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Der Herr der Welt. Robert Hugh BensonЧитать онлайн книгу.

Der Herr der Welt - Robert Hugh Benson


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Stel­le Asi­ens und dem west­lichs­ten Punkt des ame­ri­ka­ni­schen Fest­lands <<<

      7 Grie­chisch ›sein‹ und ›nicht‹ <<<

Erstes Buch – Die Ankunft Erstes Kapitel

      1.

      Oli­ver Brand, der neue Ab­ge­ord­ne­te für Croy­don, saß in sei­nem Stu­dier­zim­mer und sah über sei­ne Schreib­ma­schi­ne hin­weg aus dem Fens­ter. Sein Haus, ge­gen Nor­den ge­rich­tet, war am äu­ßers­ten Ende ei­nes Aus­läu­fers der Sur­rey­hü­gel, die jetzt in­fol­ge der Tun­nels und Durch­brü­che kaum mehr zu er­ken­nen wa­ren; nur einen Kom­mu­nis­ten konn­te die jet­zi­ge Aus­sicht noch be­geis­tern. Un­mit­tel­bar un­ter­halb der brei­ten Fens­ter fiel das um­grenz­te Ge­län­de auf etwa hun­dert Fuß hin und in eine Mau­er aus­ge­hend steil ab, wäh­rend jen­seits der­sel­ben, so­weit das Auge reich­te, die Welt — der Mensch und sei­ne Wer­ke — Tri­um­phe fei­er­te. Zwei brei­te Schie­nen­we­ge, ei­ner Renn­bahn glei­chend, je­der min­des­tens eine Vier­tel­mei­le breit und zwan­zig Fuß tiefer als das um­lie­gen­de Ge­län­de ge­legt, lie­fen nach ei­nem, eine Mei­le wei­ter ent­fern­ten Ve­rei­ni­gungs­punkt, wo sie sich kreuz­ten. Der eine der­sel­ben, der lin­ke, war die Haupt­li­nie nach Brighton, im Kurs­buch mit großen Buch­sta­ben be­zeich­net, der rech­te die Ne­ben­li­nie nach Tun­bridge und Has­tings. Jede die­ser bei­den Li­ni­en war in ih­rer Mit­te durch eine Ze­ment­mau­er ge­teilt, auf de­ren ei­ner Sei­te auf Stahl­schie­nen die elek­tri­sche Tram­bahn hin­führ­te; die an­de­re Sei­te bil­de­te den in drei Tei­le ge­teil­ten Au­to­mo­bil­fahr­weg. In dem Ers­ten fuh­ren, mit ei­ner Schnel­lig­keit von hun­dert­fünf­zig eng­li­schen Mei­len in der Stun­de, die staat­li­chen Wa­gen, im zwei­ten Pri­vat­au­to­mo­bil, de­nen nicht mehr als sech­zig Mei­len in der Stun­de ge­stat­tet wa­ren, im Drit­ten war der bil­li­ge Staats­wa­gen­ver­kehr, mit drei­ßig Mei­len, un­ter­ge­bracht, mit Sta­tio­nen nach je fünf Mei­len. Da­ran schloss sich der für Fuß­gän­ger, Rad­fah­rer und ge­wöhn­li­che Fuhr­wer­ke be­stimm­te Weg, auf wel­chem kein Fahr­zeug die Schnel­lig­keit von zwölf Mei­len in der Stun­de über­schrei­ten durf­te. Jen­seits die­ser großen Strän­ge dehn­te sich ein un­ab­seh­ba­res Meer von Dä­chern hin, aus dem hier und da nie­de­re Tür­me als Kenn­zei­chen der öf­fent­li­chen Ge­bäu­de her­vor­tra­ten, und von Ca­ter­ham zur Lin­ken bis zu dem ge­ra­de­aus lie­gen­den Croy­don er­schi­en al­les rein und klar in der rauch­frei­en Luft; fern ge­gen Wes­ten und Nor­den ho­ben sich die nie­de­ren Vor­stadt­hü­gel vom April­him­mel ab.

      In An­be­tracht der zahl­rei­chen Be­völ­ke­rung hör­te man er­staun­lich we­nig Geräusch; ab­ge­se­hen von dem Krei­schen der Stahl­schie­nen bei dem je­des­ma­li­gen Vor­bei­sau­sen ei­nes Zu­ges nach dem Nor­den oder Sü­den und dem zeit­wei­li­gen an­ge­neh­men Laut der dem Kreu­zungs­punk­te zu­ei­len­den großen Mo­to­ren, konn­te man in die­sem Ar­beits­zim­mer we­nig mehr wahr­neh­men, als viel­leicht ein sanf­tes, lei­ses, dem Bie­nen­sum­men in ei­nem Gar­ten glei­chen­des Mur­meln.

      Oli­ver war ein Freund jeg­li­cher Art mensch­li­cher Tä­tig­keit, von al­lem, was da­nach aus­sah oder klang, und so horch­te er jetzt auf­merk­sam und lä­chel­te, in die kla­re Luft hin­aus­star­rend, vor sich hin. Dann kehr­te die ge­wöhn­li­che Ent­schlos­sen­heit in sei­ne Züge zu­rück, sei­ne Fin­ger be­rühr­ten von Neu­em die Tas­ten und fuh­ren in der Vor­be­rei­tung der Rede fort.

      Er hat­te es mit der Lage sei­nes Hau­ses sehr güns­tig ge­trof­fen. Es stand in dem Mit­tel­punkt ei­nes je­ner ko­los­sa­len Spinn­ge­we­be, die das Land be­deck­ten, und hät­te sei­nen Zwe­cken nicht bes­ser ent­spre­chen kön­nen. Es be­fand sich nahe ge­nug bei Lon­don, um au­ßer­or­dent­lich bil­lig zu sein, — denn alle wohl­ha­ben­den Leu­te hat­ten sich we­nigs­tens hun­dert Mei­len weit von dem ge­räusch­voll pul­sie­ren­den Her­zen Eng­lands nie­der­ge­las­sen — und doch hät­te er es sich nicht ru­hi­ger wün­schen kön­nen. Nach der einen Sei­te hin war er zehn Mi­nu­ten von West­mins­ter, nach der an­de­ren zwan­zig Mi­nu­ten von der See ent­fernt, und sein Wahl­kreis lag wie eine Re­lief­kar­te vor ihm aus­ge­brei­tet. Da au­ßer­dem die großen Lon­do­ner End­sta­tio­nen nur zehn Mi­nu­ten weit weg la­gen, hat­te er die Haupt­li­ni­en nach je­der grö­ße­ren Stadt Eng­lands be­quem zur Hand. Für einen nicht ge­ra­de sehr be­mit­tel­ten Po­li­ti­ker, der heu­te in Edin­bur­gh und mor­gen in Mar­seil­le spre­chen soll­te, wohn­te wohl kaum ein Mann in Eu­ro­pa so güns­tig wie er.

      Er war von an­ge­neh­mem Äu­ße­ren, ein be­gin­nen­der Drei­ßi­ger, mit schwar­zem, straf­fem Haar, glat­tra­siert, ma­ger, männ­lich, sym­pa­thisch, hat­te blaue Au­gen und wei­ßen Teint. Heu­te nun schi­en er mit sich selbst und der Welt ganz be­son­ders zu­frie­den zu sein. Sei­ne Lip­pen be­weg­ten sich ab und zu wäh­rend der Ar­beit, sei­ne Au­gen wur­den bald grö­ßer, bald klei­ner vor Er­re­gung, und mehr als ein­mal hielt er inne, starr­te hin­aus, lä­chel­te und er­rö­te­te.

      Eine Türe öff­ne­te sich; ein Mann mitt­le­ren Al­ters trat et­was ängst­lich mit ei­nem Stoß Pa­pie­re her­ein, leg­te die­se, ohne ein Wort zu sa­gen, auf den Tisch und wand­te sich wie­der der Türe zu. Oli­ver mach­te ihm mit der Hand ein Zei­chen, nach­dem er noch die letz­te Tas­te ge­drückt hat­te.

      »Nun, Mr. Phil­lips?«, be­gann er.

      »Es sind Nach­rich­ten aus dem Os­ten ein­ge­gan­gen, Sir«, er­wi­der­te der Se­kre­tär.

      Oli­ver warf einen Blick nach der Sei­te und leg­te sei­ne Hand auf die Pa­pie­re.

      »Ir­gend­wel­che voll­stän­di­ge Nach­richt?«, frag­te er.

      »Nein, es gab wie­der eine Un­ter­bre­chung; Mr. Fel­sen­bur­ghs Name wird ge­nannt.«

      Oli­ver schi­en es nicht ge­hört zu ha­ben; er nahm die dün­nen, be­druck­ten Blät­ter plötz­lich auf und fing an, sie durch­zu­se­hen.

      »Der Vier­te von oben, Mr. Brand«, sag­te der Se­kre­tär.

      Oli­ver mach­te eine un­ge­dul­di­ge Be­we­gung, und wie auf ein ge­ge­be­nes Zei­chen ver­ließ der an­de­re das Zim­mer.

      Der vier­te Bo­gen von oben, grün mit ro­tem Druck, schi­en Oli­vers vol­le Auf­merk­sam­keit in An­spruch zu neh­men, denn zwei- oder drei­mal las er ihn durch, wäh­rend er re­gungs­los in sei­nem Stuhl zu­rück­lehn­te. Dann seufz­te er und ließ sei­nen Blick wie­der durchs Fens­ter schwei­fen, als sich aber­mals die Türe öff­ne­te, und eine jun­ge Dame von statt­li­cher Er­schei­nung ein­trat.

      »Nun, mein Lie­ber?«, be­gann sie.

      Oli­ver schüt­tel­te den Kopf und biss die Lip­pen zu­sam­men.

      »Nichts Be­stimm­tes«, sag­te er, »so­gar we­ni­ger als sonst. Höre.«

      Den grü­nen Bo­gen zur Hand neh­mend, fing er an, laut zu le­sen, wäh­rend die jun­ge Dame zu sei­ner Lin­ken in ei­nem Stuhl am Fens­ter Platz nahm. Sie war ein Ge­schöpf von aus­neh­men­der An­mut, groß und schlank, mit erns­ten, see­len­vol­len, grau­en Au­gen, wohl­ge­form­ten Lip­pen und ei­ner wür­de­vol­len Hal­tung in Kopf und Schul­tern. Sie hat­te lang­sam das Zim­mer durch­schrit­ten,


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