Szenen aus dem Landleben. Оноре де БальзакЧитать онлайн книгу.
möchte gern wissen, Herr Pfarrer,« sagte Genestas, Monsieur Janvier unterbrechend, »warum Sie die armen Leute am sonntäglichen Tanzvergnügen hindern?«
»Herr Rittmeister,« antwortete der Pfarrer, »gegen den Tanz an sich haben wir nichts einzuwenden, wir verdammen ihn nur als eine Ursache der Immoralität, die den Frieden stört und die Sitten des flachen Landes verdirbt. Heißt, den Geist der Familien läutern, die Heiligkeit ihrer Bande erhalten, nicht das Übel an seiner Wurzel abschneiden?«
»Ich weiß,« sagte Monsieur Tonnelet, »dass in jedem Bezirke immer einige Störungen vorkommen, in unserem aber werden sie selten. Wenn viele unserer Bauern sich nicht viel Gewissen daraus machen, dem Nachbarn beim Pflügen eine Furche Acker wegzunehmen oder Weidenruten, wenn sie solche nötig haben, beim anderen abzuschneiden, so sind das Kleinigkeiten im Vergleich mit den Vergehen der Stadtleute. Auch finde ich die Bauern unseres Tales sehr religiös.«
»O religiös!« sagte lächelnd der Pfarrer; »Fanatismus ist hier nicht zu befürchten.«
»Aber, Herr Pfarrer,« warf Cambon ein, »wenn die Leute aus dem Flecken allmorgendlich in die Messe gingen, wenn sie jede Woche bei Ihnen beichteten, würden die Felder schwerlich bestellt werden und drei Pfarrer würden die Arbeit nicht bewältigen ...«
»Mein Herr,« fuhr der Pfarrer fort, »arbeiten heißt beten. Die Ausübung hat die Kenntnis der religiösen Prinzipien zur Folge, welche die Gesellschaft leben lassen.«
»Und was machen Sie denn mit dem Patriotismus?« fragte Genestas.
»Der Patriotismus,« antwortete der Pfarrer ernst, »flößt nur flüchtige Gefühle ein, die Religion macht sie dauerhaft. Der Patriotismus ist ein momentanes Vergessen des persönlichen Interesses, während das Christentum ein vollkommenes Oppositionssystem gegen die verderbten Neigungen des Menschen ist!«
»Während der Revolutionskriege ist der Patriotismus indessen ...«
»Ja, während der Revolution haben wir Wunder verrichtet,« sagte Benassis; Genestas ins Wort fallend, »zwanzig Jahre nachher, 1814, aber war unser Patriotismus bereits tot; während Frankreich und Europa, von einem religiösen Gedanken getrieben, sich zwölfmal in hundert Jahren auf Asien geworfen haben.«
»Vielleicht«, sagte der Friedensrichter, »ist es leicht, den materiellen Interessen, welche Kämpfe von Volk zu Volk erzeugen, Schranken zu setzen; während die zur Stützung der Dogmen unternommenen Kriege, deren Gegenstand sich niemals klar bestimmen lässt, notwendigerweise unendbar sind.«
»Nun, Herr, Sie reichen den Fisch nicht herum?« sagte Jacquotte, die mit Nicolles Hilfe die Suppenteller weggenommen hatte.
Ihren Gewohnheiten getreu trug die Köchin jede Platte einzeln auf; ein Brauch, der die Unannehmlichkeit hat, die Gourmands zum Vielessen zu nötigen, und die besten Sachen von den mäßigen Leuten, die ihren Hunger an den ersten Gerichten gestillt haben, verschmähen zu lassen.
»Oh, meine Herren,« sagte der Pfarrer zum Friedensrichter, »wie können Sie behaupten, dass die Religionskriege kein bestimmtes Ziel gehabt hätten? Ehemals war die Religion ein so mächtiges Band in der Gesellschaft, dass die materiellen Interessen von den religiösen Fragen nicht zu trennen waren. Folglich wusste jeder Soldat sehr wohl, weshalb er sich schlug ...«
»Wenn man so sehr für die Religion gekämpft hat,« wandte Genestas ein, »muss Gott ihr Gebäude doch recht unvollkommen gebaut haben. Muss eine göttliche Institution nicht durch ihren Wahrheitscharakter Eindruck auf die Menschen machen?«
Alle Gäste sahen den Pfarrer an.
»Meine Herren,« sagte Monsieur Janvier, »die Religion fühlt man, sie lässt sich nicht definieren. Wir sind weder die Mittel noch das Ziel des Allmächtigen zu beurteilen fähig.«
»Nach Ihnen muss man also an alle Ihre Verbeugungen glauben?« sagte Genestas mit der Biederkeit eines Soldaten, der nie an Gott gedacht hatte.
»Mein Herr,« erwiderte der Priester ernst, »die katholische Religion macht besser als jede andere den menschlichen Ängsten ein Ende; aber, auch wenn dem nicht so wäre, welche Gefahr, frage ich, würden Sie laufen, wenn Sie an ihre Wahrheiten glaubten?«
»Keine große,« sagte Genestas.
»Nun, was setzen Sie aber aufs Spiel, wenn Sie nicht daran glauben! Aber, reden wir von den irdischen Interessen, die Sie am meisten berühren. Sehen Sie, wie stark sich der Finger Gottes den menschlichen Dingen aufgedrückt hat, indem er sie durch seines Stellvertreters Hand berührte. Die Menschen haben viel verloren, als sie von den vom Christentum vorgezeichneten Wegen abgingen. Die Kirche, deren Geschichte zu lesen wenige Leute sich einfallen lassen, die Kirche, die man nach gewissen absichtlich im Volke verbreiteten irrigen Meinungen beurteilt, hat das vollkommene Muster der Regierung, welche die Menschen heute zu errichten suchen, geboten. Ihr Wahlprinzip hat lange eine große politische Macht aus ihr gemacht. Ehedem hat es nicht eine einzige religiöse Institution gegeben, die nicht auf der Freiheit, auf der Gleichheit basiert gewesen wäre. Alle Wege halfen zum Werke mit. Der Rektor, der Abbé, der Bischof, der Ordensgeneral, der Papst wurden damals gewissenhaft nach den Bedürfnissen der Kirche gewählt, sie drückten ihren Gedanken aus: folglich war man ihnen den blindesten Gehorsam schuldig. Schweigen will ich von den sozialen Wohltaten dieses Gedankens, der die modernen Nationen geschaffen, so viele Dichtungen, Kathedralen, Statuen, Gemälde und Musikwerke inspiriert hat, um Sie nur darauf aufmerksam zu machen, dass Ihre bürgerlichen Wahlen, das Geschworenenkollegium und die beiden Kammern ihre Wurzeln in den provinzialen und ökumenischen Konzilien, im Episkopat und im Kardinalskollegium haben, nur mit dem Unterschied, dass die philosophischen Ideen der Gegenwart über die Zivilisation mir vor der erhabenen und göttlichen Idee der katholischen Gemeinschaft, dem Bilde einer universellen sozialen Gemeinschaft, vollendet durch das Wort und die Tat, die in dem religiösen Dogma vereinigt sind, zu verblassen scheinen. Es wird für die neuen politischen Systeme, wie vollkommen man sie auch annehmen mag, schwer werden, die Wunder zu wiederholen, die man dem Zeitalter verdankte, da die Kirche die menschliche Intelligenz trug.«
»Warum?« fragte Genestas.
»Zuerst, weil die Wahl, um ein Prinzip zu sein, bei den Wählern eine absolute Gleichheit verlangt: sie müssen – um mich eines geometrischen Ausdrucks zu bedienen – gleiche Größen sein, was die moderne Politik niemals zuwege bringen wird. Dann kommen die großen sozialen Dinge nur durch die Macht der Gefühle zustande, die allein die Menschen vereinigen kann, und die moderne Scheinphilosophie hat die Gesetze auf dem persönlichen Interesse basiert, das sie zu isolieren bestrebt ist. Ehedem traf man mehr als heute bei den Nationen auf Menschen, die in edler Weise von einem mütterlichen Geiste, den missverstandenen Gesetzen und den Leiden der Menge gegenüber, beseelt waren. So widersetzte sich auch der Priester, ein Kind des Mittelstandes, der materiellen Gewalt und verteidigte die Völker gegen ihre Feinde. Die Kirche hat territoriale Besitzungen gehabt und ihre zeitlichen Interessen, die sie scheinbar konsolidieren mussten, haben ihre Tätigkeit schließlich geschwächt. Tatsächlich besitzt der Priester privilegierte Eigenschaften, er ist scheinbar ein Bedrücker; der Staat bezahlt ihn, er ist ein Beamter, er schuldet seine Zeit, sein Herz, sein Leben. Die Bürger machen ihm seine Tugenden zur Pflicht und seine Wohltätigkeit, die durch das Prinzip des freien Willens lahmgelegt wird, verdorrt in seinem Herzen. Sei der Priester aber arm, sei er freiwillig Priester, ohne eine andere Stütze wie Gott, ohne ein anderes Vermögen wie die Herzen der Gläubigen zu besitzen, so wird er wieder der Missionar Amerikas, setzt er sich als Apostel ein und ist der Fürst des Guten. Kurz, er herrscht nur durch den Mangel und unterliegt durch den Reichtum.«
Monsieur Janvier hatte sich der Aufmerksamkeit bemächtigt. Die Gäste schwiegen und dachten über die so ungewohnten Worte im Munde eines einfachen Pfarrers nach.
»Monsieur Janvier, inmitten der Wahrheiten, die Sie zum Ausdruck gebracht haben, findet sich ein schwerer Irrtum. Wie Sie wissen, liebe ich es nicht, über die durch die modernen Schriftsteller und die gesetzliche Gewalt von heute angezweifelten allgemeinen Interessen zu diskutieren. Meines Ermessens muss ein Mann, der ein politisches System ersinnt, wenn er die Kraft in sich fühlt, es in Anwendung bringen, schweigen, die Macht an sich reißen und handeln. Ist es aber, wenn er in der glücklichen Dunkelheit