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Eine Gemsjagd in Tyrol. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Eine Gemsjagd in Tyrol - Gerstäcker Friedrich


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der Wagen; immer enger wird das Thal, immer wilder und rauschender die muntere Riß, die hier schon über wildes Steingeröll hinüber schäumt, und manchen kecken Sprung versucht. Immer steiler werden die Wände unter denen der Weg sich jetzt wie ängstlich hindrückt. Menschenwohnungen ließen wir mit der »Fall« in der ein Forsthaus steht schon längst hinter uns, und nähern uns jetzt dem Distrikt wo, der Meinung der Flachländer nach »die Füchse einander gute Nacht sagen.« Nur in äußerst seltenen Fällen zeigt noch hie und da eine verlassene Sennhütte ihr helles Dach – die Sennen selber sind mit dem Vieh thalab gezogen.

      Wilder wird hier die Landschaft; dunkle Kiefer- und Fichtenwaldung schickt ihre grünen Schatten bis zum Strom herab, und hier – wo sich die Wände fast zusammen drängen, die Riß, in ihr schmales Bett hineingepreßt, ärgerlich und tobend, tief unter eine darüber hingespannte Brücke, sprudelnd und schäumend niederspringt, kommen wir zur Grenze. An dieser Seite steht ein blau und weißer Pfahl, jenseits der Brücke ein anderer, von dem die Sage behauptet daß er einst schwarz und gelb gemalt gewesen. Jetzt lehnt er grau und mürrisch im Schatten der dunklen Tannen, und schaut in den Waldbach nieder, als ob er selber gar nicht so übel Lust hätte hinein zu springen und mit fort zu schwimmen in's flache Land – was er auch vielleicht längst gethan hätte, wenn's eben nicht über eine fremde Grenze – in's Ausland ginge.

      Warum rollt der Wagen hier noch einmal so leicht, warum hebt sich die Brust so viel höher, warum schaut das Auge so viel schärfer nach Wild umher an den Hängen, nach Fährten auf den Weg und in den weichen Waldgrund, der ihn an beiden Seiten begrenzt? – Das ist das eigene Jagdrevier – die Gemse die hier steht, das Wild das hier in stiller Nacht vorüber zieht, gehört zu befreundeten Rudeln, und die Berge die hier ihre grünen Arme und graue Häupter aus- und emporrecken, sind der Tummelplatz ihrer Spiele, und tragen den gedeckten Tisch für sie.

      Jetzt macht der Weg eine Biegung, voraus steigt der »Stuhlkopf« schroff empor – das Wasser rauscht lebendiger, einzelne Dächer in dem sich weiter öffnenden Thal werden sichtbar – ein kleines Kloster, von mehreren Hütten umgeben dehnt sich langsam aus und dahinter liegt, dem überraschten Blick wie aus dem Boden steigend, hineingebaut in die waldigen Berge, den schäumenden Strom überragend und mit seinen eingeschnittenen hellen Mauern und flatternden Fahnen gar so freundlich herüberleuchtend, ein reizendes Jagdschloß, vor dem sich schon ein buntes Gemisch von Jägern, Dienern und Hunden gesammelt hat, den Herrn und seine Gäste zu begrüßen.

      Wie kühn und wacker die Burschen aussehn in ihrer malerischen Tracht, wie freundlich die gesunden gutmüthigen Gesichter darein schauen, wie glücklich diese Adler-Augen lächeln den lieben Herrn wieder begrüßen zu können der ja des Jahrs nur einmal, auf wenige Wochen aus weiter Ferne, zu ihnen kommt. – Und nun giebt's wieder Leben in den Bergen.

      Und wahrlich malerisch ist die Tracht der Leute. Auf dem Kopf tragen sie den bekannten Tyroler-Hut mit ein paar nach rückwärts gebogenen Spielhahnfedern, den Stoß eines Schnee- oder Haselhuhns, und manchmal einen Gemsbart. Der Hals ist frei und das weiße Hemd wird durch ein schwarz oder bunt seidenes Tuch locker zusammengehalten. Vortrefflich unter den Hut paßt aber die graue Joppe – eigentlich etwas zu dunkel für die Berge, weil die lichteren Farben viel besser mit dem Grün und Grau der Büsche und Felsen verschmelzen – und unter dieser reichen die schwarzen Lederhosen nur bis zum oberen Rand des Knies, das sie bloß lassen, während unter dem Knie der dick wollene, meist gewebte grüne oder graue Strumpf beginnt. Die Füße stecken in mächtigen Bergschuhen, von festem, wenig geschmeidigem Leder, das den Fuß kräftig zusammenhält, während die darunter eingeschlagenen Nägel nur durch den bloßen Anblick einem mit Hühneraugen geplagten Menschenkinde Entsetzen einflößen müßten. Es sind das auch keine gewöhnlichen Nägel, sondern nach innen scharf abschneidend, nach außen mit breitem Griff die Sohle fassend und schützend, bilden sie einen scharfen eisernen Rand um den Schuh herum, und ahmen dadurch die ähnlich eingeschnittenen Schaalen der Gemse nach. Ohne diese Schuh würde selbst nicht der an die Berge von klein auf gewohnte Jäger im Stande sein an den steilen Graslannen und schroffen Hängen, die oft nur kaum zollbreite Vorsprünge auf ihrer glatten Fläche bieten, fortzukommen. Mit solchem scharfen Eisenrand schneidet man aber fest und sicher in die Wände ein, und wenn der Kopf nicht schwindelt, läuft man mit einiger Uebung sicher über nicht eben ganz senkrechte Wände hin.

      Dazu aber braucht man außer den Schuhen noch ein anderes, höchst nöthiges Instrument, und zwar den Bergstock, der von etwa sechs Fuß Länge, mit oder ohne eisernen Stachel, gewöhnlich nur roh aus einer Haselstaude geschnitten und getrocknet, dem Bergwanderer die Hauptstütze und Hülfe bietet. Ohne den Stock wär' er nur wenig nütz da oben, und weniger beim Auf-, besonders aber beim Niedersteigen, sichert er den Gang, hemmt den zu raschen Lauf und ist in der That des Kletternden bester Freund. Besonders nützlich zeigt er sich an steilen Hängen, wo man ihn wagerecht in Händen hält, mit der Spitze die Wand berührend, die eine Hand an seinem äußersten Ende untergehalten, die andere etwa in der Mitte aufgestemmt, das Gewicht des Körpers darauf, vom Abgrund fort, zu lehnen. Nicht zu steile Lannen läuft der Jäger mit diesem Stock, indem er ihn hinten einsetzt und sich darauf zurückbiegt, fast in voller Flucht hinunter. Er dient ihm so als Hemmschuh, mit dessen Hülfe er jeden Augenblick seinen Lauf einzügeln kann.

      Noch darf ich den Bergsack nicht unerwähnt lassen, dann sind wir, sobald wir die Büchse auf die Schulter werfen, zum Marsch gerüstet, und wenn die Sonne morgen früh über die Berge schaut, findet sie uns hoch über dem Nebel droben.

      Der Bergsack ist, wie Alles was der Alpenjäger braucht und mit sich trägt, so einfach, leicht und praktisch wie nur irgend möglich eingerichtet. Er besteht aus einem grünleinenen Sack, der hinten mit einem starken Seil auf und zu geschnürt werden kann, und auf dem Rücken, wo er keine Bewegung hindert, mit zwei Achselbändern getragen wird. Er ist dabei so zusammengefaltet daß er, wenn der Jäger nur sein Bischen Proviant, seine Steigeisen, seine Munition und etwas Wäsche oder seine Regenjoppe darin hat, ganz klein aussieht, soweit läßt er sich aber ausbreiten, mit Leichtigkeit den größten Gemsbock noch obendrein mit aufzunehmen. Die »Gams« wird dann so zusammengelegt, daß Kopf und Läufe ineinandergeschoben oben auf kommen, und nur die äußersten Spitzen der Läufe mit den Krickeln (Hörner der Gemse) zum Schlitz herausschauen.

      2.

      Hinauf!

      Wir sind gerüstet! – Drüben im Westen neigt sich schon die Sonne den hohen Jochen zu, und nach dem rasch eingenommenen Mahl geht es hinauf in die Berge, zur fröhlichen Jagd.

      Wie sich das so wunderbar leicht mit den nackten Knieen steigt – denn alle Schützen, ohne Ausnahme haben jetzt schon die Tracht der Gebirgsbewohner angelegt. – Wie sich das Bein so frei da biegt, und Arme und Bergstock mit eifriger Gefälligkeit nachhelfen, den hochaufathmenden Jäger bergan zu bringen – und wie die Lungenflügel sich so weit bewegen! Man fragt sich selber oft erstaunt: »wirst Du denn nur gar nicht müde?« – denn höher immer höher hinauf zieht sich der zickzacklaufende Reitsteg dem wir jetzt folgen. Müde? – das Wort kennt man kaum in den Bergen, und wenn man wirklich einmal nach einer gar zu steilen anstrengenden Tour zum Tode erschöpft glaubt niedersinken zu müssen, und dann den Gliedern nur wenige Minuten Ruhe gönnt, ist alles Ueberstandene im Handumdrehen vergessen.

      Das Jagdschloß liegt schon etwa 3000 Fuß über der Meeresfläche und steil auf führt der Weg uns nun empor; erst durch prächtige Buchen- und Ahornwälder, in die hinein die dunkle schlanke Tanne ihre dichten Zweige reckt, dann kommt die Birke mit dem weißen Stamm, die Espe, Eller, Eberesche und hie und da ein Krummholzkiefer- oder Laatschendickicht, mit dem der Jäger wohl bald weit mehr und näher bekannt werden soll, als ihm manchmal lieb ist. Jetzt wird das jedoch nicht sonderlich beachtet. Der ausgehauene Weg führt hindurch und man bemerkt entweder die weitausreichenden zähen Zweige nicht, oder kann sie auch nicht gleich ordentlich übersehn. Zuviel des Neuen bietet sich überhaupt nach allen Seiten hin dem Blick, das Einzelne zugleich mit zu erfassen.

      Noch aber sind wir fortwährend in diesem Wald bergauf gestiegen, und die überhängenden Zweige der Tannen, wie das dichte Unterholz mit den Laatschen zusammen, hindert die Aussicht in's Freie. Höher und höher steigen wir so, und lauter und lauter rauscht unten im Thal die Riß, die am Fuß des Bergs nur eben mit leisem Plätschern vorüberquoll, hier aber den Ton, durch die Wände zusammengedrängt in vollen Accorden


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