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Die Memoiren des Sherlock Holmes: Holmes' erstes Abenteuer und andere Detektivgeschichten (Zweisprachige Ausgabe: Deutsch-Englisch). Артур Конан ДойлЧитать онлайн книгу.

Die Memoiren des Sherlock Holmes: Holmes' erstes Abenteuer und andere Detektivgeschichten (Zweisprachige Ausgabe: Deutsch-Englisch) - Артур Конан Дойл


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saß etwa zwanzig Minuten und ließ mir die Sache durch den Kopf gehen, um irgend eine denkbare Erklärung zu finden. Je mehr ich aber nachdachte, desto sonderbarer und unerklärlicher kam mir die Geschichte vor. Während ich noch über das Rätsel nachgrübelte, hörte ich die Tür wieder leise zumachen und ihre Schritte die Treppe heraufkommen.

      »Wo in aller Welt bist du gewesen, Effie?« fragte ich, als sie hereintrat.

      »Bei meinen Worten fuhr sie heftig zusammen und stieß einen halb unterdrückten Schrei aus, und dieser Schrei und dieser Schreck beunruhigten mich mehr als alles übrige, denn aus ihnen sprach unverkennbar ein Schuldbewußtsein. Meine Frau war immer eine freie, offene Natur gewesen, und es schauderte mich, sie in ihr eigenes Zimmer schleichen und bei der Stimme ihres Mannes zusammenschrecken zu sehen.

      »Du wach, Jack?« rief sie mit nervösem Lachen. »Ich dachte, dich könnte nichts aufwecken.«

      »Wo bist du gewesen?« fragte ich in strengerem Tone.

      »›Ich wundere mich nicht, daß du erstaunt bist,‹ sagte sie, und ich konnte sehen, wie ihre Finger zitterten, als sie ihren Mantel aufknöpfte. ›Ich glaube auch nicht, daß ich jemals im Leben schon so etwas getan habe. Die Sache ist die: mir war, als müßte ich ersticken, und es drängte mich unwiderstehlich, etwas frische Luft zu schöpfen. Ich wäre, glaube ich, ohnmächtig geworden, wäre ich nicht hinausgegangen. Ich habe ein paar Minuten an der Tür gestanden, und jetzt ist mir wieder ganz wohl.‹

      »Während sie das vorbrachte, sah sie mich nicht einmal an, und ihre Stimme klang ganz anders als gewöhnlich. Für mich stand es fest, daß sie die Unwahrheit gesagt hatte. Ich erwiderte kein Wort, sondern wandte mein Gesicht der Wand zu, mit einem verwundeten, von Zweifel und Argwohn erfüllten Herzen. Was verhehlte meine Frau vor mir? Was war das Ziel ihrer nächtlichen Wanderung gewesen? Ich fühlte, ich könnte keine Ruhe mehr finden, bis ich’s wüßte, und doch wollte ich sie nicht noch einmal fragen, nachdem sie mir etwas vorgelogen hatte. Den ganzen Rest der Nacht zermarterte ich mein Gehirn und konstruierte immer neue Theorien, eine immer unwahrscheinlicher als die andere.

      »Am nächsten Tage hatte ich eigentlich in der Stadt zu tun, aber ich war in meinem Sinn zu verstört, um Gedanken für Geschäftssachen übrig zu haben. Meine Frau schien ebenso unruhig zu sein wie ich, und aus den schnellen prüfenden Blicken, die sie mir von Zeit zu Zeit zuwarf, konnte ich sehen, sie merkte wohl, daß ich ihr nicht glaubte, und sie war ratlos, was sie tun sollte. Beim Frühstück wechselten wir kaum ein Wort, und kurz danach ging ich fort, um die Sache in der frischen Morgenluft von neuem zu überdenken.

      »Ich kam bis zum Kristallpalast, hielt mich eine Stunde im Park auf und war so um ein Uhr wieder in Norbury. Mehr zufällig wählte ich von der Station heimwärts einen Weg, der mich bei dem Häuschen vorüberführte, und blieb einen Augenblick stehen und sah nach den Fenstern, ob etwa wieder das sonderbare Gesicht da wäre, das mich am Tage vorher so angestarrt hatte. Wie ich dastand – denken Sie sich meine Ueberraschung, Herr Holmes! – ging auf einmal die Tür auf und meine Frau kam heraus!

      »Bei ihrem Anblick war ich starr vor Erstaunen, aber meine Erregung war nichts im Vergleiche mit der, die sich in ihrem Gesichte malte, als unsere Augen sich begegneten. Einen Augenblick schien sie in das Haus zurückfahren zu wollen; dann aber, als sie sah, jedes Verhehlen sei unnütz, kam sie mit kreideweißem Gesichte und schreckerfüllten Augen, die das Lächeln auf ihren Lippen Lügen straften, auf mich zu.

      »›O, Jack!‹ sagte sie. ›Ich war eben drin, um zu sehen, ob ich unseren neuen Nachbarn mit irgend etwas behilflich sein könnte. Was siehst du mich so an, Jack? Du bist mir doch nicht böse?‹

      »›So!‹ sagte ich. ›Also hierher bist du in der Nacht gegangen?‹

      »›Was willst du damit sagen?‹ rief sie.

      »›Du bist hier gewesen. Das ist gewiß. Wer sind die Leute, daß du sie nächtlicherweile aufsuchst?‹

      »›Ich bin nicht hier gewesen.‹

      »›Wie kannst du das sagen, wenn du doch selbst weißt, daß es nicht wahr ist?‹ rief ich. ›Schon deine veränderte Stimme verrät dich. Wann habe ich je ein Geheimnis vor dir gehabt? Ich werde jetzt in das Haus hineingehen und der Sache auf den Grund kommen.‹

      »›Nein, nein Jack, um Gottes willen!‹ stöhnte sie, außer stande, ihre furchtbare Aufregung länger zu bemeistern, und als ich auf die Tür losschritt, ergriff sie mich am Aermel und zerrte mich mit krampfhafter Anstrengung zurück.

      »›Ich flehe dich an, Jack, tu’ das nicht!‹ rief sie. ›Ich schwöre dir, du wirst eines Tages alles erfahren; aber nichts als Jammer kann herauskommen, gehst du jetzt in das Haus.‹ Und als ich sie abzuschütteln versuchte, hing sie sich an mich und beschwor mich mit wahnsinnigem Flehen.

      »›Vertrau mir, Jack!‹ rief sie. ›Vertrau mir nur dies einemal! Du wirst es nie zu bereuen haben. Du weißt, ich würde dir nichts verhehlen, wäre es nicht um deiner selbst willen. Unser ganzes Lebensglück hängt daran. Gehst du mit mir heim, so wird alles wieder gut werden. Dringst du aber mit Gewalt in das Haus da, so ist alles aus.‹

      »Solch ein Ernst, solch eine Verzweiflung lag in ihrer Art, daß ich mich von ihren Worten an die Stelle bannen ließ und unentschlossen vor der Tür stand.

      »›Ich will dir vertrauen unter einer Bedingung und nur unter dieser Bedingung,‹ sagte ich schließlich. ›Diese Geheimnistuerei muß von nun an ein Ende haben. Du magst meinetwegen deine Heimlichkeit für dich behalten, aber du mußt mir versprechen, daß von nun an die nächtlichen Besuche aufhören und überhaupt alles Getue hinter meinem Rücken. Ich will das Geschehene vergessen, wenn du mir versprichst, daß nichts dergleichen in Zukunft mehr vorkommen soll.‹

      »›Ich war überzeugt, du würdest mir vertrauen!‹ rief sie mit einem großen Seufzer der Erleichterung. ›Ich werde ‘s lassen, ganz wie du willst. Komm fort, o komm fort nach Hause!‹

      »Noch immer an meinem Aermel zupfend, führte sie mich von dem Häuschen weg. Als wir uns entfernten, warf ich noch einen Blick zurück und wirklich, da war wieder an einem der oberen Fenster das gelbe, fahle Gesicht und beobachtete uns. Was für ein Zusammenhang konnte zwischen diesem Wesen und meiner Frau bestehen? Oder was verband sie mit dem rohen Weib, das ich am Tage vorher gesehen hatte? Es war ein sonderbares Rätsel, und doch suhlte ich, für mich gab’s keinen Frieden mehr, bis seine Lösung gefunden war.

      »Die beiden folgenden Tage blieb ich daheim, und meine Frau hielt ihr Versprechen gewissenhaft, denn meines Wissens ging sie nicht aus dem Hause. Am dritten Tage aber konnte ich nicht zweifeln, daß ihr feierliches Gelöbnis sie dem geheimen Einfluß nicht zu entziehen vermochte, der sie von ihrem Gatten und ihrer Pflicht ablenkte.

      »Ich war an dem Tage in die Stadt gefahren, kehrte aber mit dem Zug 2 Uhr 40 Minuten statt mit meinem gewöhnlichen 3 Uhr 36 Minuten zurück. Als ich ins Haus trat, kam das Mädchen mit bestürztem Gesicht in den Hausflur gelaufen.

      »›Wo ist meine Frau?‹ fragte ich.

      »›Ich glaube, sie ist ausgegangen,‹ antwortete sie.

      »Sofort regte sich mein Verdacht. Ich sprang die Treppe hinauf, um mich zu überzeugen, ob sie im Hause sei. Dabei fiel mein Blick zufällig durch eines der oberen Fenster, und ich sah das Mädchen, mit dem ich eben gesprochen hatte, quer über das Feld auf das Unglückshaus zulaufen. Da ward mir natürlich sofort alles klar. Meine Frau war hinübergegangen und hatte dem Mädchen gesagt, es solle sie rufen, wenn ich zurückkäme.

      »Außer mir vor Zorn, stürzte ich hinunter und querfeldein, entschlossen, die Sache ein-für allemal zu Ende zu bringen. Ich sah meine Frau und das Mädchen zusammen auf dem engen Heckenwege zurücklaufen, ließ mich aber dadurch nicht aufhalten. In dem Häuschen barg sich das Geheimnis, das einen Schatten auf mein Lebensglück warf. Ich schwor mir zu, mochte kommen, was da wollte, es sollte länger kein Geheimnis sein. Ich setzte nicht einmal den Klopfer in Bewegung, sondern drückte die Klinke nieder und stürzte in den Hausflur.

      »Im unteren Stock war alles still und ruhig.


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