Dzieci północy. Салман РушдиЧитать онлайн книгу.
würde. Kein Unterschied ließ sich erkennen und dann begann das Wasser seine Füße zu umspülen. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Kammer nun fast vollständig geflutet war. Eryn ertastete die Kante des Ausgangs mit seinen Händen, dann kam ihm ein Schwall Wasser entgegen und der warf ihn rückwärts zurück in den Durchgang. Er fiel und tauchte kurz mit dem Kopf unter, bevor er japsend an die Oberfläche kam. Auf Händen und Knien kletterte er wieder nach oben. Doch der Sturz hatte seine Orientierung beeinträchtigt und er merkte nicht, dass er inzwischen den geringen Schutz des Durchgangs verlassen hatte und sich nun draußen auf dem schmalen Vorsprung befand. Die nächste Welle erwischte ihn mit voller Kraft und drückte ihn mit dem Rücken an den Felsen. Wieder drohte er zu stürzen. Schnell machte er einen Schritt zur Seite, um sich abzufangen, dabei glitt er aus und fiel über den Rand des Vorsprungs in die Tiefe. Er schrie, doch der Sturm verschluckte seine Stimme. Und dann schrie er noch mehr, als ein scharfer Ruck an seinem Fußgelenk den Sturz bremste. Nun hing er kopfüber von der Klippe und der Eisenring schnitt grausam in das Fleisch seines Beines, doch die Kette hielt und hinderte ihn daran, gänzlich in die tosenden Wellen zu stürzen.
Die nächste Welle rollte heran und schlug mit Wucht zu, während Eryn hilflos über Kopf herunterhing.
Ihr Götter, lasst mich einfach sterben. Der Gedanke war verlockend, doch dann obsiegte sein Willen zu überleben. Er drehte sich zur Seite und konnte mit der Hand einen guten Griff in der Felswand finden. Tatsächlich war dies gar nicht so schwierig, denn der Fels war verwittert und scharfkantig. Er zog sich seitlich nach oben, und dann fand er Halt mit seinem freien Bein. Eine weitere Welle krachte neben ihm gegen den Felsen, doch ihn traf dabei nur ein Schauer von Tropfen. Langsam kämpfte er sich die Felswand wieder hoch und dann rollte er über die Kante des Vorsprungs, wo er keuchend auf dem Rücken liegen blieb. Bildete er sich das nur ein, oder war der Regen inzwischen schwächer geworden? Er horchte. Eine Welle brach sich am Felsen und überschüttete ihn mit Gischt. Daraufhin kroch er halb in den Durchgang hinein, damit er nicht wieder in die Tiefe gerissen würde.
Sein Fuß musste ziemlich lädiert sein, doch zum Glück spürte er keinen Schmerz. Noch nicht. Er tastete nach dem Gelenk und fühlte eine tiefe Schnittwunde. Sie musste ziemlich bluten, doch alles war so dermaßen nass, dass er das nicht mit Sicherheit sagen konnte. Allerdings war er in der Heilkunst versiert genug, um zu wissen, was er zu tun hatte. Von seinem Hemd riss er einen Streifen Stoff und band damit das Bein ab, während der Sturm langsam zur Ruhe kam.
Eryn lehnte erschöpft mit dem Rücken an der Wand und zitterte am ganzen Körper. Es war kühl, doch nicht so kalt wie an der Küste im Norden, sonst hätte er diese Nacht nicht überlebt. Aber auch so war ihm klar, dass sich seine Situation drastisch verschlechtert hatte. Salzwasser hatte sein Domizil geflutet und damit waren seine Vorräte an Trinkwasser dahin. Vielleicht fand er noch etwas Seegras und einen der Fische, doch auch das würde ihn nicht mehr lange retten. Somit war seine finale Entscheidung gefallen.
Hoffentlich finde ich noch die Säge. Sobald es genügend Licht gibt, muss ich den Fuß abnehmen. Ich brauche Zugriff auf meine Magie, der Rest lässt sich heilen.
Sein ausgezehrter Körper hatte ihn in einen traumlosen Schlaf gleiten lassen und als er erwachte, schien die Sonne von einem blauen Himmel, den kein Wölkchen trübte. Nichts mehr erinnerte an den gewaltigen Sturm der letzten Nacht. Eryn saß im Durchgang im Trockenen, denn der nun ruhige Wasserspiegel in seiner Behausung reichte nur bis auf die Höhe des tiefer liegenden Fensters.
Ich hätte in der Kammer bleiben können und wäre nicht ertrunken, dachte Eryn. Doch tags zuvor hatte das alles anders ausgesehen. Sein Fuß war nun dunkelblau angelaufen und er spürte ihn nicht mehr. Kein gutes Zeichen. Ich muss die Säge finden. Doch was er zuerst fand, war ein größerer Stein, der sich gelöst haben musste und nun im Durchgang halb unter Wasser lag. Eryn griff danach und beschloss, damit noch einmal auf den Metallreif einzuschlagen. Das erschien ihm noch deutlich besser, als die Säge zu benutzen. Außerdem spürte er den Fuß sowieso nicht mehr.
So hämmerte er auf das Metall ein. Einmal, zweimal. „Du Scheißding, geh endlich auf!“
Und dann schmetterte er den Stein wie ein Irrer wieder und wieder auf das Eisen. Tränen standen ihm in den Augen.
„Ich habe eine Scheißangst, diese Säge zu gebrauchen ... Wenn ich sie überhaupt finden kann. Geh auf, geh auf, geh auf!“
Da endlich hatten die Götter ein Nachsehen und der Eisenring zerbrach. Zunächst konnte Eryn es gar nicht fassen, als ihn die Magie durchflutete. All seine zwölf Adern pulsierten in leuchtenden Farben. „Die Poxe am Arsch, ich bin frei!“, jubelte er. „Ich bin wieder frei und nie wieder in meinem Leben werde ich so dumm sein, mir so etwas anzutun. Einen Magieblocker ohne Schloss. Wie dämlich muss man sein.“ Eryn lachte befreiend über seine eigene Dummheit. Sein benebeltes Hirn hatte ihn damals nicht klar denken lassen, doch nun war alles anders. Das Martyrium durch den Sturm und die Schmerzen hatten die letzten Reste der Rauschkrautvergiftung aus seinem Körper getrieben und nun konnte er wirklich ein neues Leben beginnen.
Doch zunächst musste er sich um seinen verletzten Fuß kümmern. Er löste das Stoffstück, mit dem er das Bein abgebunden hatte und untersuchte die Verletzung magisch, so wie er es schon oft getan hatte – allerdings stets bei anderen. Was sich ihm da offenbarte, sah nicht gut aus.
„Den Schaden wieder zu richten, wird eine Weile dauern“, murmelte er und leitete erste Schritte ein. Blutgefäße waren zerstört und der Schnitt, welchen er sich beim Fall von der Klippe zugezogen hatte, reichte bis hinunter auf den Knochen. Drum herum gab es noch etliche Quetschungen und Eryn vermutete, dass einige davon auf die Schläge mit dem Stein zurückzuführen waren. Am Fußgelenk selbst gab es eine Knochenabsplitterung und die Bänder waren arg in Mitleidenschaft gezogen. Rund eine Stunde lang war er in die Behandlung vertieft und konnte dabei vieles richten. Doch selbst mit magischer Unterstützung würde die endgültige Heilung noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Dann zog er Wasser aus der Luft und ließ es sich direkt in den Mund laufen. Als er auch seinen Hunger gestillt hatte, schickte er ein Auge aus. Denn so viel stand fest:
Hier auf diesem Felsen bleibe ich nicht. Zunächst sah er nichts als blaues Meer, was die Vermutung nahelegte, dass er sich ziemlich weit vom Kontinent entfernt befand. Als das Rauschkraut ihn noch fest im Griff hatte, konnte rein gar nichts sein Interesse wecken, doch nun kehrte seine Wissbegierde zurück.
Ob es noch einen weiteren Kontinent gibt? Wahrscheinlich nicht, sonst hätte ihn schon längst jemand gefunden. Aber einen Steinhaufen wie diesen hier könnte es durchaus noch irgendwo geben. Wenn ich allerdings nichts weiter finde, dann muss ich doch weiterhin hierbleiben.
Aber das Blatt des Schicksals hatte sich gewendet und die Götter meinten es gut mit Eryn. In einiger Entfernung lag eine weitere Insel. Da Eryn nicht viel Erfahrung mit Schiffen und ihrer Fahrgeschwindigkeit hatte, schätzte er die Distanz bis dorthin auf ungefähr zwei Tagesritte. Diese neue Insel war etwas größer als sein jetziges Domizil und hatte die Form eines zu drei viertel geschlossenen Kreises. Dadurch konnten sich die Wellen an einer Seite brechen und bildeten so einen natürlichen Schutzwall. Eryn erspähte sogar einen schmalen Streifen Sandstrand innerhalb dieses geschützten Bereiches.
„Perfekt! Dann werde ich mal umziehen.“ Irgendwie hatte er es sich in letzter Zeit angewöhnt, laut mit sich selbst zu sprechen. War ja sonst keiner da, mit dem er sich unterhalten konnte.
Ein Tor brachte ihn zur Sichel, wie er die neue Insel bereits getauft hatte und dort setzte er sich erst einmal an den Strand und genoss die angenehme Wärme der Sonne auf seiner Haut. Ohnehin musste er sein Bein schonen und als Magier bestand auch keine Notwendigkeit herumzulaufen, nur um die Insel zu erkunden. Sein Auge wanderte flink hin und her, während er selbst träge im Sand lag.
Drei Tage später hatte sich Eryn schon gut eingerichtet. Im höchsten Felsen der Insel befand sich nun seine Unterkunft und die konnte sich durchaus sehen lassen. Ohne Zeitdruck und mit klarem Kopf hatte Eryn seine Fähigkeiten voll ausschöpfen können und eine Behausung mit fünf Zimmern gebaut. Schon früher hatte er reichlich Übung mit der Ader Grau gehabt und sich als ganz guter Baumeister erwiesen. Vom großzügigen Eingangsbereich kam man in die Haupthalle und die Küche.