit 5 Stimmen, stehen die kaufmännischen Vertreter der Krankenhäuser und die Vertreter der niedergelassenen Ärzte und der Zahnärzte. Als Leistungserbringer bezeichnet.
Dazwischen, quasi als Vermittler oder Schiedsrichter, agieren die drei unparteiischen Vorsitzenden des G-BA mit zusammen 3 Stimmen.
72 Millionen gesetzlich Krankenversicherte werden durch die 5 Vertreter von Patientenorganisationen repräsentiert. Aber ohne Stimmrecht!
Vollkommen unberücksichtigt sind 195 000 Krankenhausärzte. Das haben die scheinbar noch gar nicht bemerkt. Protestiert hat noch keiner von denen.
Im Gegensatz dazu, haben 150 000 Kassenärzte, vertreten von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Stimmrecht.
Ist das die gemeinsame Selbstverwaltung im Gesundheitswesen? Nein, es ist die Interessensvertretung der Krankenkassen, der Krankenhausträger und der niedergelassenen Kassenärzte. Sie entscheidet, wie die Gelder des Gesundheitsfonds, jährlich 215 Milliarden Euro, untereinander aufgeteilt werden.
Das ist so, als würde der Bundesjustizminister die Mafia und die Anwaltskammer gemeinsam beauftragen, die Ausführungsbestimmungen von Strafgesetzen praxistauglich auszugestalten.
Um die Arbeit des G-BA zu unterstützen, wurde 2004 eigens ein Institut gegründet. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Seinen Auftrag beschreibt das Institut auf der Internetseite wie folgt:
„Das IQWiG hat unter anderem den gesetzlichen Auftrag, Vor- und Nachteile von medizinischen Verfahren zu bewerten, also zum Beispiel verschiedene Arzneimittel und Operationsverfahren untereinander zu vergleichen. Dafür suchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Institutes in der internationalen Fachliteratur systematisch nach Studien, in denen die gefragten Beispiele beschrieben sind.“
Braucht man dafür ein eigenes Institut? Das Gleiche machen doch wissenschaftliche Assistenten und Doktoranden an den Universitätskliniken. Ohne dafür extra bezahlt zu werden.
Die Rolle des G-BA, in unserem Auftrag gesetzliche Vorgaben in Normen und Richtlinien umzusetzen, hat für alle Bundesländer Gültigkeit. Möchte man meinen. Die bayerische Gesundheitsministerin stellt klar, dass für Bayern alles nicht gilt, was der G-BA in Berlin entscheidet. Womit sie nichts Anderes sagt, als dass Bayern von dem Sonderrecht, das sich die Bundesländer ausbedungen haben, Gebrauch macht. Bundesrecht über Landesrecht, gilt auch hier wieder einmal nicht. Der hoch gepriesene Föderalismus, die Dominanz der Länder in Gesundheitsangelegenheiten, macht Alleingänge möglich.
Da fragt man sich schon, welchen Sinn es macht, dass der G-BA Qualitätsindikatoren für Krankenhäuser festlegt, die die Länder nicht annehmen müssen. Sollten doch die Qualitätsindikatoren mitentscheiden, ob Krankenhäuser im Krankenhausplan der Länder enthalten bleiben, oder aus ihm herausfallen.
Mit dem Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) von 2016 hat unser Ministerium dem G-BA ein weiteres vorgebrütetes Ei ins Nest gelegt. Die Qualität einer Krankenhausleistung, zum Beispiel einer Operation, hat etwas damit zu tun, wie oft sie in dem Krankenhaus durchgeführt wird. Was man oft macht, geht leichter von der Hand. Oder, etwas formeller, das Volumen bestimmt den Outcome. Das ist eine Lebensweisheit. Bei Operationen ist das nicht anders, schließlich stehen medizinische Handwerker am Operationstisch. Daher gilt schon seit langem, dass ein Krankenhaus komplexe Operationen an der Speiseröhre oder an der Bauchspeicheldrüse nur dann durchführen darf, wenn im Krankenhaus mindestens 10 solcher Operationen im Jahr anfallen. Zehn ist weniger als eine Operation pro Monat, wahrlich kein hoher Anspruch. Diese Mindestmengen gab es bisher für fünf weitere Organbereiche. Eingehalten wurden sie bei weitem nicht. Das haben wir erkannt und den G-BA beauftragt, im Zuge seiner Qualitätsoffensive, einen neuen Katalog zu erstellen. Darin soll festgelegt sein, welche Operationen in welcher Anzahl von einem Krankenhaus zu erbringen sind. Bleibt das Krankenhaus unter den Vorgaben des G-BA, dann erhält es kein Geld mehr für die benannten Operationen.
Die AOK hat 2017 aus ihren Versichertendaten herausgefiltert, was es bedeutet, ob die gleiche Operation selten oder oft durchgeführt wurde. Sie hat sich die Ergebnisse von Schilddrüsenoperationen näher betrachtet. Patienten, die in einem Krankenhaus operiert wurden, welches, verglichen mit allen anderen, die geringste Anzahl an Schilddrüsenoperationen hatte, mussten mit einem hohen Komplikationsrisiko rechnen. Das Risiko eine Stimmbandlähmung zu erleiden war 110 % höher als in einem Krankenhaus, das von allen anderen die meisten Schilddrüsenoperationen durchgeführt hat.
Unser Auftrag an den G-BA, Mindestmengen für bestimmte Operationen festzulegen, erscheint plausibel. Erscheint aber auch nur so. Durch die Einräumung von Ausnahmen, explizit aus unserem Ministerium, werden die Vorgaben aufgeweicht. Welche Lobbyisten oder welche Länderminister am Werk waren, sagt natürlich keiner aus unserem Haus. „Um unbillige Härten insbesondere bei nachgewiesener, hoher Qualität unterhalb der festgelegten Mindestmenge zu vermeiden“ soll der G-BA definieren, wann Ausnahmen erlaubt sind.
Also, es wird eine Regel entworfen, die aber nicht eingehalten werden muss. Über das Erreichen der Mindestmenge wird hinweggesehen, Hauptsache die Ergebnisse sind gut. Das ist also die neue Definition von Qualität im Krankenhaus.
Auf einem weiteren Gebiet kommt der G-BA mit seiner Arbeit nicht richtig voran. Im Juni 2015 verabschiedete der Bundestag das Versorgungsstärkungsgesetz