Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert KraftЧитать онлайн книгу.
mir nicht einer meiner Matrosen die Decke wieder über die Schultern gehängt.
Uebrigens hatte das hier gar nichts zu sagen. Hier liefen die Männer haufenweise herum, die nicht einmal so eine schöne Bauchbinde hatten, wie ich, nur eine kleine Andeutung von einem Schurze, und den nicht einmal!! Dort stand ein brauner Kerl, der war überhaupt ganz splitterfasernackt, so wie man geboren wird, er drängte sich zwischen eingemummte Weiber, und niemand kümmerte sich um ihn – und nicht etwa alle Frauen waren so eingemummt – dort spazierten ein paar braune Jungfrauen herum, die hatten auch kaum so ein kleines Feigenblättchen an – und wahrhaftig, dort stand eine holdselige Maid aus Schokolade, bei der fehlte sogar dieses Feigenblättchen.
»Du, Wilm,« sagte einer hinter mir, »dat is ’n Karnickelstall, hier blievn wi.«
Ich stolperte weiter – stolperte nämlich deshalb, weil an Deck überall menschliche Beine herumlagen, männliche und weibliche, behoste und unbehoste, und da lag auch noch vieles andere herum, über das man stolpern konnte. Einmal hätte ich bald einen Säugling totgetreten.
Es ging Treppen hinab, durch Korridore, wieder Treppen hinab, immer tiefer. Aber von alledem weiß ich nichts mehr. Ich war chloroformiert. Auch das Bewußtsein war mir ganz geschwunden, mich im Innern eines Schiffes zu befinden. Ich hatte einmal die Londoner Börse besichtigt, und die Erinnerung an dieses Labyrinth tauchte mir jetzt immer auf.
Und dann war ich in einem großen Saale. Und da kam mir plötzlich das Selbstbewußtsein zurück. Denn mehr als das, was ich im ersten Augenblick sah, flüsterte mir eine innere Stimme zu: Richard, halte die Ohren steif, jetzt kommt’s drauf an! – und da war ich eben plötzlich wieder der Kapitän Richard Jansen.
Ei, hier war’s fein! Pikfein! Auf einem Passagierdampfer war ich noch nicht gefahren, hatte aber schon ein paar besichtigt, und wenn sich die damaligen Passagierdampfer, was ihre Einrichtung betrifft, auch nicht im entferntesten mit den heutigen Luxusdampfern vergleichen konnten, so suchte man doch schon damals den Passagieren möglichsten Komfort zu bieten, die einzelnen Reedereien machten sich da schon Konkurrenz.
Also auch ich hatte schon etwas von Kajütenluxus gesehen, aber so etwas wie hier noch nicht. Ueberhaupt war es ganz anders.
Alles orientalisch. Teppiche und Decken und Polster und Kissen – aber nun alles Seide und Samt und Atlas, und dann alles strotzend von Silber, Gold und Edelsteinen.
Faktisch, auf so ein Kissen, wie hier neben mir lag, durfte man sich nicht ohne Hosen setzen, sonst wurde der fleischigste Teil des Körpers gemustert, als hätte man sich auf Erbsen gesetzt. Das Muster bestand aus lauter erbsengroßen Edelsteinen. Ob die echt waren? Nu sicher! Von so einem indischen Maharadscha hatte ich doch schon gehört, in Bombay und Kalkutta, auch selbst schon etwas von indischer Pracht gesehen, wenn so die Radschas auf Elefanten und Rossen ihre Umzüge hielten.
Und dann dort die mächtige Wasserpfeife – Himmeldonnerwetter, so ein Gefunkel von Diamanten! Nee, da waren mir ein ausgesessener Großvaterstuhl und meine Kalkpiep doch lieber.
Und so alles Gold und Silber und Elfenbein und Edelgestein, wohin man nur blickte.
Dann aber fesselte mich die menschliche Gruppe, welche den Mittelpunkt des Ganzen bildete. Denn da waren noch eine Unmenge von weißen und schwarzen, braunen und roten und gelben Männern und Weibern, die so in dem Saale herumlungerten.
Ich dachte lebhaft an Blodwen, oder vielmehr an die römische Villa, wo sich vor einem Throne mein Leben plötzlich so ändern sollte.
Das hier war nämlich auch wieder so ein Thron, der in der Mitte des Saales stand, aber alles mit Edelsteinen gespickt, daß man von dem Golde fast gar nichts sah, und in der Mitte dieses Steinhaufens saßen drei Personen.
In der Mitte saß der Maharadscha. Das sagte man mir nicht, sondern das wußte ich gleich allein. Wer sich auf solch einen funkelnden Steinhaufen setzen kann, das kann nur so ein indischer Nabob sein.
Alle Wetter, der imponierte mir! Es war ein schöner Mann, das tiefbraune Gesicht ernst, edel, und nun dazu ein mächtiger, langer, schwarzer Vollbart.
Die übrige Beschreibung seines Aussehens erlasse man mir. Ich kann Physiognomien und überhaupt die Aeußerlichkeiten von Menschen nur schwer beschreiben. Das ist mir nicht gegeben. Oder ich muß reden, wie mir der Schnabel gewachsen ist.
Kurz, dieses Männchen imponierte mir wirklich. Nein, dieser Mann!! Jeder Zoll wahrhafte Majestät! Wenn ich den als meinen Herrn annahm, und er befahl mir, meine Hand oder meinen Kopf auf den Henkersblock zu legen – ich tat’s, denn dann mußte das irgendeinen triftigen Grund haben, irgendeiner großen, guten Sache zum Nutzen sein.
Ich glaube, besser kann ich mich nicht ausdrücken.
Auf dem Kopfe hatte er einen mächtigen Turban mit ein paar Pfauenfedern, und eingewickelt war er in eine ganze Masse von goldstrotzenden Lumpen. Und auch alles wieder solche blitzende Steine.
Nun aber das, was zu beiden Seiten neben ihm saß! Für diese beiden Personen weiblichen Geschlechtes interessierte ich mich nämlich zunächst am allermeisten. Warum nicht? Verheiratet war ich ja noch nicht.
Und die waren auch wirklich des Anguckens wert.
Da war zunächst die Linke – von mir aus gerechnet. Ein prachtvolles Weibsbild! Eine majestätische Juno! Aber aus schwarzbrauner Schokolade. Wenigstens dem Gesichte nach. An den Händen hatte sie so viele Ringe, daß gar nichts davon zu sehen war. Sogar auf dem Handrücken hatte sie solche funkelnde Pflaster. Und ein stolzes Gesicht! Aber hübsch! Oder meinetwegen auch schön. Sogar sehr schön, wunderbar, herrlich, entzückend schön! Ich schätzte sie auf mindestens 150 Pfund – ohne die ganze bunte und goldene Kladderasche, in die sie eingemummelt war.
Das war ganz sicher die allererste Lieblingsfrau des Maharadschas von Radschputana. Mit der hätte ich einmal tanzen mögen.
Ich liebe solche dralle Frauenzimmer – das heißt mit Abwechslung.
Und nun die Zweite, die rechte.
Die war gerade das ganze Gegenteil von der da. Schlank, aber doch sonst appetitlich rund am ganzen Körper, was ich nämlich beurteilen konnte, weil sie zwar angezogen war, aber nur mit so einer Art von ganz durchsichtigem Hemde. Faktisch – eigentlich hatte sie eine ganze Menge Zeug an, lauter solches Gewebe, in das sie eingewickelt war, dreifach oder vierfach, aber das Zeug war wie geschmeidiges Glas, und hätte sie irgendwo am Körper ein Leberfleckchen gehabt, ich hätte es sehen können. Natürlich nur vorn, sie drehte mir doch das Gesicht zu.
Und dieses Gesicht war einfach reizend, lieblich – oder, um mich einmal ganz poetisch auszudrücken; feenhaft. Sie hatte so etwas Holdseliges an sich, und so blickte sie mich auch gleich von vornherein an. Ich glaube sogar, sie lächelte mich an.
Vor allen Dingen aber hatte sie eine weiße Haut, und zwar am ganzen Körper, was ich vollständig beurteilen konnte, und trotzdem mußte ich sie den Gesichtszügen nach für eine Indierin halten.
Wirklich eine schneeweiße Haut! Und den ganzen Körper konnte sie sich doch nicht gepudert haben. Und warum soll es denn nicht auch Indierinnen mit weißer Haut geben? In Zentralafrika, gerade im heißesten Strich, gibt es eine weiße Negerrasse, ich hatte schon solche gesehen. Krauses, wolliges Haar, aber die Haut wie bei einem Norddeutschen im Winter, nicht einmal gebräunt. Und nicht etwa Kakerlaken.
Hinter diesen dreien standen noch ein paar Schokoladenmädchen und wedelten mit Fächern aus bunten Federn – alles so, wie es in Tausendundeiner Nacht sein muß und wie man auf Zigarrenkistendeckeln abgebildet sieht.
Ferner saß noch auf den Thronstufen, zu Füßen des Maharadschas, ein Unikum von einem Kerl. Ich habe eigentlich nichts weiter von ihm zu erwähnen, als daß es ein lebendiger Totenschädel war. Von Gesicht gar keine Spur, alles nur Knochen, mit einer gelbbraunen, schrumpligen Haut überzogen. Auch die Nase fehlte, das war nur so ein zersplitterter Knochen – keine Ohren, keine Haare — kurz und gut, ein perfekter Totenschädel, den man soeben aus der Erde gepaddelt hat. Nur daß darin ein