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Pistengeier: Berlin Turbo #9. Glenn StirlingЧитать онлайн книгу.

Pistengeier: Berlin Turbo #9 - Glenn Stirling


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      „Nächstens hältst du mehr Abstand!“, knurrte Klaus. „Du kannst doch nicht so dahinrauschen und dann auf die Bremse springen wie ein Hirsch!“

      „Hat der doch vor mir getan, was sollte ich machen? Wär’s dir lieber, ich wäre ihm draufgeknallt?“

      Klaus sagte nichts, machte die Tür auf, und es kam kalt herein. Er stieg aus, blickte nach vorn. Rücklichter, soweit das Auge reichte.

      Plötzlich stutzte er. Zwei Überholspuren, dachte er, alle voll PKW. Aber das war es nicht, nicht die PKW störten ihn, drei Spuren.

      „Hei“, rief er nach oben, „wo sind wir?“

      „Auf dem Weg, wo sonst!“, rief Paul von oben.

      „Du verdammter Arsch“, brüllte Klaus, „das ist die Autobahn nach München!“ Er stieg wieder ein. „Du Blödmann, wir wollen nach Frankreich und Spanien, und du fährst nach München! Hast du in Nürnberg gepennt? Wo sind wir hier überhaupt, was war die letzte Abfahrt, die du gesehen hast?“

      „Ja“, meinte Paul und kratzte sich am Kinn, „Greding, glaube ich.“

      „Greding!“, stieß Klaus hervor. „Das darf doch alles nicht wahr sein! In meinem Kopf ist ein Spukschloss, das gibt es doch überhaupt nicht! Fährt der an Nürnberg vorbei nach München! Menschenskind, du hättest Richtung Heilbronn fahren müssen. Kennst du denn die Strecken nicht? Und mir hast du erzählt, du bist die ganze Zeit auf dem Bock herumgekurvt, weißt überall Bescheid. Ich habe dich noch an der Grenze gefragt, ob du die Strecke kennst, da hast du ja gesagt. Und ich Idiot lege mich pennen! Und wir fahren jetzt wieder zurück, stecken aber erst einmal in diesem verdammten Stau! Mensch, ich könnte dich erschlagen!“

      „Das ist ja alles so verwirrend, das soll einer begreifen, diese schwachsinnigen Schilder alle! Und überhaupt, über München ist es ja kürzer.“

      „Jetzt wird der Hund in der Pfanne verrückt“, meinte Klaus. „Mensch, wenn ich das Rolli erzähle, der flippt glatt aus. Über München kürzer! Kannst du das Wort Landkarte überhaupt buchstabieren? Da oben steckt eine, sieh sie dir mal an, du Spinner! Über München kürzer! Vielleicht, wenn du nach Wien willst oder nach Innsbruck oder nach Italien. Wir wollen aber nicht nach Italien, verdammt noch mal. Wir wollen nach Spanien, und da geht es nun mal über Mühlhausen, das ist die Autobahn Karlsruhe - Basel. Und wenn wir zu der hin wollen, verdammt noch mal, müssen wir über Nürnberg und Heilbronn fahren!“

      Paul kratzte sich am Kopf, zog die Landkarte heraus, als wollte er Klaus nachweisen, dass der unrecht hatte. Aber dann sah er wohl selbst, wie es mit seiner kürzeren Strecke über München aussah.

      „An Greding bist du vorbei, wie lange ist das her?“, wollte Klaus wissen.

      „Noch nicht lange“, behauptete Paul.

      „Dann ist Altmühltal die nächste“, überlegte Klaus laut. „Dann müssen wir in Altmühltal runter und auf die andere Seite und wieder zurück. O Heimatland!“

      „Dann wäre es ja besser“, meinte Paul, „wir fahren durch und nehmen die Stuttgarter Bahn von München aus.“

      „Ach, die kennst du wohl?“ Klaus hätte diesen Paul zusammenschlagen können. So ein Schwachkopf!, dachte er. Fährt Richtung München. Und ich Penner lege mich hin und schlafe, bilde mir ein, dass dieser verdammte Hirsch die Strecke kennt. Autobahn, jedes Kind weiß da Bescheid! Und der fährt mit unserem Zug Richtung München. Greding, das ist schon der halbe Weg zwischen Nürnberg und Ingolstadt. Nun fahren wir noch bis Altmühltal, dann wieder zurück. Ist aber immer noch besser, als über München zu fahren. Und jetzt stecken wir im Stau. Nichts geht mehr. O Heimatland, o Heimatland!

      Nach etwa zehn Minuten bewegte sich etwas, nicht weit, dann stand wieder alles. Dann ruckte es wieder ein Stück.

      „So, Sportsfreund, jetzt will ich dir was sagen“, erklärte Klaus. „Wenn der ganze Mist wieder in Bewegung kommt, fährst du die nächste Ausfahrt herunter, drüben auf der anderen Seite wieder drauf und zurück.“

      „Mach dir nicht gleich in die Hosen! Du brauchst das doch nicht zu bezahlen, das bisschen Sprit.“

      „Das bisschen Sprit, du Heini! Das ist doch nicht bloß der Sprit! Die Zeit, es ist doch unsere Zeit!“

      „Du kriegst dein Geld doch auch, wenn du lange unterwegs bist.“

      „Es ist eine Terminfracht, begreifst du das nicht?“

      „Allmählich“, meinte Paul, „geht mir das Ganze auf den Keks hier. Du führst dich auf wie der große Zampano. Wer bist du denn? Du bist genauso ein Fahrer wie ich, und jeder kann mal einen Fehler machen. Aber du tust, als wenn ihr dazugehört. Heißt du vielleicht auch Schalupke? Oder hast du was mit der Chefin?“

      „Rede ruhig weiter“, meinte Klaus ganz ruhig. „Rede weiter, und du wirst gleich eine in die Fresse bekommen. Das ist genau die Sprache, die ich am meisten liebe, solche Sprüche.“

      Schließlich bewegte sich der Zug vor ihnen wieder, und diesmal blieben sie am Rollen, wenn auch sehr langsam. Erst Schritttempo, dann etwas schneller, und schließlich löste sich der Stau auf. Im Vorbeifahren sahen sie auch die Ursache. Ein Lieferwagen war einem LKW hinten aufgefahren.

      „Und dafür das Theater“, murmelte Klaus. „Auf drei Spuren alles zu, weil einer auffährt.“

      Altmühltal tauchte auf.

      „Nichts wie runter hier und auf die andere Seite!“, sagte Klaus.

      Als sie wieder auf der anderen Seite auf die Autobahn kamen, sagte Klaus: „Jetzt fährst du noch bis Greding, da ist eine Erfrischungsrast, da hältst du. Aber fahr da bloß langsam runter und wirf mir nicht noch den Zug um. Jetzt kommt es auf die paar Minuten auch nicht mehr an. Was ich brauche, ist ein Kaffee, und anschließend fahre ich.“

      Paul meinte kleinlaut: „Es tut mir leid, verdammt noch mal, es tut mir wirklich leid, aber ... Es ist eben passiert. Du brauchst doch nicht so ein Theater zu machen. Ich bin eben auch müde.“

      „Du kannst nachher pennen bis zum Gehtnichtmehr“, meinte Klaus. „Ich will bloß noch den Kaffee haben.“

      In Greding hielten sie an der Erfrischungsrast. Sie tranken ihren Kaffee, und am liebsten wäre Klaus rausgelaufen und hätte den Zug angeheizt und wäre davongefahren - ohne Paul. Aber das kann man natürlich nicht machen, sagte er sich. Einem so einen Armleuchter auf den Bock zu setzen, ist schon ein starkes Stück. Vielleicht sollte ich in Berlin anrufen. Aber die pennen ja längst.

      Nach der Rast fuhr Klaus. Dass er dieselbe Strecke wieder zurückfahren musste, sie also ein ganzes Stück völlig umsonst gefahren waren, versetzte ihn immer wieder aufs Neue in Wut. Auch als er längst in Nürnberg auf die richtige Autobahn gefahren war und sich nun Richtung Heilbronn bewegte, wurde er seinen Zorn auf Paul und dessen Unfähigkeit nicht los. Paul hatte sich hinten in die Koje gelegt und schlief. Er schnarchte. Er schnarchte sogar laut.

      Ohne Rücksicht auf Paul drehte Klaus das Radio an. Und er ließ es so spielen, dass auch Paul etwas davon hatte. Aber das störte den nicht. Der schnarchte mit der Musik im Duett.

      Der richtige Penner. Wirklich ein richtiger Penner, dachte Klaus. Aber so allmählich verrauschte die Wut. Er schien Paul regelrecht vergessen zu haben. Der Magirus schnurrte, die Reifen rauschten, alles lief nach Plan. Allmählich konnte er etwas von der Verzögerung aufholen, und es rollte auch gut. Kein Stau, nichts. Er drehte auf.

      Hinter ihm schnarchte Paul noch immer. Er schien sämtliche Wälder zwischen der Lüneburger Heide und dem Bayrischen Wald abholzen zu wollen. Klaus hatte sich daran gewöhnt.

      Dann, hinter Heilbronn, wurde der Verkehr etwas dichter, aber noch immer ging es gut. Schließlich stieß er auf die A5 und rauschte Richtung Basel ab. Hier war ganz wenig los. Klaus hätte jubeln können vor Freude. Manchmal war so wenig Betrieb, dass er Fernlicht aufmachen konnte und einige Male fast zehn Minuten lang hintereinander. Von Süden kam so gut wie gar nichts rauf, und was von Nord nach Süd rollte, war auch nicht allzu viel.


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