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Der einsame Weg. Arthur SchnitzlerЧитать онлайн книгу.

Der einsame Weg - Arthur Schnitzler


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unter der Erde und verwesen, – und Sie sind beinahe noch jung. Wie unbegreiflich ist das alles!

      SALA. Du, der da weiterlebt, laß ab zu weinen, sagt Omar Nameh, geboren zu Bagdad im Jahre 412 der mohammedanischen Zeitrechnung als Sohn eines Kesselflickers. Übrigens kenn' ich einen, der dreiundachtzig Jahre alt ist; er hat zwei Frauen begraben, sieben Kinder, von den Enkeln ganz zu geschweigen, und spielt Klavier in einem schäbigen Praterwirtshaus, während sich auf der Bühne Künstler und Künstlerinnen produzieren in Trikots und fliegenden Röckchen. Und neulich, als die armselige Produktion zu Ende war und man die Laternen auslöschte, spielte er rätselhafterweise auf dem gräulichen Klimperkasten unbeirrt weiter. Und da haben wir ihn eingeladen, Ronsky und ich, sich zu uns zu setzen, und haben mit ihm zu plaudern angefangen. Und nun erzählte er uns, daß das letzte Stück, das er da oben gespielt hatte, seine eigene Komposition war. Wir machten ihm natürlich unsere Komplimente. Und da leuchteten seine Augen, und mit seiner zittrigen Stimme fragte er uns: »Glauben Sie, meine Herren, wird mein Werk Erfolg haben?« Dreiundachtzig Jahre ist er alt und seine Karriere endet in einem kleinen Praterwirtshaus und sein Publikum sind Kindermädchen und Feldwebel, und seine Sehnsucht ist, – daß die ihm Beifall klatschen!

      Dritte Szene

      Johanna, Sala, Doktor Reumann.

      DOKTOR REUMANN. Guten Abend, Fräulein Johanna. Guten Abend, Herr von Sala. Reicht beiden die Hände. Wie befinden Sie sich?

      SALA. Vorzüglich. Man ist Ihnen doch nicht verfallen, wenn man einmal die Ehre gehabt hat, Sie um Rat zu fragen!

      DOKTOR REUMANN. Daran hatt' ich selbst schon vergessen. Aber es gibt Leute, die sich dergleichen einbilden. – Mama ruht wohl ein wenig, Fräulein Johanna?

      JOHANNA war durch das kurze Gespräch zwischen dem Arzt und Sala betroffen und betrachtete Sala aufmerksam. Sie wird wohl schon wach sein. Felix ist bei ihr.

      DOKTOR REUMANN. Felix ...? Man hat doch nicht etwa um ihn telegraphiert?

      JOHANNA. Nein, soviel ich weiß. Wer hätte denn ...?

      DOKTOR REUMANN. Ich dachte nur. Ihr Papa ist manchmal so ängstlich.

      JOHANNA. Da kommen sie.

      Vierte Szene

      Johanna, Sala, Doktor Reumann, Frau Wegrat und Felix von der Veranda her.

      FRAU WEGRAT. Grüß' Sie Gott, lieber Herr Doktor. Was sagen Sie zu der Überraschung?

      Freundliches Händedrücken zwischen den Herren.

      FRAU WEGRAT. Guten Abend, Herr von Sala.

      SALA. Ich freue mich, gnädige Frau, Sie so wohl zu sehen.

      FRAU WEGRAT. Ja, es geht mir ein wenig besser. Wenn nur die traurige Jahreszeit nicht so nahe wäre.

      SALA. Aber gnädige Frau, jetzt kommen ja erst die allerschönsten Tage. Wenn die Wälder rot und gelb schimmern, der goldene Dunst über den Hügeln liegt und der Himmel so fern und blaß ist, als schauerte ihn vor seiner eigenen Unendlichkeit –!

      FRAU WEGRAT. Das möchte man wohl noch einmal sehen.

      DOKTOR REUMANN vorwurfsvoll. Gnädige Frau –

      FRAU WEGRAT. Verzeihen Sie, es kommen einem manchmal solche Gedanken. Heiterer. Wenn ich nur wenigstens wüßte, wie lange mir mein guter Doktor noch erhalten bleibt.

      DOKTOR REUMANN. In dieser Hinsicht kann ich Sie beruhigen, gnädige Frau: Ich bleibe in Wien.

      FRAU WEGRAT. Wie? Ist die Sache schon entschieden?

      DOKTOR REUMANN. Ja.

      FELIX. Ist also richtig ein anderer nach Graz berufen worden?

      DOKTOR REUMANN. Das nicht. Aber der andere, dem die Stelle so gut wie sicher war, hat sich auf einer Bergtour den Hals gebrochen.

      FELIX. Da wären doch jetzt Ihre Chancen die allerbesten? Wer außer Ihnen käme denn noch in Betracht?

      DOKTOR REUMANN. Meine Chancen wären jetzt gewiß nicht übel. Aber ich habe es vorgezogen, zu verzichten.

      FRAU WEGRAT. Wie?

      DOKTOR REUMANN. Ich nehme eine Berufung nicht an.

      FRAU WEGRAT. Sind Sie so abergläubisch?

      FELIX. Sind Sie so stolz?

      DOKTOR REUMANN. Keines von beiden. Aber der Gedanke, irgend einen Vorteil dem Malheur eines andern zu verdanken, wäre mir außerordentlich peinlich. Meine halbe Existenz wäre mir vergällt. Sie sehen, das ist weder Aberglaube noch Stolz, es ist ganz gemeine, kleinliche Eitelkeit.

      SALA. Das ist raffiniert, Herr Doktor.

      FRAU WEGRAT. Ich höre aus alldem nur, daß Sie bleiben. Ja, so niedrig beginnt man zu denken, wenn man krank ist.

      DOKTOR REUMANN absichtlich abschweifend. Nun, Felix, wie behagt's Ihnen denn in Ihrer Garnison?

      FELIX. Sehr gut.

      FRAU WEGRAT. Bist du also ganz zufrieden, mein Kind?

      FELIX. Ich bin euch sehr dankbar. Dir besonders, Mama.

      FRAU WEGRAT. Warum mir besonders? Die letzte Entscheidung stand ja doch beim Vater.

      DOKTOR REUMANN. Ihm wäre es natürlich lieber gewesen, wenn Sie einen friedlicheren Beruf erwählt hätten.

      SALA. Es gibt ja heutzutage gar keinen, der friedlicher wäre.

      FELIX. Da haben Sie recht, Herr von Sala. – Übrigens hab' ich Ihnen Grüße vom Oberstleutnant Schrotting zu überbringen.

      SALA. Danke sehr. Denkt denn der noch an mich?

      FELIX. Nicht er allein. Wir werden ja häufig an Sie erinnert; – bei jeder Mahlzeit. Ihr Porträt hängt ja unter manchen andern von gewesenen Offizieren unseres Regiments im Kasino.

      Fünfte Szene

      Johanna, Sala, Doktor Reumann, Felix, Frau Wegrat. – Professor Wegrat tritt auf.

      WEGRAT. Guten Abend. – Wie, Felix, du bist wieder da? Das ist aber eine Überraschung!

      FELIX. Guten Abend, Papa. Ich habe mir auf zwei Tage Urlaub genommen.

      WEGRAT. Urlaub ... Urlaub? Ist's wirklich einer? Oder ist's nicht etwa wieder so ein kleiner Geniestreich?

      FELIX leicht, nicht verletzt. Ich pflege doch nicht die Unwahrheit zu reden, Vater.

      WEGRAT auch scherzend. Ich wollte dich nicht beleidigen, Felix. Auch wenn du fahnenflüchtig geworden wärst, die Sehnsucht nach der Mutter dürfte als genügende Entschuldigung gelten.

      FRAU WEGRAT. Die Sehnsucht nach den Eltern!

      WEGRAT. Natürlich – nach uns allen. Aber da du jetzt etwas leidend bist, bist du die Hauptperson. – Nun, wie geht's, Gabriele? Besser, nicht wahr? Leise, beinahe schüchtern. Meine Liebe ... Streichelt ihr Stirn und Haare. Liebe ... Die Luft ist so lind.

      SALA. Es ist ein wundervoller Herbst.

      DOKTOR REUMANN. Sie kommen jetzt erst aus der Akademie, Herr Professor?

      WEGRAT. Ja. Ich bin ja jetzt auch Direktor, da gibt's eine ganze Menge zu tun – und nicht immer Amüsantes und Dankbares. Aber wie man behauptet, bin ich dazu geschaffen. Es wird wohl so sein. Lächelnd. Wie irgendwer einmal über mich sagte: Kunstbeamter.

      SALA. Seien Sie nur nicht ungerecht gegen sich, Herr Professor.

      FRAU WEGRAT. Wahrscheinlich bist du auch wieder den ganzen langen Weg zu Fuß gegangen?

      WEGRAT. Ich habe sogar einen kleinen Umweg gemacht – über die Türkenschanze. Ich liebe diesen Weg so


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