Das beste von Nikolai Gogol. Nikolai GogolЧитать онлайн книгу.
und ohne Begräbnis den Vögeln als Frühstück liegen gelassen, weil einem Saufaus im Felde kein ehrliches Christenbegräbnis gebührt. Ihr Jungen, hört mir gut auf die Alten! Wenn eine Kugel euch trifft oder ein Säbelhieb auf den Kopf oder wo anders hin, so glaubt nicht gleich, daß das etwas wäre! Verrührt einen Schuß Pulver in einem Glas Schnaps, trinkt das auf einen Zug herunter, und es hat sich gehoben – ihr kriegt auch kein Fieber; und auf die Wunde, wenn sie nicht gar zu groß ist, legt etwas Erde – die muß nur vorher im Handteller fest mit Spucke vermischt sein. Dann trocknet die Wunde schon ab. Und nun an die Arbeit, Kinder, munter zupacken, aber nichts überhudeln, daß alles richtig getan wird!«
Der Hetman hatte gesprochen, und kaum war seine Rede zu Ende, da machten sich schon die Kosaken ans Werk. Das ganze Lager war nüchtern geworden, Betrunkne fand man so wenig, als hätte es unter den Kosaken nie einen gegeben. Die einen besserten Radreifen aus und setzten neue Achsen unter die Wagen; andre luden Proviantsäcke oder Waffen auf die Fuhren; wieder andre trieben Gäule und Ochsen zusammen. Ringsum erscholl Pferdegetrappel, Probeschüsse krachten, Säbel rasselten, Kinder brüllten, Wagen quietschten und ächzten, muntres Geschwätz, helle Schreie, Hührufen… Und weit, weit dehnte sich alsbald der Heerzug der Kosaken über das Feld. Ein langer Weg wär es gewesen, wenn einer vom Kopf bis zum Schwanz des Zuges hätte laufen wollen. An dem Holzkirchlein hielt der Priester ein Bittamt und sprengte Weihwasser über die fromme Gemeinde, jeder küßte das Kreuz. Als das Heer in Bewegung kam und zum Lager hinauszog, wendeten alle Kosaken die Köpfe zurück.
»Leb wohl, liebe Heimat!«sagten sie wie aus einem Mund. »Schütz dich Gott vor Not und Gefahr!«
Beim Ritt durch die Vorstadt erblickte Taraß Bulba sein Jüdchen, den Jankel, der sich schon wieder eine Art Zelt aufgeschlagen hatte und Stein, Stahl, Pulver und allerlei Heeresbedarf feil hielt, wie man ihn auf dem Marsche gebraucht, auch Semmeln und Brot. – So ein verfluchter Jud! dachte Taraß bei sich, lenkte sein Pferd hinüber und sagte:
»Dummbart, was sitzt du denn da! Willst wohl heruntergeknallt werden wie ein Spatz?«
Jankel schlich näher zu ihm heran, machte mit beiden Armen Zeichen, als hätte er ihm ein ganz besondres Geheimnis zu offenbaren, und flüsterte hastig: »Soll der Herr bloß halten reinen Mund und niemand nix sagen: bei de Kosakenfuhren is eine, was is meine Fuhre; ja ich hab allerlei nötige Sachen fer de Kosaken, und ja ich werd unterwegs verkaufen diversen Proviant ßu so genaue Preise, wie se verkauft hat noch niemals ä Jüd; Gott soll es wissen, wie preiswert, Gott soll mich strafen: so preiswert.«
Taraß Bulba zuckte die Achseln und wunderte sich über die jüdische Geschäftstüchtigkeit. Dann sprengte er wieder zu seinen Leuten.
Fünftes Kapitel
Alsbald war das ganze südwestliche Polen eine Beute des Schreckens. Es erhob sich ein Jammergeschrei: »Kosaken! Kosaken im Land!« Wer fliehen konnte, floh. Jeder machte sich auf und lief, so schnell ihn die Füße trugen, wie es der Brauch war in dieser wilden, sorglosen Zeit, da keine festen Plätze und Schlösser errichtet wurden, sondern die Leute sich, wo sie grade waren, ihre vergänglichen Strohhütten bauten. Sie dachten sich: – Wozu sollen wir Arbeit und Geld auf die Hütte verschwenden, da ohnehin beim nächsten Tatareneinfall der rote Hahn auf das Dach fliegt! – Alles geriet in Bewegung: einer tauschte sich gegen seine Ochsen und seinen Pflug Pferd und Gewaffen ein und stieß zur Truppe, der andre flüchtete in ein sichres Versteck, trieb sein Vieh vor sich her und schleppte von seiner Habe mit, was er aufpacken konnte. Manch einen gabs auch, der den ungebetnen Gästen mit bewaffneter Hand in den Weg trat; die Mehrzahl freilich machte sich fort, ehe sie kamen. Jeder wußte, es war nicht gut Kirschen essen mit dieser kriegerischen Sturmschar, die hinter äußerlicher Disziplinlosigkeit die eiserne Disziplin verbarg, die den Sieg in Schlachten erkämpft. Die Reisigen ritten, ohne die Rosse zu übermüden und heiß zu machen, das Fußvolk marschierte nüchtern hinter den Packwagen; der ganze Heerzug bewegte sich nur bei Nacht; tags rastete er an einsamen, unbesiedelten Plätzen und in den Wäldern, deren es damals noch zur Genüge gab. Späher und Kundschafter wurden vorausgeschickt, überall die Gelegenheit zu erforschen. Und so tauchten sie oft an Orten auf, wo man sich ihrer noch gar nicht versah. Dann machte dort alles Reu und Leid. Feuer wurde an die Häuser gelegt; Vieh und Pferde, die das Heer nicht mitnehmen wollte, wurden am Platze niedergesäbelt. Das hatte mehr von wilden Blutorgien als von einem richtigen Feldzug. Groß war die Bestialität jener halbwilden Zeiten; das Haar würde sich einem Menschen von heute sträuben vor der grausigen Spur, die die Kosaken überall hinter sich ließen. Säuglinge fielen dem Mordstahl zum Opfer, Weiber mit abgeschnittnen Brüsten wehklagten; wen man laufen ließ, dem wurden die Füße von den Knieen abwärts geschunden – kurzum, mit Wucherzinsen trieben die Kosaken die Schulden von früher ein. Der Abt eines Klosters schickte ihnen zwei Mönche ein Stück weit entgegen und ließ ihnen seine Mißbilligung wegen ihres unziemlichen Benehmens aussprechen; dabei bestände doch ein Vertrag zwischen den Kosaken und der Regierung – sie verletzten ihre Pflicht gegen den König und brächen das Völkerrecht.
Der Hetman erwiderte: »Schönen Gruß zuvor an den Bischof von mir und allen Kosaken! Er soll keine Angst haben: die Kosaken zünden sich bloß ihre Pfeifen an.«
Und alsbald wurde die stattliche Abtei von der mörderischen Flamme gepackt, die hohen gotischen Fenster schauten düster aus lodernden Feuerwogen. Flüchtende Scharen von Mönchen, Juden und Weibern übervölkerten plötzlich alle Städte, wo irgendeine Hoffnung auf die Besatzung oder das Bürgeraufgebot zu setzen war. Die Hilfstruppen, die die Regierung hier und da, wenns schon zu spät war, schickte, waren gering an Zahl; sie fanden die Kosaken gar nicht, oder sie bekamen es mit der Angst, gaben Fersengeld bei der ersten Begegnung und rissen auf ihren flüchtigen Gäulen aus. Es geschah auch wohl, daß sich mehrere königliche Heerführer, die in früheren Schlachten ruhmreich gefochten hatten, zusammentaten und ihre Kräfte vereinten, den Kosaken die Stirn zu bieten. Hier war es, wo sich die jungen Kosaken vor allem erprobten. Sie schauderten noch vor Raub, vor Plünderung, vor der Vergewaltigung Wehrloser zurück, brannten aber darauf, sich den Alten als Kämpfer zu zeigen, Mann gegen Mann sich gegen einen geschmeidigen Polackenfant zu erproben, der auf edelm Roß einherstolzierte und die hängenden Ärmel des Dolmans im Wind flattern ließ. Fröhliche Wissenschaft war das; genug an Pferdegeschirr, kostbaren Säbeln und Flinten hatten sie schon erbeutet. Im Lauf eines Monats wurden sie Männer, waren die eben erst ausgeschlüpften Flaumküken erwachsen und völlig verwandelt; ihre Gesichter, die vorher noch knabenhafte Weichheit zur Schau getragen hatten, blickten jetzt streng und stark. Der alte Taraß hatte seine Freude daran, wie seine Söhne überall unter den vordersten waren. Ostap schien der Weg des Soldaten von Geburt an vorgezeichnet zu sein, er hatte alle Gaben für die schwierige Kriegskunst. Nichts, was ihm zustieß, konnte ihn aus der Ruhe und Fassung bringen; voll einer Kaltblütigkeit, die bei einem Zweiundzwanzigjährigen fast unglaublich schien, ermaß er mit einem Blick die ganze Gefahr und die Aussichten des Kampfes, fand er, wo das geraten schien, schleunigst ein Mittel, ihm auszuweichen, aber bloß auszuweichen, um nachher desto gewisser den Sieg zu gewinnen. Seine Bewegungen atmeten jetzt schon die Sicherheit der Erfahrung; der künftige Feldherr war nicht zu verkennen. Sein Körper strotzte von Kraft, sein Kampfesmut lieh ihm die Gewalt eines Löwen.
»Oh, der!« sagte der alte Taraß. »Das gibt einmal einen tüchtigen Hetman. Teufel, gibt das einen Hetman! Der Bursch steckt mit der Zeit den eignen Vater noch in die Tasche!«
Andri ließ sich von der bezaubernden Musik der Kugeln und Schwerter völlig fortreißen. Er wußte nicht, was überlegen heißt, einen Plan machen, die eignen und die Kräfte des Gegners in Rechnung ziehn. Ihm war die Schlacht wilde Wonne und Lust; gleich einem Rausch überkam es ihn in den Minuten, da den Mann die Kampfeswut packt, da alles vor seinen Augen flimmert und wirbelt, da abgehauene Köpfe fliegen und Rosse dröhnend zu Boden schlagen, da der Kosak trunken dahinsprengt, durch Kugelpfeifen und Säbelblitzen, und Hiebe austeilt und nichts von den Hieben spürt, die er selber empfängt. Auch an Andri hatte der Vater oft seine Freude, wenn er, einzig dem feurigen Drange folgend, Gefahren anging, die ein Mensch mit kaltem Blut und Kopf wohl vermieden hätte, und wenn er durch sein berserkerhaftes Draufgehn Wunder vollführte, vor denen auch die ältesten Kämpfer staunende Augen machten.
Der alte Taraß hatte seine Freude daran und sagte:
»Auch er – möge