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Der einsame Weg. Arthur SchnitzlerЧитать онлайн книгу.

Der einsame Weg - Arthur Schnitzler


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hab' ich dir Grüße zu bringen, Gabriele. Ich bin Irene Herms begegnet.

      FRAU WEGRAT. Sie ist in Wien?

      WEGRAT. Vorübergehend. Sie will dich dieser Tage besuchen.

      SALA. Ist sie noch in Hamburg engagiert?

      WEGRAT. Nein. Sie hat die Bühne verlassen, wie sie mir erzählt, und lebt bei ihrer verheirateten Schwester auf dem Land.

      JOHANNA. Ich habe sie einmal in einem Stück von Ihnen spielen sehen, Herr von Sala.

      SALA. Da müssen Sie aber noch ein ganz kleines Mädchen gewesen sein.

      JOHANNA. Sie gab eine spanische Prinzessin.

      SALA. Leider. Prinzessinnen waren ihre Sache wahrhaftig nicht. Sie hat ihr Lebtag keine Verse sprechen können.

      DOKTOR REUMANN. Und daran denken Sie heute noch, Herr von Sala, daß irgend eine Dame irgend einmal Ihre Verse schlecht gesprochen hat?

      SALA. Warum sollt' ich nicht, lieber Doktor? Wenn Sie im Mittelpunkt der Erde wohnten, wüßten Sie, daß alle Dinge gleich schwer sind. Und schwebten Sie im Mittelpunkt der Welt, dann ahnten Sie, daß alle Dinge gleich wichtig sind.

      FRAU WEGRAT. Wie sieht sie denn aus?

      WEGRAT. Sie ist noch immer recht hübsch.

      SALA. Ob sie noch Ähnlichkeit mit ihrem Bild bewahrt hat, das im Museum hängt?

      FELIX. Was ist das für ein Bild?

      JOHANNA. Es hängt ein Bild von ihr im Museum?

      SALA. Sie kennen es gewiß. »Schauspielerin« ist es im Katalog benannt, schlechtweg »Schauspielerin«. Ein junges Weib in einem Harlekinskostüm, darüber eine griechische Toga geworfen, ihr zu Füßen ein Gewirr von Masken. Ganz allein, den starren Blick auf den Zuschauerraum gerichtet, steht sie auf einer leeren, halb dunkeln Bühne, zwischen Kulissen, die nicht zueinander passen. Ein Stück Zimmerwand, ein Stück Wald, ein Stück Burgverließ ...

      FELIX. Und der Hintergrund stellt eine Landschaft im Süden vor, mit Palmen und Platanen ...?

      SALA. Ja. Die halb aufgerollt ist, so daß man weiter rückwärts einen Haufen von Möbeln, Stufen, Bechern, Kronen im hellen Tageslicht schimmern sieht.

      FELIX. Das ist ja das Bild von Julian Fichtner?

      SALA. Freilich.

      FELIX. Ich wußte gar nicht, daß die Frauengestalt Irene Herms darstellen sollte.

      WEGRAT. Das sind nun mehr als fünfundzwanzig Jahre, daß er das Bild gemalt hat. Es machte gewaltiges Aufsehen damals. Es war sein erster großer Erfolg. Und heute gibt es vielleicht eine ganze Menge von Leuten, die seinen Namen nicht mehr kennen. – Übrigens hab' ich Irene Herms nach ihm gefragt. Aber seltsam, auch die »ewige Freundin« weiß nicht, wo in der Welt er sich herumtreibt.

      FELIX. Ich hab' ihn erst vor wenigen Tagen gesprochen.

      WEGRAT. Wie?! Du hast Julian Fichtner gesehen? Er war in Salzburg? ... Wann denn?

      FELIX. Es sind erst drei oder vier Tage her. Er hat mich aufgesucht, und wir haben einen Abend miteinander verbracht.

      FRAU WEGRAT wirft einen Blick auf Doktor Reumann.

      WEGRAT. Wie geht's ihm denn? Was hat er dir denn erzählt?

      FELIX. Ein wenig grau ist er geworden, aber sonst schien er mir kaum verändert.

      WEGRAT. Wie lang mag er jetzt von Wien fort sein? Zwei Jahre, nicht wahr?

      FRAU WEGRAT. Etwas drüber.

      FELIX. Er hat große Reisen gemacht.

      SALA. Ja, gelegentlich erhielt ich eine Karte von ihm.

      WEGRAT. Wir auch. Aber ich dachte, daß Sie mit ihm in regelmäßiger Korrespondenz stünden.

      SALA. Regelmäßig? Nein.

      JOHANNA. Ist er nicht Ihr Freund?

      SALA. Freunde hab' ich im allgemeinen nicht. Und wenn ich sie habe, verleugne ich sie.

      JOHANNA. Aber früher sind Sie doch so intim mit ihm gewesen.

      SALA. Er doch eigentlich mehr mit mir als ich mit ihm.

      FELIX. Wie meinen Sie das, Herr von Sala?

      JOHANNA. Ich versteh' das sehr gut. Es geht Ihnen wohl mit den meisten Menschen so.

      SALA. Ähnlich zum mindesten.

      JOHANNA. Man merkt das auch an den Sachen, die Sie schreiben.

      SALA. Hoff ich. Sonst könnte sie auch wer anderer schreiben.

      WEGRAT. Sagte er denn nicht, wann er wieder nach Wien kommt?

      FELIX. Ich glaube bald. Aber sehr bestimmt hat er sich nicht ausgedrückt.

      JOHANNA. Ich möchte Herrn Fichtner gern wiedersehen. Ich habe solche Menschen gern.

      WEGRAT. Was nennst du »solche Menschen«?

      JOHANNA. Die immer von weit herkommen.

      WEGRAT. Aber als du ihn kanntest, Johanna, kam er doch meistens ganz aus der Nähe ... er lebte ja hier.

      JOHANNA. Das ist ja ganz gleichgültig, ob er hier lebte oder anderswo. – Auch wenn er täglich kam, mir war immer, als käm' er von sehr weit.

      WEGRAT. Nun ja ...

      FELIX. Das hab' ich auch manchmal empfunden.

      WEGRAT. Ist es nicht seltsam, wie er durch die Welt jagt, in den letzten Jahren wenigstens?

      SALA. Steckt diese Unruhe nicht seit jeher in ihm? Sie waren ja schon auf der Akademie mit ihm zusammen.

      WEGRAT. Ja. Und damals mußte man ihn gekannt haben, um ihn wirklich zu kennen. Als junger Mensch hatte er etwas Faszinierendes, Blendendes. Nie hab' ich jemanden gekannt, auf den das Wort »vielversprechend« so zutraf wie auf ihn.

      SALA. Nun, er hat doch mancherlei gehalten.

      WEGRAT. Aber was hätte er alles erreichen können! ...

      DOKTOR REUMANN. Ich glaube, was man hätte erreichen können, das erreicht man auch.

      WEGRAT. Nicht immer. Julian war gewiß zu Höherem bestimmt. Was ihm gefehlt hat, war die Fähigkeit, sich zu sammeln, der innere Friede. Er konnte sich nirgends dauernd heimisch fühlen; und das Unglück war, daß er sich auch in seinen Arbeiten sozusagen nur vorübergehend aufhielt.

      FELIX. Er hat mir ein paar Skizzen gezeigt, die er in der letzten Zeit gemacht hat.

      WEGRAT. Schön?

      FELIX. Für mich lag etwas Ergreifendes in ihnen.

      FRAU WEGRAT. Warum ergreifend? Was sind's denn für Bilder?

      FELIX. Landschaften. Sogar meistens ganz heitere Gegenden.

      JOHANNA. Ich habe einmal im Traum eine Frühlingslandschaft gesehen, ganz sonnig und mild, und doch hab' ich über sie weinen müssen.

      SALA. Ja, die Traurigkeit steckt in den Dingen oft viel tiefer verborgen, als man ahnt.

      WEGRAT. Also er arbeitet wieder? Da kann man sich ja vielleicht was besonderes erwarten.

      SALA. Bei jemandem, der einmal ein Künstler war, ist man nie vor Überraschungen sicher.

      WEGRAT. Ja, so ist es, Herr von Sala. Das ist eben der große Unterschied. Bei einem Beamten kann man in dieser Hinsicht ganz ruhig sein. Mit heiterer Selbstironie. Der malt jedes Jahr sein braves Bild für die Ausstellung und kann beim besten Willen nicht anders.

      DOKTOR REUMANN. Es ist noch sehr die Frage, wer die Welt und die Kunst weiter bringt: Beamte wie Sie, Herr Professor, oder ... die sogenannten Genies.

      WEGRAT. O, es fällt mir gar


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