Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten. Sven ElvestadЧитать онлайн книгу.
schlauen Telegrapheningenieur zur Verfügung stehen.«
»Haben Sie die Sache dem Telegraphenamt gemeldet?«
»Ich war eben im Begriff, es zu tun, als Sie eintraten.«
Er ging zum Telephon, rief das Telegraphenamt an und erklärte einem der Chefs die Sache.
»Ich wünsche außerdem die Angelegenheit der Polizei anzumelden,« sagte der Geschäftsmann.
»Das ist auch schon von hier aus besorgt,« erwiderte der Telegraphenbeamte. »Wir sind uns schon längst klar darüber, daß sich ein dreister Schwindler an den Telegraphendrähten zu tun macht. Wir haben schon den geschicktesten Detektiv Christianias abgeschickt, um ihn zu erwischen.«
II.
Die blauen Lichter
Asbjörn Krag bekam gleichzeitig drei Anmeldungen in der Angelegenheit der Telegramme. Die eine direkt vom Telegraphenamt, das meinte, daß irgend jemand in verbrecherischer Absicht einzelne Telegramme aufzuhalten suchte. Die zweite von dem Großhändler in Apfelsinen und die dritte von der Börse. Sämtliche verlangten die rasche Abfassung und Bestrafung des Verbrechers.
Zugleich begann auch die Presse sich mit dieser wunderlichen Sache zu beschäftigen und verlangte in redaktionellen Artikeln ein rasches und energisches Vorgehen, bevor noch unser Geschäftsleben durch diese »mystischen« Wiederholungen zuviel Schaden nahm.
Asbjörn Krag saß lange da und grübelte über die Sache nach. Er hatte zwischen zwei Möglichkeiten zu wählen. Entweder waren diese Unterbrechungen der Linie durch einen mehr oder weniger gelegentlichen Experimentator verursacht, der irgendwo saß und sich mit Erfindungen beschäftigte – oder es war auch ein Verbrechen im Spiel. In beiden Fällen war das Vorgehen ungesetzlich, und der Täter mußte gefaßt werden. Krag ließ umfassende Untersuchungen auf dem Telegraphenamt vornehmen, er arbeitete sich selbst in alle Details der Technik ein und ließ Proben mit den Maschinen anstellen, deren der Betreffende sich bedient haben konnte. Sämtliche Telegraphenfunktionäre, mit denen der Detektiv sprach, waren darüber einig, daß der Verbrecher ein ungewöhnlich tüchtiger Bursche sein mußte und bis in die geringsten Einzelheiten in die Technik der Telegraphie eingeweiht.
Man mußte davon ausgehen, daß der Verbrecher die Linie gerade da mit Beschlag belegt hatte, wo das Nordseekabel ans Land ging. Er mußte sich ganz genau in den verschiedenen Linien und Linienrichtungen auskennen. Ferner mußte er im Besitz eines besonders konstruierten Apparates sein, einer neuen Erfindung, deren er sich bediente, und mit der er jederzeit das Telegraphieren abbrechen und die Telegramme aufschnappen konnte. Vielleicht war sein Apparat so eingerichtet, daß er die ganze Telegrammkorrespondenz der Linie ablesen konnte, ohne den Gang der Telegramme zu stören, so daß er nur den richtigen Augenblick wahrzunehmen brauchte, um selbst das aufzuschnappen, was für ihn von besonderer Wichtigkeit war.
Während der Detektiv noch mit diesen seinen vorläufigen Untersuchungen beschäftigt war, lief bei der Direktion ein Telegramm von einem der ausgesandten Ingenieure ein. Das Telegramm kam aus einem der kleinen Küstendörfchen Norwegens und lautete:
»Den Fehler gefunden. Der Urheber zweifellos ein Betrüger, warte nähere Order ab.«
Die Leitung konferierte sogleich mit Asbjörn Krag, und auf seinen Rat wurde folgendes Antworttelegramm abgesandt:
»Detektiv unterwegs, nichts vor seiner Ankunft unternehmen!«
Eine halbe Stunde später saß Asbjörn Krag schon im Coupé. Es war am Abend. Gegen Morgen sollte der Zug an seinem Bestimmungsorte sein. Von hier mußte man ein Postboot zu einer größeren Stadt in der Nähe des kleinen Küstendörfchens nehmen, aus dem die Telegramme eingelaufen waren. Der Detektiv hatte also eine lange, anstrengende und langweilige Reise vor sich.
Er konnte nicht schlafen, sondern lag die ganze Zeit da und überdachte die Affäre, die er aufzuhellen hatte, eine der eigentümlichsten, die ihm noch in seiner Praxis vorgekommen waren.
An der Dampfschiffbrücke erwartete der Telegrapheningenieur den Detektiv. Krag wußte, daß der Ingenieur Holst hieß und ein junger, tüchtiger und energischer Fachmann war, der sich des Vertrauens seiner Vorgesetzten in hohem Grade erfreute.
»Danke, daß Sie mich abgeholt haben,« sagte Krag, nachdem sie sich begrüßt hatten, »es wäre sonst für mich schwierig gewesen, mich zu so früher Stunde an einem unbekannten Orte zurechtzufinden.«
»Ich glaubte, Sie würden ein Interesse daran haben, so rasch als möglich etwas über die Sache zu erfahren,« sagte er, »wie es auch meiner Meinung nach gilt, rasch zu handeln.«
»Ganz richtig,« erwiderte der Polizist. »Ich stimme Ihrem Eifer ganz zu.«
Es war eine Stunde Fahrt zu dem kleinen Küstendörfchen. Die beiden Männer hatten so die beste Gelegenheit zu einem Gespräch, und sie benützten sie, wie sie da auf der hartgefrorenen Landstraße in dem federnlosen, stoßenden Bauernkarren dahinrumpelten.
»Sie haben also mein Telegramm gesehen,« bemerkte der Ingenieur.
»Ja, unmittelbar bevor ich aus Christiania abreiste.«
»Ich habe also den Fehler gefunden. Eines der Kabel geht hier ans Land, und mit diesem hat der Verbrecher manipuliert. Er hat die Drähte nach Christiania herausgefunden und sie einfach jedesmal für seine Bedürfnisse der Londoner Telegramme abgeschnitten, unter denen viele wichtige Geschäftsmeldungen waren.«
»Haben Sie irgendeinen Verdacht, wer dieser Mann ist?«
»Ja.«
»Wohnt er in dem Küstendörfchen?«
»Ja und nein. Sie wissen, daß das kleine Dörfchen überall, wo es nicht ans Meer stößt, von hohen, steilen Felsen umgeben ist. Mitten in diesem Felsenchaos wohnt der Mann, von dem ich spreche. Er hat sich eine kleine Hütte gezimmert, und da hat er sich niedergelassen, um in Ruhe zu experimentieren.«
»Haben Sie ihn gesehen?«
»Nein, aber die Leute im Orte sprechen viel von ihm. Sie glauben, daß er oben nicht ganz richtig ist. Er kam vor einem halben Jahre mit einem der kleinen Boote her. Die erste Nacht verbrachte er im Zollhaus mit verschiedenen größeren und kleineren schweren Kisten. Allem Anschein nach enthielten sie seine Instrumente. Am nächsten Tage nahm er sich Leute und ließ sie auf den Berg hinaufschaffen. Seither hat er mit kleinen Unterbrechungen dort oben gehaust. Die Leute hören oft das Knallen von Schüssen aus seiner Behausung, und hie und da zeigen sich merkwürdige Lichter auf dem Felsen.«
»Welcher Nationalität gehört er an?«
»Vermutlich ein Nordländer. Aber er soll mit englischem Akzent sprechen, behaupten die, die mit ihm gesprochen haben.«
»Warum glauben Sie, daß er der ist, der sich an den Telegraphendrähten zu schaffen macht?« fragte der Detektiv.
»Weil es kaum irgendein anderer sein kann. Ihm ist so etwas schon zuzutrauen.«
»Sie erwähnten, daß die Drähte durchschnitten worden seien. Wie konnte dann die Verbindung wiederhergestellt werden?«
»Sehr leicht. Die Drähte lassen sich schon wieder zusammenflicken.«
»Wie heißt er?«
»Das weiß niemand.«
»Wie sieht er aus?«
»Klein von Gestalt. Er macht eigentlich einen unsauberen Eindruck mit seinem struppigen roten Haar und Bart. Er trägt immer einen staubgrauen Mantel, der ihm bis zu den Knöcheln reicht.«
Asbjörn Krag saß stumm da und dachte lange nach.
»Mir ahnt hier etwas Merkwürdiges, ich glaube, wir stehen vor einer großen, sonderbaren Sache.«
Der Tag begann nun schon zu dämmern, und die zwei Männer hüllten sich