Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien. Alexander von Ungern-SternbergЧитать онлайн книгу.
entgegnete der neue Freund mit einer graziösen Verbeugung, »wenn er sich an Ihrer Seite befindet. Erlauben Sie, verehrter Graf, daß ich Ihnen selbst die Waffe umschnalle.« Er tat es, und Georg befestigte dagegen seine Waffe um die Hüften des Chevaliers. Der Herzog stand dabei und lächelte äußerst zufrieden. »So ist's recht, Herr Graf!« rief er, »das macht mir Freude. Ja, wahrhaftig, so ist's! Nichts Schöneres gibt es als die Freundschaft.« Er ging, und die Freunde folgten ihm Arm in Arm. –
28.
Hofluft
Beim Herzog war große Damengesellschaft. Die Zimmer waren geöffnet; in dem mittelsten derselben, das von Spiegeln, schönen Stoffen und vergoldeten Figuren prangte, saß der Herzog und war bemüht, der Frau Marschallin von Grançay aus einem Buche vorzulesen. Es ging nicht besonders; der Herzog machte öfters Fehler, die von den Damen unter Lachen verbessert wurden. Er trug einen gelben Seidenrock mit einer Stickerei von Braun und Gold, sein Haar war frisiert nach der Weise der hohen Damenscheitel. Rot und Weiß war dem Gesicht stark aufgelegt, in welchem seine kleinen Augen vor Vergnügen blitzten, sich in so guter und angenehmer Gesellschaft zu sehen. Sein Beinkleid war von dunkelm Rot, die Strümpfe wiederum gelb, mit Strumpfbändern von Diamanten zusammengehalten, auf den Schuhen, die hohe Büschel von farbigen Bändern trugen, prangten ebensolche Schnallen. Während er las, beschäftigten sich die Damen mit Arbeiten. Ein Teil der jungen Schönen saß an dem Fenster, sie blickten verstohlen in den Gang hinüber, der mit Glastüren verschlossen war, und in welchem ein paar hübsche Gardesoldaten wachehaltend auf und ab schritten. Die älteren Frauen hatten sich dicht um den Herzog gesetzt und begleiteten jede Miene, jede Bewegung desselben mit Ausrufungen schmeichelhaften Lobes. Die Marschallin lag auf einem Ruhebett und hatte den Blick ihrer schönen Augen abwechselnd auf ihre Umgebung und auf den Vorleser gerichtet. Sie verbarg ein Gähnen hinter den goldenen Stäben ihres Fächers.
Der Roman, der vorgelesen wurde, war › la reine de Navarra‹, den Fräulein von Laforce geschrieben und der Prinzessin Conti gewidmet hatte.
»Es ist genug!« rief die Marschallin, als eben wieder eine schwierige Stelle überwunden worden war, wo zwei fremde Namen, die beide von dem Vorleser falsch ausgesprochen wurden, vorkamen.
»Es kommt jetzt zur Liebesszene!« bemerkte der Herzog.
»Wir haben schon zwei solcher Szenen erlebt!« rief die Marschallin. »Legen Eure Hoheit das Buch hin und helfen Sie mir etwas Goldfäden zupfen.«
»Mit Vergnügen. Übrigens wieder auf den Roman zu kommen, so ist nichts leichter, als eine mittelmäßige Geschichte mit fremden Namen auszuputzen. Man kann davon sehr viele und sehr sonderbare erfinden, die sämtlich für den Vorleser schwierige Aufgaben bilden.«
»Indessen waren jene zwei Namen in Languedoc sehr gebräuchlich!« bemerkte die Marquise. »Haben Eure Hoheit nicht die Laforce gekannt?«
»Ich habe sie gekannt, und man sagt sogar, daß sie mich in ihr Herz geschlossen hat,« erwiderte der Herzog. »Allein man sagt dies von so vielen Damen meiner Bekanntschaft, daß ich auf diesen einzelnen Umstand kein Gewicht legen will.« Einige ältere Frauen sahen sich bei dieser Bemerkung lächelnd und fragend an. Der Herzog fuhr fort. »Mademoiselle Laforce begnügt sich nicht allein, Romane zu schreiben, sie spielt auch welche, und man hat mir versichert, daß ihr Leben den eigentümlichsten Roman, den man finden kann, gebildet habe.«
»Ei, erzählen Sie!« rief die Marschallin.
»Zuvörderst sehen wir sie als ein armes Fräulein im Vorzimmer der Herzogin von Guise ihren Platz einnehmen. Dort lernt sie den Marquis von Nesle kennen, den Vater des jetzigen, und bringt es zuwege, daß dieser elegante und gesuchte Kavalier sich in sie so sterblich verliebt, daß er auf seine Verwandten nicht hört, sondern sie heiraten will. Sie müssen wissen, daß Fräulein von Laforce häßlich war.«
»Wie geschah denn das alles?« fragte die Herzogin von Nellville.
»Hören Sie! Der große Condé, mit dem der Marquis nahe verwandt war, führte ihn, um ihn zu heilen, mit sich nach Chantilly. Dort waren alle Verwandten versammelt, die nochmals erklärten, sie würden die Heirat nicht zugeben. Der Marquis erklärte, nie eine andere Frau nehmen zu wollen. In Verzweiflung lief er in den Garten und würde sich ohne Zweifel das Leben genommen haben, wenn er nicht zufällig an der Schnur gerissen, an der ein Amulett hing, das ihm Fräulein von Laforce gegen Alpdrücken umgehängt hatte. Das Band reißt, das Amulett fällt zur Erde, und von dem Augenblick ist er von aller Liebesqual befreit. Er kehrt zur Gesellschaft zurück und erklärt ihr das. Man besichtigt das Amulett und findet –«
»Nun, was findet man?« fragten mehrere Damen neugierig.
»Zwei Krötenpfoten,« erzählte der Herzog weiter, »die hielten ein Herz, von einem Fledermausflügel umwickelt, und um das Ganze war ein Stück Papier gehüllt, beschrieben mit Charakteren.«
»Ei, wie sonderbar! Doch dabei nicht ohne Beispiele!« rief die Herzogin von Allion. »Ich kannte einen Herrn in Lille, der konnte einem Liebe eingeben mit Krebssteinen. Diese Liebe dauerte gerade vierundzwanzig Stunden.«
»Vierundzwanzig Stunden zu lange!« bemerkte das junge Fräulein von Montfort.
»Mademoiselle halten nicht viel von der Liebe?« bemerkte eine alte Duchesse spitzig.
»Wenigstens nicht von der, die den Krebssteinen anhaftet!« sagte das junge Mädchen lachend. »Ich halte es mit der, die ein paar hübsche Augen und ein gefühlvolles Herz eingeben.«
»Ach ja« – seufzte eine Dame von vierzig Jahren, »mit einer solchen halte ich's auch!« – Ein Gelächter entstand; die Dame sah sich fragend um; da niemand antwortete, arbeitete sie fort.
»Wieder auf die Laforce zu kommen!« fing die Marschallin an. »Was wurde denn zuletzt aus ihr?«
»Mein Gott, sie lebt noch!« rief der Herzog in komischer Verwunderung. »Soll ich sie etwa Ihnen zu Gefallen totschlagen, Madame? Später liebte sie den Schauspieler Baron. Der war nicht verhext, also dauerte die Liebe nicht lange. Dann die hübscheste Geschichte in ihrem Leben! Sie liebte den jungen Bilhuet. Die Eltern wollen die Heirat wieder nicht zugeben und sperren den Sohn ein. Was geschieht? Ein Trupp Bärenführer zieht durch den Ort. Fräulein Laforce macht sich an einen der Musiker, überredet ihn, sie in ein Bärenfell zu nähen und so auf den Hof zu führen, von wo der Geliebte zuschauen kann. Dem hat sie geschrieben, daß einer der Bären sie wäre. Er kommt aus seinem Gefängnis heraus, nähert sich dem kleinen, gefälligen Bären, der ihm die Hand küßt, und will endlich mit diesem Bären allein sein. Man führt ihn in eine Abteilung des Hofes, und dort unterhalten sich die sonderbaren Liebenden aufs beste, bis die Trompete das Zeichen zum Aufbruch gibt. Die Hauptsache bei dem Ständchen war, den jungen Mann zu überreden, die Heirat bei seinen Eltern durchzusetzen. Was der Geliebten in Menschengestalt nicht gelingt, führt die Bärenhafte richtig aus. Die Heirat kommt zustande. Als Madame von Bilhuet habe ich sie gesehen, denn sie kam nach Versailles, wo sich der König ihrer annahm.«
Nach dieser Erzählung brach ein allgemeines Gelächter der Damen aus. Niemand wollte die Geschichte glauben, und der Herzog hatte viel zu tun, jeder einzelnen die Wahrheit seiner Worte zu beschwören. Er tat dies mit der größten Geläufigkeit, indem er mit kleinen Schritten im Saal hin und her lief und jede der einzelnen Damen am Rocke faßte, um ihr umständlicher die ganze Geschichte nochmals zu erzählen und ihr dabei den Herzog von St. Simon zu nennen, den wahrheitliebendsten Mann bei Hofe, der ihm als Beweismann diente.
Mittlerweile, als eben der Sturm am lebhaftesten war, trat einer der Gardesoldaten des Vorzimmers herein und meldete den König.
Sogleich wurden die Türen aufgerissen, und Seine Majestät erschien. Der von Frauen wimmelnde Saal schien ihn anfangs etwas bestürzt zu machen; doch merkte man ihm dies nicht an. Mit gewohnter Sicherheit schritt er herein, und seine Blicke suchten nicht seinen Bruder, denn er war ihm schon zur Seite, sondern die Herzogin, seine Gemahlin.
»Ich bitte,