Du hast mich nie gewollt - Liebesroman. Thomas TippnerЧитать онлайн книгу.
zuzugreifen und ihre runden Brüste anzufassen. Das leise Stöhnen, das nun aus ihrem Mund gedrungen war, hatte ihn so sehr erregt, dass er Frau Hartmann mit ihrem militärischen Gehabe am liebsten nach Hause geschickt hätte, damit er mit Nancy allein sein konnte.
Aber als er siegessicher lächelte und Nancy gerade erklären wollte, wie er sie heute Nacht verwöhnen würde, war Frau Hartmann wieder hereingekommen, hatte Nancy die Farbmuster in die Hand gedrückt und gesagt: „Suche die Farben heraus, die wir für das Zimmer ausgewählt haben!“
Er hatte Nancy sehnsüchtig angeschaut und sich ernsthaft gefragt, warum der liebe Gott ihn mit einer Frau wie der Hartmann strafen musste. Sie hatte so gar nichts von dem, was er sich unter einer attraktiven Frau vorstellte. Die weiße, leblos wirkende Bluse, unter der sich viel zu kleine und viel zu alte Brüste abzeichneten, und ein Bauchansatz, der über den Gürtelbund heraushing.
Sie war … unangenehm.
Das war sie auch jetzt noch.
Nur mit dem Unterschied, dass er sich besser auf sie konzentrieren konnte als damals, als er Nancy kennenlernte.
Diese war ihm egal. Hatte er ihr eben noch einen Hauch Würde zugestanden, so zeigte er ihr jetzt, was er wirklich von ihr hielt. Dass er auf ihr Lächeln nicht reagieren würde. Damit sie merkte, dass sie nicht mehr gewesen war als seine Gespielin.
In dem Moment, in dem er sich selbst sagte: „Sebastian wird immer Sebastian bleiben“, spürte er, wie sich etwas in ihm veränderte. Dass er sich unwohl zu fühlen begann.
Aus den dunkelsten Kammern seiner Seele schien etwas empor zu kriechen, das er mit aller ihm zur Verfügung stehender Macht niederkämpfen wollte. Hatte er eben noch geglaubt, Herr jeder Situation zu sein, so fühlte er sich jetzt plötzlich klein und hilflos.
Er hasste seine Ambivalenz.
Er wusste nicht, was das sollte.
Warum interessierte ihn plötzlich, was Nancy fühlen konnte?
Bis vor Kurzem war sie für ihn nicht mehr und nicht weniger als ein aufregender Fick gewesen. Und jetzt, da er sie so dastehen sah und ein Kopfschütteln andeutete, als sie ihm zulächelte, änderte sich alles in ihm. Da war kein Hochgefühl der Überlegenheit mehr, als er sah, wie sie die Augen niederschlug und ihr Lächeln erstarb. Da war kein Podest mehr, auf das er steigen und auf sie herabschauen konnte.
Da war nur noch die ihn in den Schwitzkasten nehmende Erinnerung.
Er fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen, als er begriff, dass er sich genauso fühlte wie gestern Nacht. Dass ihm ähnliche Gedanken durch den Kopf schossen, wie jene, die er sich um Denise gemacht hatte.
Das hatte ihn nie interessiert.
Das war ihm egal gewesen.
Er hatte damals mit ihr geschlafen, hatte sie dann weggeschickt und ihr ein schönes Leben gewünscht. So, wie er es immer tat, ohne dass ihn dabei eine seltsame Panik ergriff und ihn glauben ließ, einen großen Fehler begangen zu haben.
Sebastian Freis machte keine Fehler.
„Ich würde Wohnküche und Wohnzimmer miteinander kombinieren und das wirklich schreckliche, entschuldigen Sie bitte …“, sie redete weiter, ohne Sebastians: „Müssen Sie nicht“, wahrzunehmen, „Aquarium komplett entfernen. Es passt einfach nicht in den neuen, modernen Lebensstil hinein, den Sie nach den Umbaumaßnahmen führen werden.“
„Ich freue mich schon darauf“, versicherte ihr Sebastian, während er versuchte, seine an Denise gewandten Gedanken komplett zu unterdrücken.
Bisher hatte er solche Umbaumaßnahmen immer als aufregend empfunden. Als belebend, als Neuerschaffung seiner selbst. In den Momenten war er der Mittelpunkt des Geschehens. Er war da, um andere leben zu lassen.
Er liebte es, im Mittelpunkt zu stehen.
Besonders dann, wenn es sich dabei um das Interesse einer jungen, schlanken Frau handelte, die mit ihrer Begeisterung nicht woanders hin wusste, als in sein Schlafzimmer.
Aber jetzt, als er anfing, einen erneuten Umbau zu planen, fühlte er sich leer und ausgebrannt.
So, als versuchte er, eine ihm unbekannte Leere zu füllen. So, als war da etwas in ihm umgestoßen worden, von dem er nicht gewusst hatte, dass es in ihm existierte.
„Hast du den Brief schon gelesen?“, fragte Nancy, nachdem Frau Hartmann in die Küche gegangen war, eine ausschweifende Handbewegung machte und erzählte: „Das hier wird eine Hängevorrichtung werden, an die Sie all Ihre Bestecke, Töpfe und anderen Küchenutensilien hängen können. Es wird fantastisch aussehen. Die Wandschränke verschwinden natürlich. Vollkommen überflüssig, die ganzen Platzverschwender. Wir werden die Schränke einfach in der Wand integrieren. Via Daumendruck können Sie die Schränke dann herausgleiten lassen. Sehr kostspielig, aber auch ausgesprochen praktisch. Ich verspreche Ihnen, bei mir wird Ihnen etwas für Ihr Geld geboten!“
„Super Frage“, sagte Sebastian, machte eine übertriebene Daumen-nach-oben-Geste und schaute genervt zu Nancy, die ihn anlächelte.
„Hast du?“
„Sollst du mir nicht die Farbmuster zeigen?“
„Weißt du“, erwiderte sie, während sie seinen bissigen Kommentar ignorierte, „meine Mama und mein Papa haben sich immer geliebt. Das ist echte, wahre Liebe“, plapperte sie und erntete von Sebastian einen verwirrten und von Frau Hartmann einen verärgerten Blick. „Und ich bin das Ergebnis daraus!“
„Deine Eltern haben sich offenbar fürchterlich viel Mühe mit dir gegeben!“, konnte Sebastian sich nicht verkneifen zu sagen und schaute hilfesuchend zu Frau Hartmann, die ihre rot geschminkten, viel zu schmalen Lippen zu einem zornigen Strich hatte werden lassen.
„Nancy!“, rief sie nun herrisch.
„Frau Hartmann?“
„Ich glaube nicht, dass Herr Freis sich für deine Eltern interessiert.“
„Doch, doch“, erwiderte sie, nickte der Innenausstatterin zu und zeigte mit dem Finger auf Sebastian. „Er hat doch auch eine Tochter!“
„Was soll das?“, platzte es aus Sebastian heraus, der sich plötzlich wie an die Wand gestellt fühlte.
Es kam ihm so vor, als hätte Nancy ihm mit dem bloßen Finger durch die Brust mitten ins Herz gestochen. Er verkrampfte sich, atmete gepresst und war der Meinung, dass ihr imaginärer Finger versuchte, die einzelnen Herzklappen zu durchstoßen. Sie hatte ihm so einen Schlag versetzt und solch eine seelische Wunde gerissen, dass er den Zorn nicht kontrollieren konnte, der nun in ihm emporstieg und alles in ihm zum Kochen brachte. „Woher willst du das wissen?“
„Das steht doch in dem Brief, der unter dem Tisch liegt!“
„Nancy!“, kreischte Frau Hartmann, von der Dreistigkeit ihrer Mitarbeiterin so erschrocken, dass sie unter der Schminke, die sie trug, blass wurde. Sie stammelte etwas, das Sebastian nicht verstand, und warf Nancy aus dem Haus. Die verstand nicht, was die Aufregung sollte. Sie blinzelte verwirrt, als Frau Hartmann schrie: „In den Wagen mit dir, und zwar sofort!“, um dann erschrocken die Luft einzuziehen, als Sebastian sagte: „Der Brief geht dich gar nichts an.“
Nancy schaute so sinnentleert zu ihm, dass es Sebastian leid tat, dass er so grob zu ihr gewesen war, aber in dem Augenblick, als sie noch einmal die Stimme erhob und sagte: „Sie hat dich wirklich lieb!“, glaubte er, platzen zu müssen.
Er zischte: „Ich hoffe, Sie ergreifen die nötigen Maßnahmen, um unsere weitere Zusammenarbeit nicht zu gefährden, Frau Hartmann!“
„Natürlich nicht“, erwiderte die Innenausstatterin, schnappte nach Luft und zeigte auf die Tür, um sich dann in Bewegung zu setzen, um die noch immer wie starr dastehende Nancy am Arm zu packen und hinaus zu schieben.
Von Frau Hartmanns Beteuerungen gänzlich unbeeindruckt, hatte Sebastian kühl gesagt: „Wir werden schon sehen, wie sich alles Weitere entwickelt“ und mit einer inneren Genugtuung