Älter werden im (unfreiwilligen?) Ruhestand. Na und! Scheißegal!. Klaus NormalЧитать онлайн книгу.
auch gewählt, in der Hoffnung die Leserin oder den Leser dadurch besser ansprechen zu können. Das Mitfühlen und Mitdenken, aber auch das Nachdenken und die eigene Meinungsbildung sollen angeregt werden.
Erst wollte ich das Buch so nennen: Zu alt für den Beruf? Na und! Scheißegal!
Da aber hier das Berufsende oder das bevorstehende Berufsende nur der Anlass ist, sich mit einigen Dingen zu beschäftigen, wäre das Wort „Beruf“ im Titel zu schwergewichtig gewesen.
Außerdem hätte man bei diesem Titel so verstehen können, dass das Buch Wege aufzeigt, wie man als „alter“ Arbeitnehmer dennoch eine vollwertige Arbeit findet.
Frei nach dem Motto: Ich arbeite gern mit 67, bloß für wen?
Das Berufsende oder das bevorstehende Berufsende wird in diesem Buch als gegeben angenommen und es wird angenommen, dass Geld für soziale Kontakte, sportliche Aktivitäten und Urlaub vorhanden ist.
Einem Rentner, der im Ruhestand gar kein Geld für seine freie Zeit hat, dem kann das älter werden kaum scheißegal sein.
Genauso wenig wie für jemand der so krank ist, dass er keine sportlichen Aktivitäten mehr ausüben kann und auch nicht mehr in Urlaub fahren kann.
Aber solange man gesund ist und nur einige kleine Krankheiten wie z. B. Erkältungen, Fußpilz etc. hat, muss die Devise lauten:
Älter werden im (unfreiwilligen?) Ruhestand. Na und! Scheißegal!
Das Buch hat ein Stichwortverzeichnis.
2 Der Abschied vom Arbeitsleben. - Berufsausstieg verdaut?
2.1 Die Verringerung von Respekt vor dem Berufsaustritt
Als ich das fünfzigste Lebensjahr vollendet hatte, begann ich an Sylvester mit einem Glas Sekt nicht auf das neue Jahr anzustoßen, sondern darauf, dass ich noch in Lohn und Brot stand.
Gleichzeitig begann ich im Berufsalltag meine Antennen weiter auszufahren, um feststellen zu können, ob mir noch weiterhin der übliche und gewohnte Respekt erwiesen wird.
Die Verringerung des Respektes kann im Berufsleben auf vielfältige Art und Weise geschehen. Man wird z. B. nicht mehr auf Fortbildungsveranstaltungen eingeladen oder man bekommt keine interessanten Themen mehr zum Abarbeiten oder man bekommt einen „mission impossible“ Auftrag, bei dem man von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist.
Oder man lässt sie auf einmal mit Ihren Ideen auflaufen, in dem man künstliche, bürokratische Hindernisse aufbaut.
Die Erfinder von Respektverringerungsmaßnahmen sind da sehr einfallsreich, so dass ich hier nicht alle Möglichkeiten auflisten kann.
Wichtig ist erstmal nur, dass Sie die Verringerung des Respektes erkennen, ohne dabei neurotisch zu werden. Denn wenn man Ihnen überhaupt keinen Respekt mehr entgegenbringt, dann ist es meistens schon alles versalzt und Sie können dann nicht mehr mit einem vernünftigen Gespräch entgegensteuern. Man will einfach, dass Sie gehen und das natürlich möglichst kostengünstig.
Die Grenze zwischen Respektverringerung und der Verweigerung von Respekt lässt sich nicht immer leicht ziehen.
Beispiel: Man gibt Ihnen keine Arbeit mehr und „befördert“ Sie zum Fenstergucker.
Meines Erachtens ist das keine Respektverringerungsmaßnahme mehr, sondern eine komplette Verweigerung von Respekt.
Bei mir war es so, dass man zu mir eine Person ins Zimmer gesetzt hatte, die die Beleuchtung im Zimmer, unabhängig von der Tageszeit und unabhängig von der Außenhelligkeit, auf das Maximum drehte. Das war dann im wahrsten Sinne des Wortes richtig grell.
Ich habe das natürlich kommuniziert und als es dann hieß, das sei eine Angelegenheit zwischen uns beiden, wusste ich, dass ich auf dem absteigenden Ast war und für die nur noch ein Clown war.
Und zwar einen Clown, den man nur noch braucht, um sein Knowhow abzusaugen. Denn die wollten gar nicht, dass ich gehe, jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt.
Ich gebe gern Knowhow an Jüngere weiter und sehe es sogar als eine Art von Pflicht an, aber nicht in dem man mich im grellen Licht herumhocken lässt.
Bevor ich dann vollends in eine Abwärtsspirale reingezogen wurde, bin ich dann einem Zeitpunkt, der für mich der Passendste war, gegangen.
Die hatten auch nicht mit meinen Abgang gerechnet, da man in dem Alter in der Regel erpressbar ist. Ganz schlimm sind die dran, die ihr Haus noch nicht abbezahlt haben und noch ihre beiden Kinder finanziell beim Studium unterstützen müssen. Mit denen kann man alles machen.
2.2 Die ersten Monate des Ruhestandes
Wie erging es mir dann?
Ich bin spontan und damit ungeplant wegen Tapetenwechsel 1 Woche in Urlaub verreist. Dabei hatte ich darauf geachtet, dass es kein Strandurlaub war. Ich wollte Zeit zum Nachdenken haben, aber keine Zeit zum Grübeln haben.
Ich war inclusive des Urlaubes erstmal Wochen lang nur müde. Was ich bis heute nicht verstehe. Denn so abgearbeitet war ich nicht. Vielleicht ist das eine Schutzfunktion des Körpers angesichts der völlig neuen Lebenssituation?
Danach begann dann eine Phase der Hyperaktivität. Ich war ständig darauf bedacht nicht abzuhängen und irgendeine Art von Leistung zu erbringen. Kein Wunder, ich war jahrzehntelang auf Leistung gedrillt worden.
Einer meiner ersten Gedanken war, bloß nicht länger vor der Glotze rumhängen als zu Berufszeiten.
Es dauerte 4 bis 5 Monate, bis ich mich zwischen Hyperaktivität, Einschlafproblemen (weil es keinen müd machenden Berufsalltag mehr gab) und der Suche nach dem für mich geeigneten Ausmaß an Müßiggang stabilisiert hatte.
Probleme meine Tagesleistung oder meine Leistung über mehrere Tage hinweg als Ruheständler zu bewerten, habe ich heute noch. Als ich noch berufstätig war, konnte ich abschätzen, inwieweit ich meine Aufgaben abgearbeitet hatte und ob es dabei zu Streitereien d. h. zu sozialen Konflikten gekommen war.
Wenn ich z. B. 4 Stunden entrümpelt hatte, kam es zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Das konnten 3 volle Umzugskosten gewesen sein oder auch nur hundert Blatt Papier, die ich beim Durchblättern verschiedener Ordner als wegwerfbar identifiziert hatte.
Ich kann ja theoretisch jeden Morgen 2 Stunden Zeitung lesen. Habe ich dann etwas geleistet? Muss ich denn als Ruheständler etwas leisten?
Was ich festgestellt habe – das wäre dann die externe Bewertung – dass ich für Berufstätige uninteressanter geworden bin. Das hängt meines Erachtens nicht nur damit zusammen, dass man keine beruflichen Probleme mehr „teilen“ kann, sondern auch damit, dass man aus deren Sicht nichts mehr Berufliches leistet.
Wenn ich denen erzählte, dass ich heute 4 Stunden entrümpelt hatte, war die übliche Reaktion in etwa so:
Na ja, der hat ja jetzt Zeit. Sinnvoll ist wahrscheinlich schon. Ich selber hätte keine Lust dazu.
Für Entrümpler gibt es keine erwähnenswerte soziale Anerkennung.
Ein weiterer Bedeutungsverlust ist– solange man als Ruheständler nicht ehrenamtlich arbeitet – dass man nicht mehr so gebraucht wird. Früher hat einen der Chef gebraucht, die Kollegen haben einen gebraucht, die Kunden haben einen gebraucht.
Wer braucht mich denn als Ruheständler noch? Die Kinder, die schon längst daheim ausgezogen sind und mit den Enkeln ganz woanders hingezogen sind? Ja, ab und zu brauchen die einen schon mal.
Der Grad der Inanspruchnahme steht oft in Relation zur räumlichen Distanz.
Die Person, mit der ich zusammenlebe, braucht mich (hoffentlich) noch. Aber darüber hinaus werde ich eigentlich nicht gebraucht. Klar Industrie und Dienstleiter brauchen mich als Konsument und Kunden. Aber das Tätigen von Ausgaben erzeugt bei mir nicht das Gefühl gebraucht zu werden.
Eine ehrenamtliche