Liebe und Schicksal im Adelshaus: 6 Romane Sammelband. Alfred BekkerЧитать онлайн книгу.
war und ritt es im gemäßigten Trab über die befestigten Wege, die die Schloss Eichenbach umgebende Parklandschaft durchzogen. Schließlich ließen sie das erhrfurchtsgebietende Schloss hinter sich, ritten über weite Wiesen und durch kleine Waldstücke hindurch, die ebenfalls noch zum Besitz des Fürsten von Eichenbach zählten. Es waren gut gepflegte Forstwälder, deren Erhalt besonders Fürst Friedrich am Herzen lag, wie Wilfried berichtete.
Schließlich erreichten sie einen idyllisch gelegenen Teich.
Dort stiegen sie ab. Das Sonnenlicht glitzerte im Wasser.
Das Quaken von Fröschen mischte sich mit den Geräuschen der Wasservögel.
"Man hat hier das Gefühl sehr weit weg von allem zu sein", murmelte Susanne, nachdem sie dem Konzert der Natur eine Weile lang gelauscht hatte.
Wilfried nickte. Er legte zärtlich einen Arm um sie.
Und Susanne ließ es geschehen.
"Ja", sagte er dann. "Wenn ich nachdenken muss, dann komme ich oft hier her..."
"Das kann ich gut verstehen..."
"Aber diesmal bin ich nicht deswegen hier", erklärte Wilfried.
Susanne sah ihn erstaunt an.
"Weshalb hast du uns dann hier her geführt?"
"Weil ich denke, dass dies der richtige Ort ist..."
"Der richtige Ort wofür?"
Wilfried griff in die Innentasche seiner Reiterjacke und holte ein kleines Kästchen hervor. Es war in schlichtem blauschwarzem Samt eingeschlagen.
"Das ist für dich", sagte er und gab es ihr. Etwas zögernd ergriff sie das Kästchen. Es ließ sich leicht öffnen. Darin blinkte ihr ein goldener Ring entgegen. Der eingefasste Stein schimmerte rötlich. Er war klein und dezent, wirkte in keiner Weise protzig, sondern sehr elegant. Der Ring selbst war mit kunstvollen Gravuren versehen.
Susanne steckte ein Kloß im Hals. Sie war unfähig, auch nur eine einzigen Ton herauszubringen, so gerührt war sie.
Wilfried nahm den Ring aus dem Kästchen heraus und steckte ihn ihr an den Ringfinger der linken Hand.
"Dies ist ein kleines Zeichen meiner Liebe", sagte er. "Ich möchte, dass wir für immer beisammen bleiben. In guten und in schweren Zeiten..."
Susanne konnte nichts gegen die Tränen machen, die ihr über die Wangen liefen. Sie schlang ihre Arme um ihn, und er drückte sie zärtlich an sich.
14
"Du bist so schweigsam", stellte Wilfried fest, als sie sich schon auf dem Rückweg befanden. Sie ließen die Pferde im langsamen Schritt gehen. Beide hatten sie keine Eile, sich den in der Ferne aufragenden Mauern von Schloss Eichenbach allzu schnell zu nähern.
Den Ring trug Susanne am Finger. Die Sonne ließ den Stein funkeln.
"Ich möchte dich etwas fragen, Wilfried", brachte Susanne schließlich heraus.
"Nur zu", erwiderte dieser.
"Hast du diese Lisa Reindorf sehr geliebt?"
"Ich wollte, dass sie meine Frau wird", erklärte er. Ihre Blicke trafen sich. Dann ging ein Lächeln über sein Gesicht.
"Ich bin deiner Frage ausgewichen", gab er dann zu.
"Aber das war nicht richtig. Nach allem, was geschehen ist, hast du das Recht auf eine ehrliche, vorbehaltlose Antwort. Auch, wenn es mir nach wie vor schwerfällt, darüber zu reden." Ein Schatten fiel über Wilfrieds Gesicht. Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: "Ich habe Lisa geliebt. Und lange Zeit konnte ich es kaum verwinden, sie verloren zu haben... Sie wurde einfach aus meinem Leben gerissen. Jedenfalls habe ich das so empfunden. Oft habe ich mich gefragt, wo sie wohl sein mag. Was wohl aus ihr geworden ist... Besonders belastete mich die Tatsache, dass wir einen ziemlich heftigen Streit hatten, als wir uns zum letzten Mal sahen..."
"Und du hast wirklich keine Ahnung, wo sie geblieben ist?"
"Ich erhielt nie wieder eine Nachricht von ihr. Es scheint, als habe sie damals alle Verbindungen zu ihrem früheren Leben abgebrochen."
"Wollte sie nicht zu einer Freundin in Köln?"
"Möglich, aber dort ist sie nie aufgetaucht. Jedenfalls nicht meines Wissens..." Er sah sie an. seine Augenbrauen zogen sich etwas zusammen. Dann seufzte er. "Wie kann ich dich nur überzeugen, Susanne..."
"Aber..."
"Nein, widersprich mir nicht", unterbrach er sie, noch ehe sie ihren Satz auch nur halbwegs hatte beginnen können.
"Christianes Gift hat seine Wirkung gründlich getan. Du denkst noch immer darüber nach, ob ich nicht doch etwas mit Lisas Verschwinden zu tun haben könnte. Vielleicht willst du dir diese Zweifel nicht einmal selbst eingestehen. Aber sie sind da. Ich sehe sie in deinen Augen, ich höre sie in deinen Fragen mitschwingen... Du kannst es nicht leugnen. Nicht, wenn du so ehrlich zu dir selbst bist, wie ich es zu dir bin..."
"Wilfried..."
Susanne fühlte sich unbehaglich. Ihr Hals war wie zugeschnürt. Sie atmete schwer. Was sollte sie ihm sagen? Hatte er nicht recht? Hatte er nicht mit großer Klarsicht genau das in Worte gefasst, was in ihrem Inneren vorging?
"Ich habe Lisa Reindorf nicht umgebracht", erklärte Wilfried unterdessen. "Und damit du siehst, das an Christianes Behauptungen nichts - aber auch wirklich gar nichts! - dran ist, möchte ich, das du mit mir in die unterirdischen Verliese von Schloss Eichenbach steigst. Damit du siehst, dass es dort unten keinerlei Beweise für Christianes Verdächtigungen gibt..."
Susanne schüttelte den Kopf.
"Nein", sagte sie sehr schnell und sehr entschieden. "Ich möchte auf keinen Fall noch einmal dort hinabsteigen... Mein letzter Aufenthalt dort unten verfolgt mich jetzt noch hin und wieder bis in meine Träume..."
"War es so schlimm?"
"Ja."
"Aber ich wäre bei dir... sieh dir an, was dort unten ist. Ich glaube, dass dir das helfen wird..."
"Nein!", erwiderte Susanne etwas heftiger, als sie es eigentlich geplant hatte. Dann schränkte sie ein: "Vielleicht später..."
"Du solltest noch einmal darüber nachdenken, Susanne..."
"Vielleicht... Aber fürs erste werden mich keine zehn Pferde dazu bekommen, noch einmal diese finsteren Gänge zu betreten..."
15
Sie ritten zurück zum Schloss.
Nachdem der Stallbursche ihnen die Pferde abgenommen hatte, standen sie sich gegenüber und ihre Blicke verschmolzen für einige Momente miteinander.
Wilfried lächelte.
"Du bist eine viel bessere Reiterin, als du mich hast glauben machen wollen..."
"Und du weißt genau, wann eine Frau ein Kompliment hören möchte!"
Wilfried nahm ihre Hand.
"Ich habe diesen Ausritt sehr genossen."
"Das habe ich auch", erwiderte Susanne. "Auch wenn ich morgen wahrscheinlich schrecklichen Muskelkater in den Oberschenkeln haben werde..."
Wilfried nahm jetzt auch ihre andere Hand. Sein Blick wurde etwas ernster. "Ich bin in meinem Leben noch nie so glücklich gewesen, wie seit dem Tag, als du auf Schloss Eichenbach eintrafst. Um ehrlich zu sein, ich könnte mir ein Leben ohne dich kaum noch vorstellen, Susanne... Und ich werde dich nicht wieder gehen lassen!"
Susanne zuckte bei dieser letzten Bemerkung förmlich zusammen. Die Gedanken rasten nur so durch ihren Kopf. Es ist nur ein freundliches Kompliment, sagte die eine Stimme in ihr. Ein Kompliment, das nicht mehr und nicht weniger besagen soll, als dass du die Frau seines Lebens bist.