Pepi, lass mi eine ...!. Peter ElstnerЧитать онлайн книгу.
zu den Journalisten führen. Also, bei mir würde keiner reinkommen«, schloss Hicke. Meine Frage darauf: »Und was ist, wenn du einmal mit einer großen Mannschaft gegen eine andere große Mannschaft gewinnst? Und zwar in einem wichtigen Spiel. Dürfte ich dann hinein?« Hickersberger trocken: »Na, das wäre zu überlegen. Aber nur, wenn es ein entscheidender Sieg wäre, dann könnt ich mir vorstellen, dass du hineindürftest.«
Zurück ins Praterstadion: Der Regisseur der Übertragung, Lucky Schmidtleitner, hielt, wie gewohnt, die letzte aktuelle Konferenz bei den Ü-Wagen zwei Stunden vor Anpfiff ab, in der noch einmal die wichtigsten Dinge des Ablaufes besprochen wurden. Dabei tauchte auch die Frage auf: »Was und wie berichten wir, wenn wir gewinnen?« »Es wär schon klass«, meinte Lucky, »wenn wir da in unsere Kabine könnten, um Bilder einzufangen, die man nicht jeden Tag sieht.«
Diese Frage blieb offen.
Mir war es immer wichtig, vor einem Match zu kontrollieren, ob alles funktionierte, denn ich wusste, wenn das »Werkl« einmal live rennt, und es gibt auch nur einen kleinen Fehler, dann verdirbt man die beste Sendung. Also kontaktierte ich nochmals die Kameraleute, die mit mir am Abend die Live-Interviews machen sollten.
Dabei schlummerte im Hintergrund eine Gefahr, von der ich nichts wissen konnte – ich war von Samstag an ja nicht in Wien gewesen und nach meiner Ankunft direkt vom Flughafen ins Stadion gedüst. Ich bekam daher auch nicht mit, was sich in diesen Stunden und Tagen vor dem immer wieder zitierten »Schicksalsspiel des Jahrhunderts« von Seiten der Berichterstattung ereignet hatte. Empört hatten die Teamspieler registriert, dass in der »Sport am Montag«-Sendung, im Gegensatz zu allen anderen Meldungen, die sich vor lauter Vorberichten überschlugen, vom ORF, im Speziellen aber von »Sport am Montag«, zwei Tage vor dieser besonderen Begegnung eigentlich nichts berichtet wurde.
Mein alter Freund Sigi Bergmann hatte, was Fußball betrifft, eine einzige Story in der Sendung, die die Frage aufwarf: »Wer ist der Fußballer mit dem größten Sexappeal!?«
Dazu hatte man extra die »Sexpertin der Nation«, Dr. Gerti Senger, als Expertin der Jury eingeladen.
Am Montagabend, als sich die Truppe vor den Fernseher versammelte, um »Sport am Montag« zu schauen, waren sie dann von den Socken: »Ja gibt’s des? Nicht ein Wort über unser Match.« Was sie sahen, verdoppelte dann ihren Ärger – bei der Wahl zum Mr. »Fußball-Sex« gewann ein Spieler aus Oberösterreich; und ein wirklich fescher Fußballer wie Michael Konsel landete nur auf dem enttäuschenden fünften Platz.
Das schlug dem Fass den Boden aus. Man beschloss, bei einem Sieg als Revanche dem ORF keine Interviews zu geben.
Von all dem hatte ich keine Ahnung.
Dann kam das Match, der ausgepfiffene Toni Polster schoss alle drei Tore, machte aus seinem Gegenspieler, dem renommierten Matthias Sammer, einen »Fetzn«, wie man in Wien sagt, und rächte sich damit auf sportliche Weise für die Pfiffe der Fans vor dem Spiel.
3:0 – Österreich fährt zur WM nach Italien! Das »Spiel des Jahrhunderts« wird in die Geschichte des Fußballs in Österreich eingehen.
Dementsprechend der Jubel nach dem Abpfiff. Die Spieler begaben sich auf eine Ehrenrunde, ließen sich feiern, nur Toni Polster verweigerte die Ehrenrunde. Er hatte schon nach seinem dritten Tor in Richtung Publikum geschimpft.
Irgendwie hatte ich die ganze Zeit das Gefühl – da stimmt was nicht. Kam aber nicht drauf, was es war. Auf alle Fälle, weil ich die Meriten der Live-Berichterstattung kannte, nahm ich mir vor, sicherheitshalber, sobald sich die Gelegenheit dazu bot, Interviews mit den Spielern aufzuzeichnen – was teilweise auch geplant war, um sie bei Bedarf einzuspielen.
Im Hinterstübchen hatte ich auch noch mein Malta-Gespräch mit Hickersberger, und ich dachte daran, zu versuchen, in die Kabine zum großen Jubel und Trubel zu gelangen. Ich wollte was fürs Publikum tun, damit man daheim diesen Triumph hautnah miterleben könnte. Und der Pepi hatte ja gesagt, dass er bei einem wirklichen Triumph nichts dagegen hätte.
So versuchte ich vorerst, Spieler, die von der Ehrenrunde zu den Kabinen liefen, am Gang aufzuhalten. Was mir auch gelang. Ich informierte über die Gegensprechanlage die Regie, dass ich vier Mann aufgezeichnet hätte – Andi Herzog, Christian Keglevits, Alfred Hörtnagl und Toni Pfeffer.
Das »Unheil« nahm jetzt langsam, aber sicher seinen Anfang – ich bekam nämlich die Nachricht: »Hearst, da san nur zwa Interviews reinkumma!« »Au weh«, dachte ich mir, »was ist da passiert?« Ich bat die Techniker, noch einmal alle Geräte zu kontrollieren. Und siehe da, bei zwei Aufzeichnungsgeräten waren die Stecker aus der Wand gezogen, es konnte also nicht funktionieren.
Neuer Anlauf. Auf ein Zeichen von Lucky: »Jetzt kannst probieren, in die Kabine zu kommen!«, startete ich meinen Versuch.
»Da kennan S’, glaub i, net eine«, sagte mir ein Sicherheitsbeamter vor der Türe, »die wolln ihr Ruah habn von der Presse.«
»Lucky«, rief ich zum Ü-Wagen, »i glaub, do stimmt wos net!«
Die trockene Antwort: »In sechs Sekunden Rotlicht!«
Na ja – und so probierte ich also, hineinzukommen –, wie man heute weiß, bin ich damals »ang’rennt«, völlig schuldlos. Was ich gesehen hatte, als die Tür einen Spalt offen war: Hickersberger wurde einen Meter vor mir von zwei Spielern zurückgehalten, im Hintergrund Pressechef Palme, auf einer Bank stehend, mit schreckgeweiteten Augen, und Andi Ogris, der die Tür zuschlug. Auch ein zweiter Versuch live auf Sendung ging in die »Hosn«.
»Pepi, lass mi eine!«, rief ich, mich nochmals zur Tür drängend, »i bin’s, der Peter! Bitte kann wenigstens a Spieler herkommen. Wir san noch zwei Minuten auf Sendung!« Reaktion beim Team negativ: »Danke, wir lassen euch mit dem Jubel allein. Schade, dass die Zuschauer nicht dabei sein dürfen.«
Das Einzige, was mich nach dieser skurrilen Szene ärgerte war, dass der Pepi – nachdem sich dieser Vorfall unter den Journalisten herumgesprochen hatte – erklärte: »Wenn ich gewusst hätt, dass der Peter reinwill, hätt ich ihm ja aufgemacht.« Dabei hatte er mir ja aus knapp einem Meter in die Augen geschaut.
Diese sonderbare Szene ist vielen Fernsehzuschauern im Gedächtnis geblieben, weil sie zeigt, dass es gar nicht so einfach ist »hinter die Kulissen« zu blicken, und so können Sie sich vorstellen, warum das Buch diesen Titel erhielt.
Seltsam: Hätte man uns, wie geplant, in die Kabine gelassen, kein Mensch könnte sich heute an diesen Teil der TV-Übertragung erinnern …
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Meine Lieblingsplätze
Ich hab einen Steirerhut von der Mama auf, hüpfe wie Rumpelstilzchen vor einer Wiege auf und ab und staube mir aus einer Kinderpuderdose weißen Puder auf den Hut, auf den Kopf, und singe ein selbst erfundenes Lied … drinnen in der Wiege quietscht meine fünf Wochen alte Schwester, glucksend vor Vergnügen, lacht … und ich freu mich, dass ich sie zum Lachen gebracht habe. Irgendetwas hatte Vilma kurz zuvor gequält, sie hatte andauernd geweint, und meine Mutti sagte mir, sie habe Fieber …
Das sind meine ersten Erinnerungen, wenn ich so zurückdenke – ich muss da dreidreiviertel Jahre alt gewesen sein. Ich seh alles noch genau vor mir, wie in einem Film.
Ich weiß auch noch, dass ich oft in Mamas Bett schlafen durfte, an sie gekuschelt einschlief.
In dieser Zeit habe ich an meinen Vater keine Erinnerungen – er ist an der Front, im Krieg, hat mir Mama erklärt, und dass ich daran denken solle, dass Papa gesund nach Hause kommt. Dabei zeigte sie mir ein kleines Schwarzweiß-Foto, auf dem mein Vater vor der Insel Mont St. Michel in Frankreich, in stolzer, aufrechter Haltung, mit einer Schiffer-Militärmütze auf dem Kopf, zu sehen war. Dieses Foto hab ich heute noch, aber es ist in irgendeinem Koffer, irgendwo im Abstellraum des Kellers, irgendwann abgestellt in meiner Erinnerung, und einmal in meinem Leben möchte ich an diesen Platz, möchte ihn finden – um zu verstehen, was damals geschehen ist und warum mein Vater dasteht – so stolz … und