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Seine Exzellenz Eugene Rougon. Emile ZolaЧитать онлайн книгу.

Seine Exzellenz Eugene Rougon - Emile Zola


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Tage ganz gewiß nicht mit meinen kleinen Kümmernissen quälen.«

      »Nein, lassen Sie sich dadurch nicht stören. Reden Sie nur.«

      »Je nun, es ist wegen meiner Angelegenheit. Sie wissen ja, wegen dieser verwünschten Konzession ... Ich bin sogar froh, daß Du Poizat hier ist. Er wird uns einige Aufschlüsse geben können.«

      Und er setzte lang und breit auseinander, wie weit seine Angelegenheit gediehen war. Es handelte sich um eine Eisenbahnlinie von Niort nach Angers, einen Plan, den er seit drei Jahren hegte. Allerdings führte der Schienenstrang über Bressuire, wo er Hochöfen besaß, deren Wert sich dadurch verzehnfachen sollte; einstweilen hielt sich das Unternehmen nur gerade so, wegen der Transportschwierigkeiten. Ferner bot die Verwirklichung des Projekts die Aussicht, höchst erfolgreich im trüben fischen zu können. Deshalb entfaltete Herr Kahn eine ungeheure Betriebsamkeit, um die Konzession zu erhalten; Rougon unterstützte ihn nachdrücklich, und die Konzession sollte gerade erteilt werden, als Herr de Marsy, der Innenminister, einerseits ärgerlich darüber, daß er an dem Geschäft, bei dem er prächtige Spekulationsgewinne witterte, nicht beteiligt war, andererseits sehr begierig darauf, Rougon Unannehmlichkeiten zu bereiten, den ganzen Einfluß seiner hohen Stellung dazu verwandte, gegen den Plan anzukämpfen. Er hatte sogar kürzlich mit der Dreistigkeit, die ihn so gefürchtet machte, die Konzession durch den Minister für öffentliche Arbeiten dem Direktor der WestbahnGesellschaft anbieten lassen; und er verbreitete das Gerücht, einzig diese Gesellschaft sei imstande, den Bau einer Zweigbahn, der ernsthafte Garantien erfordere, erfolgreich durchzuführen. Herr Kahn würde dabei hart mitgenommen werden. Der Sturz Rougons mußte ihn vollends ruinieren.

      »Gestern habe ich erfahren«, sagte er, »daß ein Ingenieur jener Gesellschaft beauftragt worden ist, eine neue Streckenführung zu prüfen ... Haben Sie davon Wind gehabt, Du Poizat?«

      »Gewiß«, antwortete der Unterpräfekt. »Man hat sogar schon mit der Prüfung angefangen ... Man versucht, den Bogen zu vermeiden, den Sie machen wollten, um Bressuire zu berühren. Die Strecke wird in gerader Richtung über Parthenay und Thouars verlaufen.«

      Der Abgeordnete machte eine mutlose Gebärde.

      »Das ist ja Schikane«, knurrte er. »Was würde es ihnen ausmachen, die Strecke an meinem Hüttenwerk vorbeizuführen? – Aber ich werde Einspruch erheben, ich werde eine Denkschrift gegen ihre Streckenführung verfassen ... Ich fahre mit Ihnen nach Bressuire zurück.«

      »Nein, warten Sie nicht auf mich«, entgegnete Du Poizat lächelnd. »Ich werde wohl meinen Rücktritt einreichen.«

      Herr Kahn ließ sich, wie von einer endgültigen Katastrophe getroffen, in seinen Sessel sinken. Mit beiden Händen rieb er seine Bartfräse und blickte flehend Rougon an. Der hatte seine Akten hingelegt. Die Ellbogen auf den Schreibtisch gestützt, hörte er zu.

      »Sie möchten einen Rat haben, nicht wahr?« sagte er schließlich mit harter Stimme. »Nun gut, verhalten Sie sich ganz still, meine teuren Freunde, bemühen Sie sich darum, daß die Dinge auf ihrem derzeitigen Stand bleiben, und warten Sie ab, bis wir die Herren sind ... Du Poizat wird seinen Rücktritt einreichen, weil er, wenn er das nicht tut, vor Ablauf von vierzehn Tagen seine Entlassung erhalten wird. Was Sie betrifft, Kahn, so schreiben Sie an den Kaiser, verhindern Sie mit allen Mitteln, daß die Konzession an die WestbahnGesellschaft vergeben wird. Sie werden sie jetzt bestimmt nicht bekommen, aber solange sie niemandem gehört, kann sie später mal Ihnen gehören.« Und da die beiden Männer den Kopf schüttelten, fuhr er noch brutaler fort: »Das ist alles, was ich für Sie tun kann. Ich liege am Boden, lassen Sie mir Zeit, mich wieder zu erheben ... Mache ich ein trauriges Gesicht? Nein, nicht wahr? Also gut, machen Sie mir das Vergnügen, nicht mehr so auszusehen, als gingen Sie hinter meinem Leichenwagen her ... Ich bin geradezu entzückt, ins Privatleben zurückzukehren. Endlich werde ich mich doch ein wenig ausruhen können!«

      Die Arme verschränkt, den großen Körper wiegend, atmete er tief. Und Herr Kahn sprach nicht mehr von seiner Angelegenheit. Er ahmte Herrn Du Poizats gleichgültige Miene nach, bestrebt, vollständige Unbefangenheit an den Tag zu legen. Delestang hatte einen anderen Kasten in Angriff genommen, er machte hinter den beiden Sesseln so wenig Geräusch, daß man es zuweilen für das leise Geraschel einer Schar Mäuse halten konnte, die in den Aktenstößen spielten. Die Sonne, die über den roten Teppich wanderte, schnitt in den Schreibtisch einen Winkel blonden Lichts, in dem noch immer ganz bleich die Kerze brannte.

      Inzwischen hatte ein vertrauliches Geplauder begonnen. Rougon, der jetzt wieder Bündel verschnürte, versicherte, die Politik sei nichts für ihn. Er lächelte gutmütig, während seine Lider, wie vor Müdigkeit, wieder über das Flammen seiner Augen sanken. Er hätte gern riesige Ländereien zu bestellen gehabt, mit Feldern, die er nach seinem Belieben bearbeiten würde, mit Viehherden, Pferden, Rindern, Schafen, Hunden, deren unumschränkter Gebieter er wäre. Und er erzählte, daß einst in Plassans, als er noch nichts weiter als ein kleiner Provinzadvokat gewesen, seine größte Freude darin bestanden habe, im Kittel loszuziehen und tagelang in den Schluchten der Seille zu jagen, wo er Adler abgeschossen habe. Er nannte sich einen Bauern, sein Großvater habe noch auf dem Felde schuften müssen. Dann fing er an, den der vornehmen Welt überdrüssigen Mann zu spielen. Die Macht langweile ihn. Er werde den Sommer auf dem Lande verbringen. Nie habe er sich unbeschwerter gefühlt als seit diesem Morgen; und er zuckte so gewaltig mit seinen starken Schultern, als würfe er eine Last ab.

      »Was haben Sie hier als Präsident gehabt? Achtzigtausend Francs?« fragte Herr Kahn.

      Rougon bejahte mit einer Kopfbewegung.

      »Und nun bleiben Ihnen nur Ihre dreißigtausend Francs als Senator.«

      Was ihm das ausmache! Er könne von nichts leben, denn er habe keine Laster, was übrigens stimmte. Weder Spieler noch Schürzenjäger, noch Schlemmer. Er sehne sich nur danach, Herr in seinem Hause zu sein, nach nichts sonst. Und unausweichlich kam er auf seine Idee von einem Bauernhof zurück, wo ihm alle Tiere gehorchen würden. Sein Ideal sei, eine Peitsche zu haben und zu befehlen, allen überlegen, klüger und stärker als alle zu sein. Nach und nach wurde er lebhaft, sprach von den Tieren, wie er von Menschen gesprochen haben würde, und behauptete, die Massen liebten den Stock, die Hirten lenkten ihre Herden nur mit Steinwürfen. Er verwandelte sich förmlich, seine dicken Lippen blähten sich vor Verachtung, das ganze Gesicht strotzte von Kraft. In der geballten Faust schwang er ein Aktenbündel und schien nahe daran zu sein, es Herrn Kahn und Herrn Du Poizat, die dieser plötzliche Leidenschaftsausbruch in Unruhe und Verlegenheit versetzte, an den Kopf zu werfen.

      »Der Kaiser hat sehr schlecht gehandelt«, murmelte Du Poizat.

      Da beruhigte sich Rougon plötzlich. Sein Gesicht wurde wieder grau, sein Körper sackte mit der Plumpheit eines fettleibigen Mannes zusammen. Er begann den Kaiser in übertriebener Weise zu loben: der besitze einen mächtigen Verstand, einen Geist von unglaublicher Tiefe. Du Poizat und Herr Kahn wechselten einen raschen Blick. Aber Rougon überbot sich noch, indem er von seiner Ergebenheit redete und ganz demutsvoll sagte, er sei immer stolz darauf gewesen, nichts weiter als ein einfaches Werkzeug in den Händen Napoleons III. zu sein. Schließlich machte er sogar Du Poizat, einen Burschen von unangenehmer Lebhaftigkeit, ungeduldig. Und ein Streit entspann sich. Du Poizat sprach bitter von all dem, was Rougon und er von 1848 bis 1851 für das Kaiserreich getan hätten, während sie bei Frau Mélanie Correur am Hungertuch nagten. Er erzählte von den schrecklichen Tagen, vor allem während des ersten Jahres, Tagen, die sie damit verbrachten, im Schmutz von Paris herumzupatschen, um Parteigänger zu werben. Später hatten sie zwanzigmal ihre Haut zu Markte getragen. War es nicht Rougon gewesen, der sich am Morgen des 2. Dezember an der Spitze eines Linienregiments des PalaisBourbon20 bemächtigt hatte? Bei diesem Spiel ging es um den Kopf. Und heute gab man ihn preis, wurde er das Opfer einer Hofintrige. Aber Rougon widersprach; man habe ihn nicht preisgegeben; er ziehe sich aus persönlichen Gründen zurück. Als dann Du Poizat, vollends in Schwung geraten, die Leute in den Tuilerien »Schweine« schimpfte, brachte ihn Rougon zum Schweigen, indem er dem Palisanderschreibtisch einen solchen Faustschlag versetzte, daß es krachte.

      »Dumm ist das alles!« sagte er nur.

      »Sie gehen ein wenig zu weit«, murmelte Herr Kahn.

      Delestang,


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