Imperium USA. Daniele GanserЧитать онлайн книгу.
reduziert hat.
Dwight Eisenhower, der im Zweiten Weltkrieg als General die US-Streitkräfte in Europa gegen Adolf Hitler angeführt hatte und 1953 als Präsident ins Weiße Haus einzog, kannte sowohl das Militär als auch die Politik und die Rüstungsindustrie aus erster Hand. Als Insider warnte er in seiner Abschiedsrede vor dem sogenannten »militärisch-industriellen Komplex«. Eisenhower meinte damit das enge Geflecht zwischen Rüstungsindustrie, Geheimdiensten, Pentagon, Lobbys, Medien und Politik. Die Rüstungsindustrie werde stets versuchen, die Politik zu beeinflussen, um Rüstungsaufträge zu erhalten und ihre Produkte abzusetzen. Auch die Mitarbeiter des Pentagons haben ein Interesse am Krieg, weil ohne Krieg sind sie ohne Arbeit. Doch seine Warnung wurde nicht gehört. »Jobs, jobs, jobs«, twitterte US-Präsident Donald Trump, als er 2017 in Saudi-Arabien ein umfangreiches Abkommen über Waffenlieferungen im Wert von rund 350 Milliarden Dollar unterzeichnet hatte. Und als die USA dem Emirat Katar im selben Jahr F-15-Kampfjets für 12 Milliarden Dollar verkauften, twitterte der katarische Botschafter in den USA begeistert, dies schaffe »60000 neue Jobs in 42 Bundesstaaten der USA.«16
Die USA verfügen über »eine permanente Rüstungsindustrie von gewaltigen Größenordnungen«, warnte Eisenhower in seiner Abschiedsrede am 17. April 1961. »Diese Verbindung eines gewaltigen Militärapparates mit einer großen Rüstungsindustrie stellt eine neue Erfahrung in den USA dar«, betonte der abtretende Präsident und warnte, dass die Rüstungsindustrie einen dominanten Einfluss auf die Politik gewinnen könnte. »In den Gremien der Regierung müssen wir uns verwahren gegen die Inbesitznahme einer unbefugten Einmischung, ob angefragt oder nicht, durch den militärisch-industriellen Komplex. Das Potenzial für die katastrophale Zunahme deplatzierter Macht existiert und wird weiter bestehen bleiben«, so Eisenhower. Abrüstung in gegenseitigem Respekt und Vertrauen sei ein »immer noch gültiges Gebot«, so der frühere General. »Zusammen müssen wir lernen, wie wir Meinungsverschiedenheiten beilegen, nicht mit Waffen, sondern mit Verstand und in ehrlicher Absicht.«17
Die Warnung war richtig, aber sie wurde ignoriert. Als Eisenhower Präsident war, lag das Pentagon-Budget bei 50 Milliarden Dollar pro Jahr. Das Pentagon-Budget stieg auch nach der Abschiedsrede von Eisenhower von Jahr zu Jahr. Die Verbindungen zwischen dem US-Militär und der US-Rüstungsindustrie wurden immer enger. Viele hochrangige US-Offiziere wechselten nach ihrer Pensionierung als Berater in die US-Rüstungsindustrie. Immer neue Kriege verlangten nach immer neuen Produkten. Am Ende des Vietnamkriegs, den die USA 1975 als Verlierer beendeten, lagen die US-Militärausgaben schon bei 100 Milliarden Dollar pro Jahr und hatten sich somit seit der Warnung von Eisenhower verdoppelt.
Während der Präsidentschaft von Ronald Reagan überschritten die Militärausgaben vor der illegalen Invasion der kleinen Karibikinsel Grenada 1983 erstmals die Marke von 200 Milliarden Dollar pro Jahr. Damit hatte sich das Pentagon-Budget gegenüber der Zeit von Eisenhower vervierfacht. Und es wurde weiter kräftig erhöht. Schon 1986 erreichte es die schwindelerregende Höhe von 300 Milliarden Dollar pro Jahr, sechsmal mehr als zur Zeit von Eisenhower. Präsident Ronald Reagan erfüllte die kühnsten Träume der Rüstungsindustrie und stärkte dadurch den militärisch-industriellen Komplex. »Durch die amerikanische Weltmachtpolitik und ihren Rüstungbedarf wurde das Pentagon als Wirtschaftsfaktor erheblich aufgewertet«, erklärt der deutsche Politikwissenschaftler Hartmut Wasser. »Es ist nicht nur selbst Arbeitgeber, sondern auch Auftraggeber und Beschäftigungsgarant für die an der Rüstung beteiligten Unternehmen.«18
Die US-Militärausgaben sind Weltrekord
Nach dem Fall der Berliner Mauer und der Auflösung der kommunistischen Sowjetunion hofften Millionen von Menschen in der Friedensbewegung auf eine sogenannte »Friedensdividende«, also auf eine Reduzierung der Streitkräfte und einen Rückgang der Verteidigungsausgaben. Immerhin war der langjährige Feind des Pentagons nun eingebrochen, eine Reduktion der US-Militärausgaben von 300 Millarden auf 200 Milliarden pro Jahr war zumindest denkbar. Denn US-Präsident John F. Kennedy hatte einst weise gefordert: »Die Menschheit muss dem Krieg ein Ende setzen, oder der Krieg setzt der Menscheit ein Ende.«19
Doch der militärisch-industrielle Komplex wollte auch nach dem Ende des Kalten Krieges keine Budgetkürzung, und die USA traten sogar noch aggressiver auf. »In der Dekade nach dem Fall der Berliner Mauer … haben die USA ihre militärische Macht nicht nur dafür eingesetzt, um auf Krisen zu reagieren«, so der US-Historiker Andrew Bacevich. »Das Militär wurde eingesetzt, um vorzubeugen, einzuschüchtern … und zu kontrollieren. Und zwar routinemäßig und andauernd. Im Zeitalter der Globalisierung hat sich das Verteidigungsministerium endgültig in ein Ministerium der Machtprojektion verwandelt.« Das Pentagon wurde zum Angriffsministerium. Das Ziel der USA, so erkannte Bacevich, bestehe darin, »ein militäsich, politisch, ökonomisch und kulturelles Imperium von globaler Reichweite zu errichten.«20
Es ist wenig bekannt, dass die Pentagon-Buchhaltung mitunter äußerst undurchsichtig ist, was auf Korruption hinweist. Am 10. September 2001 erklärte US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in einer bemerkenswerten Rede im Pentagon, dass die Bürokratie im Verteidigungsministerium zu groß sei, und dass zu viel Geld verschwendet werde. »In diesem Gebäude verschwindet das Geld in Aufgaben, die doppelt ausgeführt werden, und einer aufgeblähten Bürokratie«, kritisierte Rumsfeld. Das Verteidigungsministerium habe 660000 zivile Angestellte und 1,4 Millionen Soldaten im Aktivdienst, dazu noch eine Million Milizsoldaten in der Nationalgarde. Jeder Dollar, der in der Bürokratie verschwinde, fehle den Soldaten an der Front, klagte Rumsfeld. Einsparungen von 18 Milliarden pro Jahr seien durchaus möglich, aber das Umsetzen eines Sparprogramms sei schwierig. »Eine Institution, die mit Billionen von Dollars über die lange Zeit von mehreren Dekaden aufgebaut wurde, lässt sich nicht im Handumdrehen verändern«, mahnte Rumsfeld. »Einige sagen, das sei, wie wenn man ein Kriegsschiff wendet. Ich glaube, es ist noch schwieriger.«21
In einem Bericht der BBC über die Rede von Rumsfeld steht der erstaunliche Satz, dass »Transaktionen im Umfang von 2,3 Billionen Dollar nicht nachverfolgt werden können«. Das ist eine sehr große Summe und hätte weltweit für Schlagzeilen sorgen müssen. Wer sich die Rumsfeld-Rede im Internet anhört, stellt fest, dass Rumsfeld auf Englisch von unauffindbaren »2,3 Trillions« sprach. Das sind im Deutschen 2,3 Billionen oder 2300 Milliarden Dollar, was dem mehrfachen Jahresbudget des Pentagons entspricht. Rumsfeld meinte vermutlich nicht, dass sich dieses Geld in Luft aufgelöst hatte, aber dass gemäß einer internen Buchprüfung im Pentagon viele Transaktionen nicht den Standards einer sauberen Buchhaltung genügen. Rumsfeld klagte: »Wir können in diesem Gebäude nicht einmal Informationen zwischen den Stockwerken austauschen, weil die Informationen auf dutzenden verschiedenen technischen Systemen gespeichert sind, die untereinander nicht kompatibel sind. Wir haben etwa 20 Prozent zu viel Infrastruktur für das, was wir brauchen, um unsere Streitkräfte zu unterstützen, was den Steuerzahler etwa drei bis vier Milliarden Dollar pro Jahr kostet.«22
Am Tag nach der Rumsfeld-Rede ereigneten sich die Terroranschläge vom 11. September. Von Budgetkürzungen war plötzlich keine Rede mehr. Auch wurde nie geklärt, was mit den 2300 Milliarden geschehen war. Vielmehr wurden die Militärausgaben mit der neuen Begründung »Terrorbekämpfung« weiter erhöht. 2001, im Jahr der Terroranschläge, betrugen die Militärausgaben 316 Milliarden Dollar. Im Jahr 2002 kletterten sie auf 345 Milliarden Dollar. Im Jahr 2003, als die USA den Irak angriffen, überstieg das Pentagon-Budget erstmals die Marke von 400 Milliarden Dollar. 2005 schließlich lagen die Militärausgaben bei 478 Milliarden Dollar. Jedes Jahr kamen einige Milliarden dazu. Die Begründung lautete stets: Krieg gegen den Terror. Im Jahr 2006 lagen die Ausgaben schon bei 534 Milliarden, und im Jahr 2007 wurde erstmals die magische Marke von 600 Milliarden Dollar erreicht. In den sechs Jahren nach 9/11 hatte sich das Pentagon-Budget verdoppelt. Für den militärisch-industriellen Komplex war 9/11 ein Glücksfall.23
Es ist interessant, genauer hinzuschauen, für was das US-Imperium im Jahr 2015 die große Summe von 600 Milliarden Dollar ausgab. Für den sogenannten »Krieg gegen den Terror« im Irak, in Syrien und Afghanistan wurden 64 Milliarden Dollar oder rund zehn Prozent des Jahresbudgets ausgegeben. Gleich viel wurde in Forschung und Entwicklung investiert. Für fast 100 Milliarden