Butler Parker 106 – Kriminalroman. Günter DöngesЧитать онлайн книгу.
eine Vorstellung, um was es in diesem Fall gehen könnte?“ fragte sie über die Bordsprechanlage nach vorn.
„Ich bedaure, Mylady, verneinen zu müssen.“
„Sehr enttäuschend, Mister Parker“, grollte die ältere Dame. „Warum ermordet man einen Patienten im Krankenhaus und entführt seine Besucherin? Kathy war ja für die beiden Strolche nur ein Mißgriff.“
„Hoffentlich, Mylady, wenn ich es so ausdrücken darf, hoffentlich hat Kathy Porter sich inzwischen tatsächlich als ein arger Mißgriff für die beiden Gangster herausgestellt.“
„Lenken Sie nicht vom Thema ab“, erwiderte sie grimmig. „Warum könnten die beiden Killer gemordet und entführt haben? Rauschgift?“
„Ein Motiv, Mylady, das für eine Ermordung stark genug sein dürfte. Falls es sich um Mord handelt.“
„Mord oder nicht, Mister Parker, die Entführung bleibt. Hören wir, was Kathy zu sagen hat“, meinte Lady Simpson, als sei es für sie selbstverständlich, daß ihre Gesellschafterin und Sekretärin es wieder mal schaffen würde, sich ihrer Haut zu wehren. „Wohin fahren wir eigentlich, Mister Parker?“
„In die Lambeth Road, Mylady. Der verblichene Mister Lancing betrieb dort nach seinen Papieren, die ich vorfand, eine kleine Zoohandlung.“
„Sehr interessant“, gab Lady Agatha zurück, wobei ihre Stimme allerdings leicht enttäuscht klang. „Eine Tierhandlung, also?“
„In der Tat, Mylady.“
„Finden Sie wirklich, Mister Parker?“ wunderte sich Lady Agatha. „Was könnte man als Schriftsteller daraus machen?“
„Ich würde mich niemals erfrechen, Mylady, mit Vorschlägen aufzuwarten, dazu reicht meine bescheidene Vorstellungskraft nicht aus.“
„Das stimmt allerdings“, räumte Lady Agatha selbstzufrieden ein. „Ich glaube, daß diese Tierhandlung die Zentrale einer Gangsterorganisation ist. Wie finden Sie das?“
„Bemerkenswert, Mylady.“
„Nicht wahr?“ Agatha Simpson nickte zufrieden. „Und dort werden wir auch Kathy finden. Mein Gefühl sagt mir das deutlich. Als Schriftstellerin hat man eben eine bestimmte Sensibilität, aber davon verstehen Sie ja nichts.“
„Wie Mylady meinen“, murmelte der Butler und hoffte, daß Lady Agathas Optimismus sich erfüllte. Er sorgte sich nämlich um Kathy Porter und war keineswegs der Ansicht, sie in der Tierhandlung zu finden.
*
Der dickliche Gangster Melvin hatte zur Kenntnis genommen, daß sein Opfer sich noch im Raum befand. Er blickte hinüber zu den Schaufensterpuppen und hatte eine Eingebung.
„War die Kleine nicht so gut wie nackt?“ fragte er Richie, den Killer im weißen Arztkittel.
„Klar, war sie.“
„Dann muß sie dort sein, Richie, sieh’ nach!“ Er deutete auf die Mannequins aus Kunststoff und lächelte verkniffen.
„Klar, das ist es, Melvin“, sagte Richie, „genau das ist es!“
Er näherte sich den Schaufensterpuppen und begann mit seiner Inspektion, die er sich recht einfach machte. Er ging die lebensgroßen Puppen der Reihe nach ab und faßte an ihre Brüste. Dabei lächelte er.
Kathy hatte den richtigen Moment verpaßt, zum Angriff überzugehen. Melvin sah zu ihr herüber. Sie wagte kaum zu atmen und hatte das Gefühl, bereits durchschaut worden zu sein. Der Gangster wollte mit ihr nur Katz’ und Maus spielen.
Dennoch steckte sie nicht auf. Da war immer noch ein Funke Hoffnung, obwohl Richie bereits die erste Reihe der Schaufensterpuppen abgetastet hatte. Er näherte sich der zweiten Reihe, hinter der Kathy stand.
„Ich komm’ mir vor wie in ’nem Harem“, rief Richie seinem Partner Melvin zu. Er stand vor einer Puppe, tätschelte deren Brüste und Po und arbeitete sich dann weiter durch die Reihe. Er schien diese Suche auf die leichte Schulter zu nehmen. Wahrscheinlich traute er der entführten jungen Dame nicht viel an Gegenwehr zu. Beide Gangster hatten bisher übersehen, daß der noch immer ohnmächtige junge Killer keine Waffe mehr besaß.
Kathy wurde es heiß und kalt unter der nackten Haut, als Richie mit ihrer Reihe begann.
Sie verdrehte die Augen nach oben zur Decke und hörte das Näherkommen seiner Schritte, dann seinen schnaufenden Atem. Er war nur noch wenige Puppen von ihr entfernt. Kathy konzentrierte sich auf ihre Pose, stellte die Atmung ein und wurde starr wie eine Statue. In den nächsten Sekunden mußte es zum Kontakt kommen.
Er stand seitlich neben ihr, streckte seine Hand nach ihrer nackten Brust aus und … nahm dann den Kopf herum. Sein junger Partner war gerade zu sich gekommen und hatte sich aufgerichtet. Dieses Geräusch hatte Richie abgelenkt.
Kathy fackelte nicht lange.
Sie schlug blitzschnell mit dem Lauf der Schußwaffe zu, traf die Schläfe des Gangsters und erstarrte dann wieder zur Unbeweglichkeit. Richie fiel zur Seite, stöhnte auf und rammte die erste Schaufensterpuppe, die prompt umkippte.
Eine Kettenreaktion setzte ein.
Die erste Puppe brachte die nächste aus dem Gleichgewicht. Und diese wiederum die beiden anderen rechts von ihr. Zuerst geschah das in einer Art Zeitlupentempo, doch dann kippten die künstlichen Mannequins reihenweise um und landeten krachend auf dem Boden.
Der dickliche Melvin war zur Seite gesprungen und starrte auf den Massensturz der künstlichen Damen, war sichtlich irritiert und vermißte seinen Freund Richie, der unter einigen Mannequins lag und sich verständlicherweise nicht rührte.
Kathy schwitzte Blut und Wasser.
Richie hatte ungewollt all jene Puppen niedergestreckt, die ihr eine Art Sichtschutz gewährt hatten. Nun war sie den Blicken des Gangsters ausgeliefert, der seine Waffe – einen kurzläufigen Revolver – schußbereit in der linken Hand hielt. Die Augen des Gangsters blieben an ihr haften, Kathy fühlte sich durchschaut und erwartete, daß der Mann abdrückte.
Sie behielt die Nerven, zuckte mit keiner Wimper, hielt ihre Position durch und ließ es darauf ankommen.
Melvin marschierte um die gefallenen Mädchen herum und näherte sich Kathy. Er mußte sie erkannt haben, ein böses und auch erwartungsvolles Lächeln umspielte seine vollen Lippen. Zudem hob er die Schußwaffe Zentimeter um Zentimeter und richtete den kurzen Lauf auf ihren Leib. Kathy durfte ihn nicht direkt ansehen, zu ihrer Pose gehörte es, die Decke wie hypnotisiert anzustarren.
„Steck’ endlich auf, Süße“, sagte Melvin und kam immer näher. „Ich hab’ dich erkannt.“
Er stand jetzt knapp vor ihr und streckte seine freie Hand nach ihrer Brust aus.
Kathy hatte noch mal vorsichtig eingeatmet, hielt dann die Luft an und brauchte noch einige wertvolle Sekunden, um ihren Plan durchzuführen.
Die schwitzende Hand des Gangsters legte sich auf ihre Brust. Jetzt mußte der Mann wissen, daß er es mit einer sehr lebendigen Frau zu tun hatte.
Genau in diesem Moment trat Kathy geschickt nach hinten aus, ohne dabei ihre Position aufzugeben. Durchtrainiert wie sie war, schaffte sie es.
Ihr Fuß traf eine hinter ihr aufgestellte Schaufensterpuppe, die sofort umkippte.
Das irritierte den dicklichen Gangster.
Er fühlte sich überlistet, sprang zur Seite und sah auf die umstürzende Puppe.
Kathy war plötzlich nicht mehr das sanfte und scheue Reh. Sie warf sich zur Seite, entging einem Schuß und schlug mit ihrem hochschnellenden Fuß unter den Arm des Mannes, der daraufhin die Waffe verlor.
Melvin brüllte vor Wut auf, stürzte sich auf Kathy, hechtete förmlich auf sie und landete auf dem Boden. Kathy hatte sich blitzschnell seitlich weggerollt und verlor dabei leider ihre Beutewaffe. Sie hielt sich nicht mit der Suche nach dieser Waffe auf, sondern ergriff eine