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Der Schimmelreiter und andere Novellen (103 Titel in einem Band). Theodor StormЧитать онлайн книгу.

Der Schimmelreiter und andere Novellen (103 Titel in einem Band) - Theodor Storm


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nahm sie ein Glas mit Bonbons aus dem Schaufenster. »Nun greif einmal, aber herzhaft!« Und der Kleine ließ es daran nicht fehlen. Der Ladenbursche warf einen bedenklichen Blick auf seine junge Prinzipalin, als sie ihm das Glas zum Wegsetzen in die Hand gab; der Doktor aber lächelte still in sich hinein und blickte unvermerkt zurück, als er durch den Laden nach dem dahinterliegenden Zimmer des alten Friedeberg ging. – –

      Der kleine Greis saß aufrecht in den Kissen und zählte mit den Fingern an seinen Knöcheln, während er durch die Fenster nach dem dunkeln Packhofe sah, in dessen engem Raume er einen so großen Teil seines Lebens zugebracht hatte.

      »Nun, Friedeberg«, sagte der Doktor, »laßt einmal die Rechenmaschine stillstehen! Ihr habt ja Euern Stellvertreter draußen.«

      Der Alte nickte, und ein sanftes Lächeln trat in das kleine faltenreiche Gesicht. »Freilich, Doktor«, sagte er, »aber es schickt sich nur nicht so recht, und der Herr Bürgermeister sehen es auch nicht gern.«

      Der Doktor warf noch einen Blick durch das Türfensterchen in den Laden; dann aber nahm er den Puls seines Patienten und examinierte und schalt ihn freundlich, wie es seine Art war.

      Indessen knarrte die Tür, und das junge Mädchen trat still herein, indem sie fragend zu dem Arzt hinübersah.

      Dann setzte sie sich zu dem Alten auf die Bettkante und drohte ihm mit dem Finger. »Halt dich nur ruhig, Friedeberg«, sagte sie, »da les’ ich dir nachmittag wieder aus dem Theatrum mundi; die Belagerung Magdeburgs, oder was du sonst mir aufschlägst! – Nein, nein, sprich nur nicht! Ich weiß schon alles, was du fragen kannst. Deinen faulen Burschen halt ich auch in Respekt; es wird alles sauber eingetragen, es geht alles nach deiner Vorschrift. Und verkauft haben wir heute morgen! Ich bekomme noch die ganze Kinderkundschaft.«

      »Traut ihr nicht, Friedeberg!« sagte der Doktor, »ein Viertel Zichorie und eine Tasche voll Bonbons als Draufgabe, das gibt eine schlechte Rechnung!«

      Der Alte nahm ihre kleinen Finger und drückte sie zärtlich zwischen seine alten arbeitsmüden. »Lassen Sie sie, Doktor«, sagte er, »das ist eine gesegnete Hand.«

      Das Mädchen lächelte. »Ja, alter Friedeberg«, sagte sie, indem sie eine kleine Münze auf dem neben dem Bette stehenden Tisch klingen ließ, »sogar einen falschen Schilling habe ich eingenommen! Du kannst ihn hernach auf deinen Ladentisch nageln; da hast du das Dutzend voll.«

      »Die falschen Stücke«, erwiderte er langsam, »die sind schon alt; das war in meiner Jugend; da nahm ich auch alles unbesehen.«

      Sie sah ihn mit klugen Augen an. »Es ist von meiner Kinderkundschaft«, sagte sie.

      Der Doktor konnte noch nicht wegfinden. Er hatte sich unter dem Fenster auf den Drehstuhl des alten Friedeberg gesetzt und begann zu plaudern; er wagte es sogar, die junge Dame an den Contretanz zu erinnern, den sie letzthin im Kasino mit ihm getanzt hatte.

      Sie hörte ihm ruhig zu. »Ja«, sagte sie, »und dann das Solo; vergessen Sie das Solo nicht!«

      Der Doktor fand auch gar keine Veranlassung, das Solo zu vergessen. Er lachte; denn er sah sich selbst mit den Händen balancierend durch den Saal schreiten; aber trotz seiner kleinen kurzen Füße, er hatte doch das Gleichgewicht behalten, und das war nicht allemal so ganz geglückt. – Und dann klatschten sie ein wenig über die roten Schuhe der Frau Kammerrätin und über den mathematischen Diener seines Freundes des Justizrats; und der Doktor lachte ebenso harmlos über die andern, wie er zuvor selbst über sich gelacht hatte. Ein paarmal, wenn die schönen Mädchenaugen so frisch gegen ihn herausschauten, versuchte er auch einen ernsten Ton anzustimmen; aber er plagte sich umsonst, es schlug ihm immer wieder alles in Spaß und Gelächter aus.

      Das Mädchen, deren Hände auf ihrem sauberen Morgenkleide ruhten, musterte währenddessen die kleine untersetzte Gestalt des ihr gegenübersitzenden Mannes. Es entging ihr nichts; weder die Bänder des bescheidenen Vorhemdchens, die über den Rockkragen hervorsahen, noch der ungepflegte Zustand des Haupthaares, von dem unzählige Spitzen wie Flammen in die Höhe ragten. Zuletzt blieben ihre Augen an zwei kleinen Daunen haften, die, je nachdem der Doktor den Kopf bewegte, entweder wie aufstrebende Räupchen in der Luft gaukelten oder in das allgemeine Wirrsal wieder hinabtauchten. Mamsell Sophie strich sich unwillkürlich mit den Fingern über ihren seidenen Scheitel, und in ihrem Gesichtchen zuckte es wieder wie vorhin, da sie vor dem Branntweinfäßchen kniete.

      Der Doktor bemerkte nicht dergleichen. Als er aber die blauen Augen so unablässig auf sich gerichtet sah, warf er den Kopf zurück und schaute über sich und fuhr sich ein paarmal mit der Hand durch die Haare; und da er hier nichts Ungewohntes zu entdecken vermochte, so verstummte er plötzlich und schaute fest und fragend in das Angesicht des Mädchens. Allein er bekam keine Antwort. Wie ein ertapptes Kind wandte sie den Kopf; und der Doktor sah nur noch, wie es ihr blutrot bis an die krausen Stirnhärchen ins Gesicht stieg. Er wußte nicht mehr, wie er das zu deuten habe; sein Scharfsinn begann seltsame Wege zu wandeln, und eine Reihe lieblicher erschreckender Gedanken tauchten in ihm auf. Er schlug seine kleinen tapferen Augen nicht zu Boden; er wollte abwarten, daß sich das blonde Köpfchen wieder zu ihm wende.

      Der alte Friedeberg sah indes von seinem Kissen, was der Doktor nicht zu sehen vermochte. Aber auch er wußte nicht, weshalb die Augen seines Lieblings und mit solchem Ausdruck von Schelmerei auf die nackte Wand gerichtet waren und weshalb sie sich mit den Zähnen den lachenden Mund festhielt. Und bevor er noch zu fragen vermochte, stand sie schon an der Stubentür, die Klinke in der Hand. »Ich muß nach deiner Suppe sehen, Vater Friedeberg!« und mit einer leichten Verbeugung gegen den Doktor war sie zum Zimmer hinaus.

      Der Doktor stand vor dem Bette seines Patienten, knöpfte seinen blauen Frack zu und ließ sich noch einmal die halbgeleerte Medizinflasche zeigen; dann nahm er Hut und Stock und empfahl sich. Kaum hörte er noch das »servus, servus«, das ihm der kleine Greis mit einer verbindlichen Handbewegung nachrief.

      Vor dem Rathause begegnete ihm der Herr Bürgermeister, der mit seinem Portefeuille unter dem Arm soeben aus der Ratssitzung kam. Es war eine stattliche Gestalt; er trug den starken Kopf aufrecht und trat so fest einher, daß ihm bei jedem Schritt die wohlgenährten Wangen schütterten. – Nachdem er den jungen Arzt nicht ohne eine gewisse Herablassung gegrüßt hatte, erkundigte er sich eingehend nach dem Befinden seines alten Handlungsdieners, und so schritten beide im Gespräche miteinander über den Markt. Der Doktor aber wußte nicht, weshalb es ihm heute unbehaglich war, sich diesen huldreich zu ihm redenden Herrn als den Vater jenes hübschen Mädchens zu denken; immer wieder, bis vor der Tür des großen Giebelhauses, zu der er ihn zurückbegleitete, stand es vor seiner Seele, wie unbequem es sein müsse, diesem gewichtigen Mann eine Bitte vorzutragen oder im geheimen Zwiegespräch gegenüberzustehen.

      An diesem Tage war der Doktor nicht, wie er sonst zu tun pflegte, nach dem Abendessen wieder ausgegangen; er hatte sich ein Gläschen Grog im Hause präparieren lassen und saß nun, seine Pfeife rauchend, der Mutter gegenüber an dem kleinen Wachstuchtische. Die alte Frau hatte ihr wollenes Strickzeug mit den hölzernen Nadeln neben sich gelegt und las in ihrer Bibel, im ersten Buch Mose, von der Erschaffung des Weibes: »Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei.’« Mitunter seufzte sie und sah nach ihrem Sohn hinüber. – »Hast du den alten Friedeberg denn bald wieder auf dem Schick?« fragte sie unter dem Lesen.

      »Den alten Friedeberg? – Freilich, Mutter; er hat ja gute Pflege.«

      »War denn die junge Mamsell heut wieder da?«

      Der Doktor setzte plötzlich das Glas, das er eben an seine Lippen führen wollte, wieder auf den Tisch. Denn er sah sie vor sich, die junge Mamsell, wie sie vor dem Branntweinfäßchen kniete, wie sie das Hähnchen drehte, wie sie schauderte.

      Die Alte hatte währenddes ihr Leseglas auf die Bibel gelegt; ihre Gedanken waren schon wieder um einige Schritte vorwärts. »Die würde eine alte Frau auch nicht verkommen lassen!« sagte sie seufzend und stützte den Kopf in ihre Hand.

      »Ich hoffe nicht, Mutter, daß sie sich so etwas würde zu Schulden kommen lassen«, erwiderte der Doktor.

      Die Alte blickte auf, als wolle sie sich versichern, wie das


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