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Der Kolonialismus. Ludolf PelizaeusЧитать онлайн книгу.

Der Kolonialismus - Ludolf Pelizaeus


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Mittelmeeranrainer Aragon seit der Rückeroberung des ganzen Königreiches am Handel mit dem Orient beteiligen konnte, war dies für Kastilien erheblich schwerer. Denn der größte Teil der andalusischen Küste lag in den Händen der muslimischen Nasriden. Aufgrund dieser inneren Probleme war es Kastilien bis zum Ende des 15. Jahrhunderts nicht möglich, das muslimische Königreich anzugreifen.

      Schon zu Lebzeiten König Heinrichs IV. von Kastilien zeichnete sich ab, dass nicht nur seine Herrschaft, sondern auch seine Erbfolge umstritten sein würde. Nur schwer setzte sich nach dessen Tod 1468 seine Halbschwester Isabella durch, die später den Beinamen »die Katholische« erhalten sollte. Die junge Königin musste den Adel hinter sich bringen und sich gegen den portugiesischen Anspruch auf den kastilischen Thron wehren. 1478 waren portugiesische Truppen in Kastilien einmarschiert und hatten den ohnehin schon bestehenden Gegensatz beider Königreiche weiter vertieft. Durch die Heirat mit dem Thronerben des anderen Königreiches auf der Iberischen Halbinsel, Ferdinands von Aragon, gelang es Isabella jedoch, die größten iberischen Königreiche zusammenzuführen. Erst durch diese Stärkung konnte Isabella die portugiesische Invasion zurück schlagen und das Königreich Kastilien endgültig in Besitz nehmen.

      Portugal und Kastilien schlossen nun mit dem Vertrag von Alcáçovas Frieden, aber bezogen nicht nur die europäischen, sondern auch die überseeischen Aspekte in den Vertrag mit ein. Während beide Seiten auf Thronansprüche im anderen Königreich verzichteten, trat Portugal, gegen die Garantie seiner gesamten Besitzungen vor der afrikanischen Küste, die Kanarischen Inseln an Kastilien ab. Am wichtigsten aber war, dass der Vertrag den Kastiliern unter Androhung der enormen Summe von 100.000 verbot, ebenfalls an der afrikanischen Küste zu expandieren: Der Weg nach Indien entlang dieser Route war damit verbaut und Kastilien musste nach einer Westpassage suchen.

      Wenn man die folgende Expansionsbewegung verstehen möchte, die sich zunächst gegen das letzte muslimische Königreich auf spanischem Boden, das nasridische Königreich Granada und dann nach Amerika richtete, so muss man sich die schwierige Position der Königin in Erinnerung rufen. Isabella musste den Adel ablenken, ihm etwas geben, was ihm auf der einen Seite Reichtum bescherte, ihn aber auf der anderen Seite von der Krone abhängig bleiben ließ. Als der Feldzug gegen Granada geplant wurde, standen die Zeichen für Kastilien günstig. Bisher hatte man noch jährlichen Tribut von Granada erhalten, doch die gezahlten Mengen gingen zurück. Zudem wurde nun das muslimische Granada von einem inneren Machtkampf erschüttert. Schnell rückten die kastilischen Truppen vor und vollendeten die »Wiedereroberung« (Reconquista) Spaniens im Jahre 1492.

      Als das Königspaar bei der Belagerung Granadas vor der Stadt die Zelte aufgeschlagen hatte, taufte man den neu gegründeten Ort: »Santa Fé«, Heiliger Glaube«. In vielem, besonders aber in der Brutalität, bot das Vorgehen im Königreich Granada bereits ein Vorgeschmack auf die Eroberung Amerikas. Beim Vorrücken der spanischen Truppen wurde die Bevölkerung ganzer Städte, so Ronda, Málaga, Vélez Málaga massakriert oder versklavt. Weder die Spanier im Krieg mit Granada noch die Portugiesen respektierten bei ihren Kriegen in Nordafrika die ungeschriebenen Kriegsregeln, weil sie gegen Moslems kämpften und sich berechtigt sahen, Gefangene zu töten oder zu versklaven. So fanden sich denn auch im Heer viele Adelige, besonders Kleinadelige aus dem Norden, die begierig auf Beute waren. Viele Teilnehmer der Feldzüge gegen die Moslems erhielten den Status als Hidalgos (Edelleute), und gleichzeitig stieg die Zahl derjenigen, die am Krieg verdienten. Mit dieser Einbindung lenkten die Könige den Adel und die Städte von inneren Problemen ab.

      Dank der inneren Reformen, der geschickten Leitung der kastilischen Stände (Cortes), besonders aber durch die Hinführung aller inneren Streitigkeiten auf die Eroberung Granadas wurde Kastilien gefestigt. Doch die Krone wandte sich nicht allein gegen das letzte muslimische Königreich auf Iberischem Boden, sondern auch gegen die Juden, deren Ausweisung sie 1492 verordnete. Da den Juden nur die Möglichkeit der Konversion zum Christentum oder des Verlassens des Landes eingeräumt wurde, hatten die Krone und die spanische Inquisition gezeigt, dass Zwangskonversionen in großem Stil durchführbar waren. Diese Erfahrung sollte auch bei der konsequent weiter geführten Expansion in Richtung »Indien« von Bedeutung sein.

      Konnte also die weiter unten zu betrachtende erste Fahrt von Christoph Columbus in einer Zeit der inneren Stärke Kastiliens stattfinden, so hielt diese innere Geschlossenheit nicht lange an, was für die weitere Entwicklung zu berücksichtigen ist. Durch die Eroberung von Granada war der Konflikt mit dem Adel, als Königin Isabella 1504 starb, lediglich aufgeschoben. Wieder war die Nachfolge unsicher, wieder gab es Fraktionierungen. Doch jetzt war der Einschnitt noch gravierender. Denn nach dem Tod des Erbprinzen Johann war das Erbe an seine Schwester Johanna gelangt, die mit dem Habsburger Philipp dem Schönen verheiratet war und später mit dem Beinamen »die Wahnsinnige« bedacht wurde. Schon 1504 hatten ihr die Cortes aufgrund ihres Geisteszustandes die Regierungsfähigkeit abgesprochen. Nachdem Philipp bereits 1506 plötzlich in Tordesillas verstorben war, besaßen viele Adelige fast unbeschränkte Macht. Leidtragende waren die Städte, die in diesem Konkurrenzkampf den Kürzeren zogen. Zudem hatte einige Adelige, die erst mit dem Feldzug gegen Granada in den Adelsstand erhoben worden waren, nur den Titel erworben, aber keinen sozialen Aufstieg verwirklichen können.

      4. Kulturkontakt und mediale Darstellung

      Wie gelang es einigen hundert Spaniern, die Riesenreiche der Azteken und Inka zu erobern? Warum sprechen wir bis heute von »Indianern«? Was glaubte Kolumbus 1492 gefunden zu haben? Und was sahen die europäischen Kolonialherren, wenn sie in andere Weltteile kamen? Diese grundsätzlichen Fragen für das Verständnis des Kolonialismus stellten sich erstmals mit der »Entdeckung« Amerikas, sollten aber auch später noch von Bedeutung sein, als koloniale Eroberung auch im 19. Jahrhundert unter den gleichen Vorzeichen ablief.

      Der Soziologe Tzetvan Todorov hat hervorgehoben, dass der Erfolg der Europäer, so auch der Spanier, vornehmlich darauf beruhte, dass sie sich geschickter als die unterworfenen Völker an die Umstände anpassen konnten. Nach der Ankunft auf Haiti 1492 nutzten sie das Entgegenkommen der dort lebenden Tainos aus, in Mexiko suchten sie die Gegner der Azteken und vereinnahmten die Tlaxcalteken gegen Mexiko. In Peru schließlich erfassten sie die Situation des Bürgerkrieges und erkannten, wie sie den Thronstreit zwischen den verfeindeten Halbbrüdern Huascar Inka und Atahualpa Inka für sich nutzen konnten.

      Zudem machten sie sich das Medium Sprache umfangreich zu Nutze. Die Spanier bildeten Dolmetscher aus, während die Azteken ihre Infrastruktur zunächst nicht ausschöpften und sich das Gesetz des Handels weitgehend aus der Hand nehmen ließen. Als Antonio de Nebrija den Katholischen Königen 1492 die erste Grammatik des Spanischen vorlegte, stellte dies die »Begleiterin des Imperiums« dar, denn damit hatten die Kastilien ein Instrument der Sprachvermittlung, um ein Weltreich aufzubauen. Anders als in Asien oder Afrika, ja auch in der portugiesischen Kolonie Brasilien, wurde in Spanisch-Amerika systematisch Spanisch als Sprache eingeführt. Ordensgeistliche legten zweisprachige Katechismen an, Spanisch blieb aber nun die Sprache der Herrschenden.

      Bei der europäischen Expansion in der Frühen Neuzeit waren Kulturkontakte und Kulturzusammenstöße an der Tagesordnung, wenngleich sich die Eroberer unterschiedlich verhielten. Besonders die Franzosen agierten in Kanada mit relativ wenigen Vorurteilen, anders als die Spanier oder ganz besonders die Engländer, die eine strikte Trennung zwischen weißer und indigener Bevölkerung betrieben. Die Spanier hingegen sahen die Indianer formal als Bewohner eines Teils ihres Imperiums, ihrer »Kronlande« an und damit grundsätzlich rechtlich als mit den Bewohnern des Mutterlandes gleichberechtigt an. Die Wirklichkeit sah freilich anders aus.

      Und noch ein Punkt trat hinzu, der als »Kolonisierung des Imaginiären« bezeichnet wird. Kultanlagen der indigenen Bevölkerung wurden von den Spaniern zerstört oder umgedeutet. Unmittelbar an den Sakralbezirk in Tenochtitlán baute man eine Kathedrale, auf die Pyramide in Cholula (Mexiko) setzte man eine Kirche, ebenso auf den Sonnentempel in Cuzco (Peru). Es kam damit zu einer Umdeutung heiliger Orte im Sinne der Kolonialherren, was freilich vornehmlich in Amerika möglich war, während dies in


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