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Der Schimmelreiter und andere Novellen (103 Titel in einem Band). Theodor StormЧитать онлайн книгу.

Der Schimmelreiter und andere Novellen (103 Titel in einem Band) - Theodor Storm


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behende Alte war fast erschrocken aus ihrem Lehnstuhl aufgesprungen; denn solch einen Gast hatte sie noch niemals in dem Zimmer ihres Doktors erscheinen sehen. Aber es war Notsache gewesen; der alte Friedeberg war plötzlich schwer erkrankt, eine tiefe Ohnmacht, ein Schlaganfall, die junge Dame wußte es selber nicht. Der Lehrling war um den Kranken beschäftigt, die Mägde schon in den Betten gewesen; in ihrer Angst und ohne zu fragen war sie fortgelaufen. Beim Physikus hatte sie vergebens angeklopft; nun sollte der junge Doktor kommen; aber sogleich, es war kein Augenblick zu verlieren. – Der Doktor stand vor ihr in seinem abgetragenen Schlafrock, der die kleine pralle Gestalt nur kaum bedeckte, und fragte und ließ sich berichten. Die alte Frau ging währenddessen im Zimmer umher und brachte hier eine Weste, dort ein Schnupftuch auf die Seite, die er wie gewöhnlich auf den Stühlen umhergestreut hatte; sie wischte mit ihrer Schürze über das Polster des alten Lehnstuhls und lud die junge Dame zum Sitzen ein. Aber die junge Dame wollte sich nicht setzen, und bald, nachdem der Doktor in die Kammer gegangen und in seinem blauen Kleidrock wieder zum Vorschein gekommen war, machten beide sich auf den Weg.

      Die Alte hatte ihnen geleuchtet. »Fallen Sie nicht, Mamsell«, hatte sie gesagt, »der Ring an der Kellerluke steht vor!« Der Doktor entsann sich alles dessen noch genau, er meinte noch zu hören, wie sie hinter ihnen die Kette vor die Haustür legte.

      Draußen standen schon alle Häuser dunkel; nur drüben unweit der Twiete in dem großen Giebelhause waren unten noch die Fenster hell. Eben schlug es von der Kirchenuhr an der andern Seite des Marktes. Unwillkürlich standen sie und sahen an dem alten Turm empor, der mit seiner dunkeln Spitze in den Sternenhimmel hinaufragte. Hoch überhin steuerte ein Zug von Wildgänsen durch die Luft; ihr gellender Schrei und der Klang ihrer Flügel fuhr weithin über die schlafende Stadt.

      Der Doktor ließ sein Bambusrohr auf der Steinplatte klingen. »Kommen Sie, Mamsell Sophie«, sagte er, »es wird Frühling! Wir müssen dem alten Friedeberg helfen.«

      Und nun gingen sie, das Mädchen immer einen Schritt voraus. Er aber in dem Ungewissen Sternenschimmer sah zum erstenmal auf sie und wie fest und jugendlich sie daherging.

       Jene Nacht war längst dahin. Der Doktor war seitdem fast noch einmal so alt geworden; aber die Leute sagten, er habe dazumal nicht anders ausgesehen, nur sein Haar sei etwas grau, und der blaue Frack ein paarmal neu und dann wiederum alt geworden. Auch im Hause in dem großen Hinterzimmer war es ebenso geblieben; derselbe alte Tisch mit den geschweiften Beinen und dem bunten Wachstuchbezug; dasselbe Tassenschränkchen und der weiße Sand auf dem Fußboden. Freilich in dem Polsterstuhl am Ofen saß jetzt nicht mehr wie sonst die alte strickende Frau, sondern ein kleiner schwarzer Hund, den der Doktor nach ihrem Tode sich herangezogen hatte.

      Auch in diesem Augenblick behauptete der kleine Hausgenosse seinen ererbten Platz. Er hatte sich schlafen gelegt und schien noch von den Schmeißfliegen zu träumen, die draußen an der Wehle ihn umschwärmt hatten; denn er kläffte und schnappte ein paarmal um sich her in die leere Luft. Der Doktor ging auf ihn zu und streichelte ihn: »Laß doch, Pankraz; laß doch!« sagte er, »du träumst ja nur.« Der Hund sah mit trüben Augen zu ihm auf, leckte einen Augenblick die liebkosende Hand seines Herrn und schob dann die Schnauze wieder zum Schlaf unter seinen Schenkel.

      Der Doktor trat wieder an seinen Schreibtisch, und nachdem er das vorhin aufgeschlagene Buch zugemacht und an seinen Platz getan hatte, holte er aus dem hintersten Fache einer Schublade das Bruchstück einer roten Hummerschere hervor, an welcher mit einem Bindfaden ein großer Schlüssel befestigt war. Dann nahm er die Lampe und ging zur Tür hinaus, durch den schmalen Gang auf den Hausflur, und stieg von dort die Treppe hinauf, die zwischen weißgetünchten Wänden in das obere Stockwerk führte.

      Die Stufen knarrten, die einsame Hauskatze, die auf dem Treppenabsatz eingedämmert war, sprang vor ihm auf und stob die Bodentreppe hinan. Oben auf dem engen Flur zwischen zwei dunklen ungeheuren Schränken stand der Doktor still und öffnete mit seinem Schlüssel die Tür eines nach der Straße hinausführenden geräumigen Zimmers, dessen Fußboden mit einem wollenen Teppich belegt war. Der Schein der Lampe fiel auf eine Tapete, wie man sie vor einem Vierteljahrhundert wohl zu sehen pflegte; eine Südseelandschaft mit den Figuren Pauls und Virginiens, die sich in bunten, jetzt freilich verblichenen Farben oberhalb des hohen Paneels wie ein Panorama an der Wand entlangzog. Das mit Mahagoni furnierte, jetzt tiefdunkle Gerät des Zimmers schien im Gegensatz zu der unteren Wohnung einst mit besonderer Sorgfalt ausgewählt. – Der Doktor setzte die Lampe auf den länglichen mit einem bunten Teppich behangenen Sofatisch. Seine Augen ruhten eine Weile auf dem mit Buchsbaum eingelegten Jagdstückchen in der Lehne des Sofas; dann breitete er sein Schnupftuch auf das Sitzpolster, stieg hinauf und hob die bestaubte Glasglocke von einer Tafeluhr, die mitten in dem hartblauen Himmel der Südseeinsel auf einem kleinen Postamente stand. Er nahm den verrosteten Stahlschlüssel, und, nachdem er langsam aufgezogen und den Perpendikel angestoßen hatte, horchte er auf das plötzlich laut werdende Ticken. Die Uhr ging wieder, sie ging ganz wie vor fünfundzwanzig Jahren; es war wieder etwas lebendig in dem Zimmer, worin es sonst so still war.

      Er hatte die Glasglocke wieder aufgesetzt und ging jetzt wie vorsichtig über den weichen Teppich zu einem Sessel, der in einer der beiden tiefen Fensternischen stand. Es war schon dunkel draußen; aus den einzelnen Fenstern und von den hie und da stehenden Gassenlaternen fielen spärliche Lichter; nur drüben rechts hinab über den Markt in dem großen Giebelhause waren alle Fenster des oberen Stockwerks erleuchtet. Der Doktor stützte den Arm auf die Fensterbank und sah nach dem hellen Schein, der von dort in das Dunkel hinausbrach.

      Damals, an einem Vormittag vor vielen Jahren, acht Tage mochte es gewesen sein nach jener Februarnacht, hatte das Haus drüben in vollem Sonnenlicht gestanden; auf die spiegelblanken Ladenfenster und an der andern Seite auf die Fenster des vorspringenden Ausbaues und zwischen ihnen auf die Fliesen des weitgeöffneten großen Hausflurs war der goldene Schein gefallen.

      Der Doktor erinnerte sich dessen wohl.

      An einem Markttage war es gewesen; er hatte sich von seinem Hause an durch die Reihen der Bauernwagen und der Eier-und Gemüsekörbe durchgedrängt; er hatte hier und dort einer Marschbäuerin die Hand geschüttelt und sie bei Vor-und Zunamen begrüßt; ja sogar ein Rezept hatte er stehend und aus freier Hand auf seine Brieftafel schreiben müssen. Nun trat er in das große Giebelhaus, um nach dem alten Friedeberg zu sehen. Es hatte keine Gefahr mehr, er war schon in der Besserung. Auf dem Flur vor dem Laden drängten sich die Käufer. Der Lehrling konnte nicht allen Händen genügen, die ihre Körbe und Kannen vor ihm hinschoben. Aber er hatte eine Gehülfin bekommen; dort auf dem Ladentritt stand eine schlanke Mädchengestalt und hantierte in den obersten Schubladen des Repositoriums.

      »Ei was, Mamsell Sophie!« rief der Doktor.

      Sie wandte den Kopf zurück; ein paar helle Augen sahen auf ihn herab. »Guten Morgen!« rief sie.

      »Was treiben Sie denn da?«

      »Sie wissen ja«, sagte sie und sprang mit einem leichten Satz zu Boden, »der alte Friedeberg ist invalid; da muß ich der alte Friedeberg sein!«

      »Das seh ich’«’, sagte der Doktor, und seine kleinen Augen folgten ihr mit Verwunderung, wie sie mit den flinken Fingern die Ware in Papier schlug, wie sie den Bindfaden von der Rolle schnurrte, ihn um das Päckchen knüpfte und dann so resolut an dem großen Ladenmesser abschnitt.

      Als sie die Ware aus der Hand legte, setzte schon wieder ein Arbeiter seine Branntweinflasche vor sie hin. Sie blickte einen Augenblick wie hülfesuchend nach dem Lehrling. Als sie ihn beschäftigt sah, kniete sie seitwärts vor das Ankerfaß und hielt das zinnerne Maß unter das Messinghähnchen. Aber während die Flüssigkeit hineinrann, bog sie den Kopf zurück und schüttelte sich unmerklich, als widre sie der Dunst des Alkohols.

      Der Doktor stand noch immer und ließ kein Auge von ihr. Und schon plauderte sie mit einem Haufen Kinder, die ungeduldig mit ihren Sechslingen klopfend vor dem Ladentisch standen. Sie neigte sich herüber und nahm das pausbackige Gesicht eines Nachbarknabens zwischen ihre Hände. »Junge, was du für ein Kerl geworden bist«, sagte sie und sah ihm ernsthaft in die Augen. »Du hast wohl gar den Nachtwächter schon gesehen?«

      Der Junge schüttelte den Kopf. – »Der tutet


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