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Butler Parker 106 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.

Butler Parker 106 – Kriminalroman - Günter Dönges


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tion> Butler Parker – 106 –

      Günter Dönges

      Solo für ein scheues Reh

      Widerstand wäre sinnlos gewesen.

      Kathy Porter sah in die Mündung einer Waffe, die mit einem modernen Schalldämpfer versehen war. Der Mann, der die Waffe in der Hand hielt, machte einen sehr entschlossenen Eindruck. Er schien nur darauf zu warten, auch abdrücken zu können. In seinen großen, grünlich schimmernden Augen lag so etwas wie frohe Erwartung.

      „Mitkommen“, sagte er fast enttäuscht, als Kathy stehenblieb. Die langbeinige junge Frau, groß, schlank und dennoch sehr weiblich aussehend, erinnerte an ein ängstliches und scheues Reh, das sich vor Schreck nicht zu rühren vermag.

      Der Mann rückte seinen zusammengelegten Mantel wieder so über den Unterarm und die Waffe, daß selbst der Schalldämpfer verschwand, und deutete mit dem Kinn zum Fahrstuhl.

      Kathy Porter gehorchte augenblicklich. Sie wollte den Mann auf keinen Fall provozieren. Sie wußte nicht, wer er war und was er von ihr wollte. Sie wußte nur, daß ihr Leben an einem seidenen Faden hing, deshalb setzte sie sich sofort in Bewegung und ging zum Aufzug, der sich gerade öffnete.

      „Vorsicht, Masern“, sagte der schlanke Mann, als weitere Leute zusteigen wollten. „Ansteckungsgefahr.“

      Er ließ sie nicht aus den Augen und achtete auf jede ihrer Bewegungen. Mit seinem einfachen Trick erreichte er übrigens genau das, was er wollte. Die Leute sprangen förmlich zurück und hüteten sich in den Aufzug zu steigen.

      Zischend schlossen sich die Türen.

      „Kellergeschoß drücken“, kommandierte der Mann. Kathy Porter gehorchte erneut und drückte sich dann ängstlich in die Ecke des Aufzugs. Dieser Mann war ein Killer, daran bestand kein Zweifel. Warum er sie hier im Krankenhaus abgefangen hatte, begriff sie nicht. Kathy hatte im Auftrag von Lady Agatha Simpson einen Krankenbesuch gemacht und einem von Myladys Verwaltern einen Frühstückskorb überbracht. Harmloser und selbstverständlicher hätte eine solche Visite überhaupt nicht ausfallen können.

      Sie blieb bei ihrer Rolle und spielte weiterhin das scheue und ängstliche Reh. Der Killer durfte noch nicht mal ahnen, daß sie auch ganz anders sein konnte.

      „Überrascht, wie?“ fragte der schlanke Mann jetzt amüsiert.

      „Natürlich, Sir“, gab Kathy Porter zurück, „hoffentlich verwechseln Sie mich nicht mit einer anderen Person.“

      „Dein Haar ist nicht zu verwechseln“, meinte der Killer und spielte damit auf Kathy Porters dunkelrotes, langes Haar an, das in seiner Farbschattierung wirklich einmalig war.

      „Ich heiße Kathy Porter“, sagte das scheue Reh.

      „Und ich bin Onassis“, gab der Killer zurück. „Hör’ auf mit dem blöden Theater, Puppe. Du weißt, wer ich bin, ich weiß, wer du bist!“

      Die Fahrt war beendet, bevor Kathy darauf antworten konnte.

      Die Fahrstuhltür öffnete sich, Kathy mußte aussteigen.

      Die langbeinige Frau wurde durch eine kurze und energische Bewegung in die neue Richtung gedrängt, ging zögernd einen halbdunklen Gang hinunter und sah sich dann plötzlich einem zweiten Mann gegenüber, der einen weißen Arztkittel trug.

      „Umdrehen, mit dem Gesicht zur Wand“, kommandierte der Killer hinter ihr. Kathy Porter kam auch diesem Befehl nach und wehrte sich eine Sekunde später mit dem Mut der Verzweiflung gegen den dicken Wattebausch, der mit Chloroform getränkt war.

      Ihr Widerstand dauerte nicht lange.

      Kathy schnappte nach Luft, glaubte ersticken zu müssen und wurde dann ohnmächtig. Sie landete in den Armen des Mannes, der den weißen Kittel trug, und merkte nicht mehr, daß die beiden Männer sie hastig zu einer Tür trugen, auf der die Aufschrift „Magazin“ stand.

      *

      „Ich glaube, Mister Parker, daß ich in ein paar Minuten etwas ärgerlich sein werde“, stellte Lady Agatha Simpson grimmig fest. Die streitbare Sechzigerin saß im Fond von Josuah Parkers hochbeinigem Monstrum und wartete geduldig auf die Rückkehr ihrer Sekretärin. Normalerweise hätte Lady Simpson diesen Krankenbesuch selbst übernommen, aber sie befand sich in Zeitnot, da sie in der City eine wichtige Verabredung hatte. Sie kannte ihr Plaudertalent und hatte sich selbst davor geschützt. Kathy war eingeschärft worden, nicht länger als zehn Minuten zu bleiben. Nun waren schon weit über zwanzig Minuten verstrichen …

      Butler Josuah Parker saß vorn am Steuer seines hochbeinigen Wagens, der mal ein echtes Londoner Taxi war. Diesen Wagen hatte er sich nach seinen eigenen Vorstellungen umbauen lassen. Das ehemalige Taxi war inzwischen zu einer raffinierten Trickkiste auf Rädern geworden.

      Josuah Parker war untadelig wie stets gekleidet. Zum schwarzen Zweireiher trug er schwarze Handschuhe und eine Melone in ebenfalls schwarzer Farbe. Sein unvermeidlicher Universal-Regenschirm befand sich in einer Haltevorrichtung seitlich neben ihm. Korrektheit war Parkers oberstes Gebot. Hinzu kam eine Höflichkeit, die manchmal schon fast penetrant wirkte. Und Nerven, deren Haltbarkeit an die von besonders starken Schiffstauen erinnerten.

      In seiner vornehmen Zurückhaltung war er das krasse Gegenteil von Lady Agatha Simpson, die trotz ihres Alters quirlig wie ein junges Mädchen war. Lady Agatha, mit dem englischen Hochadel verschwistert und verschwägert, war eine immens reiche Frau, die sich Extravaganzen leistete, sofern sie ihr Spaß machten. Sie liebte es, sich mit besonders verzwickten oder aufregenden Kriminalfällen zu befassen und hatte in letzter Zeit den Ehrgeiz entwickelt, eine gewisse Agatha Christie schriftstellerisch zu übertrumpfen. Schon vom gemeinsamen Vornamen her fühlte sie sich dazu berufen und auch verpflichtet.

      „Ich glaube, daß ich inzwischen ärgerlich geworden bin“, ließ Lady Agatha sich wieder vernehmen und räusperte sich bedrohlich, „was sagen Sie zu dem Benehmen von Miß Kathy?“

      „Miß Kathy dürfte mit einiger Sicherheit aufgehalten worden sein, Mylady“, erklärte Parker gemessen.

      „Holen Sie sie aus dem schrecklichen Haus heraus“, entschied Lady Simpson grimmig, „und machen sie ihr klar, wie wütend ich bin!“

      „Mylady können sich auf meine bescheidene Wenigkeit verlassen“, versprach Josuah Parker und stieg ohne jede Hast aus dem Wagen. Er blieb neben dem geöffneten hinteren Wagenfenster stehen und lüftete seine schwarze Melone. „Soll ich mich hinsichtlich Ihrer Gemütsverfassung in Einzelheiten ergehen, Mylady?“

      „Überlassen Sie das nur mir, Mister Parker! Kathy kann sich auf etwas gefaßt machen.“

      „Sehr wohl, Mylady.“ Parker legte sich den bleigefütterten Bambusgriff seines Universal-Regenschirms über den Unterarm, prüfte noch mal den korrekten Sitz seiner schwarzen Melone und lustwandelte anschließend gemessen zur breiten Treppe, die hinauf in die Empfangshalle des Krankenhauses führte.

      Natürlich wußte er nur zu genau, warum Mylady den Besuch nicht selbst gemacht hatte. Lady Agatha hatte eine Allergie gegen Krankenhäuser und konnte den typischen Geruch, der in solchen Häusern herrschte, auf den Tod nicht ausstehen.

      Josuah Parker machte sich hinsichtlich des Zorns von Mylady keine unnötigen Sorgen. Gewiß, Kathy Porter war zwar offiziell nur die Gesellschafterin und Sekretärin seiner Herrin, doch in Wirklichkeit genoß Kathy Porter den Status einer leiblichen Tochter. Darüber hinaus war Kathy schließlich auch noch Mitglied eines Trios, das sich mit viel Erfolg und Können der Aufklärung von Verbrechen widmete. Sie war Teil dieses Teams und zeichnete sich durch besondere Fähigkeiten aus. Nach außen hin wie ein scheues Reh wirkend, besaß sie in Wirklichkeit die Spannkraft einer Pantherkatze.

      In der großen Vorhalle des Krankenhauses angekommen, ließ Parker die Stationsschwester anrufen und erkundigte sich bei ihr mit wohlgesetzten Worten nach dem Verbleib von Miß Porter. Er erfuhr zu seiner ehrlichen Verblüffung, die er allerdings nicht zeigte, daß Kathy das Krankenzimmer schon vor zehn Minuten verlassen hatte.

      Parker legte den Hörer auf und entdeckte dann Kathy, die gerade aus dem Aufzug gekommen sein mußte, während er noch mit der Stationsschwester sprach. Sie wandte ihm allerdings den Rücken zu und ging schnell auf eine Glastür zu, die den


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