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Ein tiefes Geheimniss. Уилки КоллинзЧитать онлайн книгу.

Ein tiefes Geheimniss - Уилки Коллинз


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Möglichkeit einer glücklichen Zukunft für ihn in den guten Wirkungen, welche vielleicht der Einfluß seines Bruders auf ihn äußern konnte.

      Kaum aber hatten die beiden Brüder ihren frühern Umgang wieder aufgenommen, so ward demselben durch den Zwist, welchen Kapitän Trevertons Vermählung veranlaßte, auf immer ein Ende gemacht.

      Von dieser Zeit an war Andrew für alle geselligen Interessen und Zwecke ein verlorener Mann. Von dieser Zeit an setzte er den letzten Vorstellungen, die ihm von den letzten Freunden, die sich für ihn interessierten, gemacht wurden, stets eine und dieselbe bittere und hoffnungslose Antwort entgegen.

      »Mein liebster Freund verließ und betrog mich,« pflegte er zu sagen. »Mein einziger Bruder hat sich um einer Komödiantin willen mit mir veruneinigt. Was kann ich nach diesen Erfahrungen wohl von der übrigen Menschheit erwarten? Ich habe für meinen Glauben an Andere zweimal gebüßt – ich will nicht zum dritten Male dafür büßen. Der Klügste ist der, welcher sein Herz in seiner naturgemäßen Beschäftigung, Blut durch den Körper zu pumpen, nicht stört. Ich habe meine Erfahrungen in der Fremde und daheim gesammelt und genug gelernt, um die Täuschungen des Lebens zu durchschauen, welche den Augen anderer Menschen wie Wirklichkeit erscheinen, den meinigen aber sich schon vor Jahren in ihrer wahren Gestalt gezeigt haben. Meine Aufgabe in dieser Welt ist Essen, Trinken, Schlafen und Sterben. Alles andere ist Überfluß und ich habe nichts damit zu schaffen.«

      Die wenigen Leute, welche sich, nachdem sie durch ein solches Geständnis zurückgeschreckt worden, die Mühe nahmen, sich wieder nach ihm zu erkundigen, hörten drei oder vier Jahre nach der Vermählung seines Bruders, daß er in der Nähe von Bayswater lebte.

      Das Gerücht erzählte, er habe das erste beste Haus gekauft, welches durch eine ringsherumführende Mauer von allen andern Häusern abgeschnitten sei. Ferner erzählte man, er lebe wie ein Geizhals; er habe einen alten Diener namens Shrowl, der sogar ein noch größerer Menschenfeind sei als er selbst; er lasse keine lebende Seele, nicht einmal dann und wann eine Scheuerfrau, sein Haus betreten; er lasse sich den Bart wachsen und habe seinem Diener Shrowl befohlen, seinem Beispiele zu folgen.

      Im Jahre 1844 ward die Tatsache, daß ein Mann sich nicht rasierte, von der aufgeklärten Mehrheit der englischen Nation als ein Beweis von Mangel an gesundem Verstand betrachtet. Gegenwärtig würde Mr. Trevertons Bart bloß seinem guten Rufe als achtbarer, solider Mann im Wege gestanden haben. Zu jener Zeit aber ward er als ein neuer Beweis der frühern Behauptung betrachtet, daß es mit ihm nicht ganz richtig sei.

      Dennoch war er gerade zu dieser Zeit, wie sein Makler hätte bezeugen können, einer der gewandtesten und schlauesten Geschäftsleute in London; er verstand die falsche Seite jeder beliebigen Frage mit einem Aufwand von Sophistik und Sarkasmen zu verteidigen, um welche ihn selbst Doktor Johnson beneidet haben würde; er hielt seine Bücher bis auf den Heller in der strengsten Ordnung; sein Tun und Wesen zeigte von früh an bis abends niemals etwas Außergewöhnliches; seine Augen waren der verkörperte Scharfblick – aber was nützten ihm in dem Urteil seiner Nachbarn alle diese vortrefflichen Eigenschaften, da er sich herausnahm, auf einem andern Fuße zu leben als sie und während er ein haariges Wahnsinnszeugnis am untern Teile seines Gesichts trug?

      Wir haben in Bezug auf teilweise Duldung von Bärten seit jener Zeit einen kleinen Fortschritt gemacht, aber es bleibt uns immer noch ein bedeutender Weg zurückzulegen. Würde wohl selbst jetzt der zuverlässigste Komptoirist eines Bankiers in der ganzen Hauptstadt auch nur die entfernteste Aussicht haben, seine Stelle zu behalten, wenn er aufhörte, sein Kinn zu rasieren?

      Das gemeine Gerücht, welches Mr. Treverton als Wahnsinnigen verleumdete, hatte, indem es ihn als einen Geizhals schilderte, einen zweiten Irrtum zu verantworten. Er sparte mehr als zwei Dritteile des Einkommens von seinem ziemlich bedeutenden Vermögen, aber nicht weil er Gefallen daran gefunden hätte, Geld zusammenzuscharren, sondern weil er an den Bequemlichkeiten und Luxusgenüssen, auf welche man Geld zu verwenden pflegt, keinen Genuß fand. Wir müssen ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen zu sagen, daß seine Verachtung seines eigenen Reichtums ebenso aufrichtig war wie die des Reichtums seiner Nachbarn.

      Indem auf diese Weise das Gerücht bei Schilderung seines Charakters nach diesen beiden Seiten hin die Unwahrheit sprach, hatte es doch wenigstens in einer Beziehung sehr inkonsequenterweise Recht, nämlich bei der Schilderung seiner Lebensweise.

      Es war vollkommen gegründet, daß er das erste beste Haus gekauft, welches innerhalb seiner eigenen Mauern abgeschlossen war – es war begründet, daß niemandem unter irgendeinem Vorwand gestattet war, seine Schwelle zu überschreiten, und ebenso war es auch begründet, daß er in Mr. Shrowls Person einen Diener gefunden, der gegen die ganze Menschheit von noch bittererm Groll erfüllt war als er selbst.

      Das Leben, welches diese beiden Männer führten, kam der Existenz des Urmenschen oder Wilden so nahe, als die sie umgebenden Verhältnisse der Zivilisation gestatteten. Die Notwendigkeit des Essens und Trinkens zugebend, setzte Mr. Treverton seinen Ehrgeiz vor allen Dingen darein, das Leben mit so wenig Abhängigkeit als möglich von der Menschenklasse zu erhalten, welche ein Geschäft daraus machte, für die körperlichen Bedürfnisse ihrer Nächsten zu sorgen und die, wie er glaubte, ihn eben auf Grund ihres Berufes hin auf die nichtswürdigste Weise betrog.

      Da Timon von London auf der hintern Seite des Hauses einen Garten hatte, so machte er den Gemüsehändler ganz entbehrlich, indem er seinen Kohl selbst baute. Um Weizen zu bauen, hatte er nicht Land genug, sonst wäre er auch für sein alleiniges Bedürfnis Ackersmann geworden, wohl aber konnte er den Müller und den Bäcker dadurch überlisten, daß er einen Sack Getreide kaufte, dasselbe auf seiner Handmühle mahlte und das Mehl dann von Shrowl zu Brot backen ließ.

      Nach demselben Prinzip ward das Fleisch von den Händlern der City im Ganzen gekauft, Herr und Diener aßen dann so viel als möglich in frischem Zustand, salzten das übrige ein und schlugen auf diese Weise den Fleischern ein Schnippchen.

      Was das Getränk betraf, so hatte weder Brauer noch Schenkwirt jemals Aussicht, auch nur einen Heller aus Mr. Trevertons Tasche zu locken. Er und Shrowl begnügten sich mit Bier, und dies brauten sie selbst. Mit Brot, Gemüse, Fleisch und Malzextrakt erreichten diese beiden Eremiten der Neuzeit den großen Doppelzweck, das Leben im Körper und die Handelsleute außer dem Hause zu halten.

      Wie Urmenschen essend, lebten sie auch in allen andern Beziehungen wie Urmenschen. Sie hatten Töpfe, Pfannen und Tiegel, zwei einfache hölzerne Tische, zwei Stühle, zwei alte Sofas, zwei kurze Pfeifen und zwei lange Mäntel. Dagegen hatten sie keine selbstbestimmten Essenszeiten, keine Fußteppiche und Bettstellen, keine Schränke, Büchergestelle oder zur Ausschmückung dienender Firlefanz irgendwelcher Art, keine Wäscherin und keine Scheuerfrau. Wenn einer von den beiden zu essen und zu trinken wünschte, schnitt er sich seine Brotrinde ab, kochte sich sein Stück Fleisch und zapfte sich seine Quantität Bier vom Fasse, ohne sich im mindesten um den andern zu kümmern. Wenn einer von den beiden glaubte, er brauche ein reines Hemd, was sehr selten der Fall war, so ging er und wusch sich eins. Wenn einer von den beiden entdeckte, daß irgend ein Teil des Hauses sehr schmutzig würde, so nahm er einen Eimer Wasser und einen Rutenbesen und säuberte die betreffende Lokalität wie einen Hundestall. Und endlich, wenn einer von den beiden Lust zu schlafen hatte, so wickelte er sich in seinen Mantel und legte sich auf eins der Sofas und genoß so viel Ruhe als ihm beliebte, früh am Abend oder spät des Morgens, ganz wie es ihm gutdünkte.

      Wenn es nichts zu backen, zu brauen, zu pflanzen oder zu säubern gab, so setzten sich die beiden einander gegenüber und rauchten stundenlang, meistenteils ohne ein Wort zu sprechen. Sprachen sie ja miteinander, so stritten sie sich. Ihr gewöhnliches Gespräch war eine Art Wettkampf, der mit einer sarkastischen Erheuchelung von Wohlwollen auf beiden Seiten begann und mit dem heftigsten Austausch giftiger Schmähungen endete, gerade so wie Boxer erst heuchlerischerweise die Formalität durchmachen, einander die Hand zu drücken, ehe sie die ernste praktische Aufgabe beginnen, einander so zuzurichten, daß ihr Gesicht keine Ähnlichkeit mehr mit dem eines Menschen hat.

      Da Shrowl nicht mit so vielen nachteiligen Folgen von Bildung und Erziehung zu kämpfen hatte wie sein Herr, so gewann er bei diesen Wettkämpfen gewöhnlich den Sieg. Überhaupt war er, obschon dem Namen nach der Diener, doch eigentlich der herrschende Geist im Hause und erlangte schrankenlosen Einfluß auf seinen Herrn


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