Dzieci północy. Салман РушдиЧитать онлайн книгу.
Es gab noch einen extra Baderaum, den man von der Halle aus durch einen kleinen Gang betreten konnte. Derselbe Durchgang führte auch in Eryns neues Schlafgemach.
Die Wände drinnen waren akkurat gerade, wohingegen er den Felsen draußen in seiner ursprünglichen Form belassen hatte. Die Fenster waren in den Stein eingearbeitet, und zwar dort, wo sich bereits natürliche Vertiefungen befunden hatten. Darum war auch keines von ihnen symmetrisch, sondern sie sahen vielmehr aus wie vergrößerte Risse. Auch der Eingang lag etwas versteckt und führte nur auf ein kleines Plateau hinaus, ähnlich wie bei seiner ersten Behausung. Um auf den Strand hinunterzukommen, musste Eryn schweben, was für ihn freilich kein Problem darstellte. Er hatte sich noch nicht dazu durchgerungen, eine Treppe zu bauen, denn niemand sollte auf den ersten Blick erkennen können, dass die Insel bewohnt war. Zu sehr saß Eryn noch die Angst im Nacken, dass Ador ihn aufspüren könnte. Darum brachte er auch keine permanenten Zauber an, die durch einen Scan leicht zu erkennen waren.
Aber der Sturm von neulich hatte ihm eine andere, ganz unmagische Gefahr aufgezeigt und Eryn nutzte die Adern Braun und Grau, um den schützenden Ring aus einzelnen Felsbrocken um die Insel herum noch zu verdichten. Dabei hob er den Meeresboden magisch an. Keine intellektuell schwierige Arbeit, jedoch eine sehr anstrengende. Und nachdem er den ganzen Vormittag damit verbracht hatte, hinkte er den Sandstrand ein paar Schritte hinauf und setzte sich dann auf ein sonniges Plätzchen. Sein Fußgelenk schmerzte von der Belastung und er bedachte es mit einer Kombination aus Betäubung und Heilzauber. Ich muss dem Fuß mehr Ruhe geben, dann heilt er schneller. Offensichtlich war es ihm nicht gelungen, alle kaputten Stellen im Gelenk zu reparieren. Dergleichen verlangte eine sehr hohe Kunstfertigkeit, doch Eryn war mit dem erzielten Ergebnis ganz zufrieden und mit der Zeit würde auch der Rest noch heilen.
Aber es gab andere Probleme, mit denen er sich außerdem auseinandersetzen musste. Stein, Eisen, Fisch und Wasser gab es im Überfluss, doch an allem anderen mangelte es. Seine eigene Kleidung war mittlerweile so zerrissen und verdreckt, dass sie den Namen kaum mehr verdiente. Eryn hatte versucht, aus dem Seegras einen Stoff zu weben, doch das Ergebnis war ein kratziges, raues Gewebe, welches mehr einer Matte denn einem weichen Stoff glich. Meister Raiden war stets der große Webkünstler gewesen, weswegen sich Eryn mit dieser Kunst nie sonderlich beschäftigt hatte. Er hatte Kleidung und Stoffe auf dem Markt gekauft. Auch Möbel und Nahrungsmittel hatte er dort erstanden.
Und gerade erschien ihm ein Markt wie ein gesegneter Ort der Götter.
Dort gibt es alles. Obst, Gemüse, Hühnchen – lebendig und gebraten. Frisches knuspriges Brot, gebratene Apfelringe. Eryn stöhnte sehnsüchtig. Allein ein unmagisches Feuer hat seinen Charme. Und er kam immer mehr zu der Überzeugung, dass er in die Zivilisation zurückkehren musste, um sich all diese notwendigen Dinge zu besorgen, die es hier auf seiner Insel nicht gab. Nur etwas machte ihm dabei Kopfzerbrechen: Meister Ador. Er war Eryns größter Feind und seine Spezialität waren die Ader Gold und das Reisen in den Wegen.
Kann er mich in der Zwischenwelt aufspüren? Das war die Frage aller Fragen und Eryn wusste keine Antwort darauf. Was er allerdings mit Sicherheit wusste, war, dass er nie wieder ein Gefangener in Elverin sein wollte. Ebenso wenig wie er in die Dienste Naganors zurückkehren wollte. Es war die Zeit gekommen, endlich sein eigener Herr zu sein – frei und niemandem verpflichtet, außer sich selbst. So war er hin und her gerissen, doch dann obsiegte die Notwendigkeit über seine Bedenken.
„Wasser verwischt die Spuren, hat mein weiser Urgroßvater Meister Savyen gesagt. Ich öffne das Tor erst im Wasser und komme dort auch wieder heraus. Und ich werde in der Nacht gehen, wenn selbst dieser verdammte Bastard von Ador schläft.“
Hätte Eryn gewusst, dass Meister Adors Gedanken zu dieser Zeit einzig und allein Lady Syrdae galten, dann hätte er sich nicht all diese Mühen gemacht. Doch davon ahnte er nichts und sein erster Raubzug führte ihn in die Abgeschiedenheit der Berge. In jenes Tal, in welches es ihn in Begleitung von Meister Raiden, Meister Eriwen und dem Forscherdrachen auf der Flucht verschlagen hatte. Damals hatte die Barriere des Nimrods noch die Welt geteilt. Doch das gehörte inzwischen schon längst der Vergangenheit an.
Eryn hielt sich nicht lange dort auf, sondern zog seine Aura ähnlich einem Netz über das Erdreich einschließlich allem, was darauf wuchs. Fünf Schritt im Quadrat konnte er so umspannen und das geraubte Land schaffte er dann direkt auf seine Insel. Den Baum verlor er in den Wegen, doch den Rest brachte er unbeschadet hindurch. Sein Beutegut lag nun knapp unterhalb der Wasseroberfläche in der Nähe des Sandstrandes und Eryn arbeitete hart, um Erde und Pflanzen schnell auf festen Grund zu befördern. Als er endlich damit fertig war, schwebte er hinauf in seine Gemächer.
Morgen schaue ich mir genauer an, was ich da erbeutet habe, sagte er sich, dann fiel er todmüde in sein Bett.
Fünf Wagen standen im Hof des Händlers und auf ihren Planen prangte das Wappen der Meretts und darunter stand „Merett Handelskompanie“, während sich auf dem Hof Kisten, Säcke und Stoffballen stapelten. Zwei ältere Männer hatten sich mächtig in der Wolle, während die Knechte und Fuhrleute jeweils hinter ihren Anführern standen und dem Streit zuhörten.
„Drei Säcke Korn fehlen, so viel steht fest. Hundert sollten es sein und wir haben nur 97 entladen“, meinte der lokale Händler, während sich der Vertreter der Meretts rechtfertigte:
„Aber ich habe die Säcke selbst gezählt und nach dem Verladen noch einmal nachgeprüft. Sie waren eindeutig auf den Wagen.“
„So, waren sie“, meinte der Händler spitz und polterte dann los: „Dass die Meretts Halsabschneider sind, weiß ich schon lange, aber dass sie es jetzt schon nötig haben zu betrügen, das ist ungeheuerlich.“
„Vorsicht, was du da sagst. Vielleicht haben die Kornsäcke ja beim Entladen Füße bekommen.“
Der Händler lief bei dieser infamen Anschuldigung rot an.
„Was soll das heißen? Etwa dass meine Männer stehlen? Bitte, sieh dich um. Würde mich verdammt noch mal wundern, wenn du die Säcke hier findest. Aber ich sag dir eines: Ich werde die Ware jetzt aufs Genaueste prüfen und dann werden wir sehen, ob ihr vielleicht noch mehr Tricks auf Lager habt.“
Der Mann der Meretts versuchte nun den Händler zu beruhigen:
„Das ist doch lächerlich. Wir machen schon so lange miteinander Geschäfte und es war nie was.“
„Es gibt immer ein erstes Mal und vielleicht habe ich es bisher auch nur nicht gemerkt. Aber jetzt werde ich der Sache auf den Grund gehen.“ Dann drehte er sich zu seinen Leuten um:
„Männer, prüft die Ware. Jeder Sack wird gewogen, jeder Ballen auf seine Stofflänge geprüft und alles gezählt, und dann werden wir ja sehen.“
„Bitte, das ist dein gutes Recht“, meinte der Vertreter der Meretts und ließ durchklingen, wie beleidigt er ob dieses Vorgehens war.
Die Untersuchung ergab letztendlich, dass auf jedem der Stoffballen nur 45 Meter aufgewickelt waren anstatt 50, und dass etliche Kisten und Säcke zu wenig Gewicht hatten.
Damit war für den Händler der Fall klar und er rief nach der Obrigkeit, während der Merett-Lieferant sich das absolut nicht erklären konnte.
„Ich habe alles gewogen und gezählt. Das kann nicht sein. Das kann einfach nicht sein.“
Während unter den Unmagischen Unfrieden herrschte, räumte Eryn den letzten Sack Diebesgut in seine Vorratskammer. Seit seiner ersten Reise auf den Kontinent war er noch mehrfach zurückgekehrt und bei seinen Beutezügen immer dreister geworden.
Nun erstreckte sich auf Eryns Insel gleich im Anschluss an den Sandstrand ein Grünstreifen, der sich noch ein ganzes Stück weit den Hang hinaufzog. Erst als das Gelände zu steil wurde und die Erde keinen rechten Halt mehr finden wollte, hatte Eryn mit seiner Umgestaltung aufgehört. Hühner, Gänse und Hasen