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Weltklasse. Oliver GritzЧитать онлайн книгу.

Weltklasse - Oliver Gritz


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aus, dieses Leben in unveränderter Form bis ans Ende ihrer Tage so fortzusetzen.

      Ich hingegen war ein junger Mann auf der Durchreise. Ich wollte international arbeiten und gestalten. Viele Dinge, die ich während meiner drei Ausbildungsjahre beobachtete, bedurften meines Erachtens dringender Verbesserungen. Häufig kam es z.B. vor, dass neugewonnene Kunden nach kurzer Zeit wieder verloren gingen. Grund hierfür waren in vielen Fällen Servicemängel, die sich relativ einfach hätten vermeiden lassen. Es hätte lediglich einer höheren Sorgfalt des Personals bzw. etwas intelligenterer und vorausschauender Führung des Managements bedurft. Das Management dachte jedoch nicht in Prozessen und war mehr mit der Bewältigung von Krisen als der Planung einer besseren Zukunft beschäftigt. Das Personal bestand zudem vielfach aus billigen Hilfskräften anstatt aus loyalen, sorgfältig arbeitenden Langzeitbeschäftigten. Es gab viel zu viele Personalwechsel und immer wiederkehrende Krisen, die niemals richtig aufgearbeitet wurden. Außerdem war der Einsatz der Informationstechnologie nach meinem Dafürhalten ungenügend. Ich betreute zum Beispiel eine Zeitlang den nationalen Bahnverkehr. Den gesamten Prozess hierfür musste ich vollkommen manuell ausführen, d.h. ich musste für jeden Auftrag eine physische Akte anlegen. Den Speditionsauftrag und den Bahnfrachtbrief füllte ich mit einer mechanischen Schreibmaschine aus. Zur Rechnungsstellung musste ich auf die Eingangsrechnung der Bahn warten. Die Kundenrechnung tippte ich am Ende des Monats ebenfalls mit der mechanischen Schreibmaschine. Zuletzt musste ich den abgerechneten Umsatz, die für den Transportauftrag angefallenen Kosten und den sich daraus ergebenden Bruttonutzen auf die Akte schreiben und diese zur Weiterverarbeitung an die Buchhaltung geben. Selbst Ende der achtziger Jahre war dies ein vollkommen veralteter und unproduktiver Prozess. Alles in allem sah ich in diesem Unternehmen und der Speditionsbranche insgesamt ein riesiges Verbesserungspotential.

      Es irritierte und frustrierte mich, dass keiner meiner Kollegen und Vorgesetzten meine Meinung teilte. Sie empfanden die Verhältnisse, die sie vorfanden, als vollkommen normal und hatten lediglich das Ansinnen, sich so gut sie konnten darin durchzuwursteln. Ich aber wollte mein Leben weder untätig und abwartend, noch als ewiger aber unwirksamer Kritiker verbringen. Deshalb entschloss ich mich, die Universität aufzusuchen und meiner Ausbildung einen umfassenden theoretischen Background zu geben.

      Zur Auswahl der Universität reiste ich eine Woche durch Bayern und schaute mir diverse Universitäten an. Am Ende entschied ich mich für die damals relativ neue Universität in Passau, weil diese meine bevorzugte Fächerkombination aus Unternehmensrechnung und Steuern anbot und außerdem eine sehr gute Fremdsprachenausbildung im Angebot hatte, von der ich zusätzlich zum Studium profitieren wollte. Den Elan meiner abgeschlossenen Berufsausbildung nahm ich mit ins Studium. Er hielt etwa 6 Monate an.

      Dann nahm mich das System des Studienbetriebs in Gefangenschaft. Ich fühlte mich in meine Schulzeit zurückversetzt. Plötzlich musste ich wieder Sitzen, Zuhören, abstrakte Inhalte, fehlenden praktischen Bezug und dünkelhafte Professoren ertragen, die vorgaben die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Viel Beschäftigung mit heißer Luft wie z.B. Kurvendiskussionen über Konjunkturzyklen.

      Ich schleppte mich dennoch bis zum Ende durch. Um mich etwas aufzuheitern und mir Inspiration und Abwechslung zu verschaffen, verlängerte ich das Studium um ein Semester und machte ein längeres Praktikum in den USA. Weil ich zu der Zeit erwog, den Beruf des Wirtschaftsprüfers / Steuerberaters anzustreben, führte ich das Praktikum bei ‚Deloitte and Touche‘, einem der weltweit größten Wirtschaftsprüfungsunternehmen in Philadelphia durch. Die Arbeit dort war allerdings an Langeweile nicht zu überbieten. Ich konnte es mir unmöglich vorstellen, meine Berufsjahre damit zu verbringen, den ganzen Tag Zahlenkolonnen auf endlosen Listen durchzugehen und abzuhaken. Nach dreißig Minuten solcher Arbeit fielen mir die Augen zu. Entsprechend schlecht fiel mein Arbeitszeugnis aus, womit meine „Karriere“ als Wirtschaftsprüfer zu Ende war. Ein Gutes hatte meine Zeit in den USA aber dennoch. Während des Praktikums hatte ich Catherine kennengelernt. Sie stammte aus Mercerville, New Jersey und war Leiterin eines Prüfungsteams, dem ich zugeteilt wurde. Mir gefielen ihr Humor, ihre gelassene Art und ihre Bereitschaft, sich mit mir auf lange Gespräche einzulassen. Sie war sehr belesen und hatte große Teile der Welt bereist. Wir hatten während der Zeit meines Praktikums viel Spaß zusammen und verliebten uns ineinander.

      Die gute Zeit auf dem Campus der Universität von Pennsylvania lud mich mit ausreichend Energie auf, um nach der Rückkehr das letzte Jahr meines Universitätsstudiums hinter mich zu bringen. Im Juni 1992 besuchte mich Catherine für mehrere Monate in Deutschland. Sie hatte ihren Job bei ‚Deloitte and Touche‘ aufgegeben und ein MBA-Studium an der Georgetown Universität in Washington DC angefangen. Dort hatte sie begonnen, die deutsche Sprache zu erlernen. Im Sommer / Herbst 1992 verschlug sie ein Austauschsemester in die Nähe von Koblenz und wir konnten uns oft sehen und unsere Beziehung vertiefte sich. Ich hatte die Frau fürs Leben gefunden. Wir heirateten im Dezember 1992. Fehlte nur noch der passende Beruf.

      Ich entschied mich für eine Rückkehr ins Transportgewerbe. Da herrschte Action und es gab Gestaltungsmöglichkeiten. Außerdem bestand dort, wie ich während meiner praktischen Ausbildungszeit erkennen durfte, ein großes Verbesserungspotential. Die Jobsuche gestaltete sich relativ einfach. Ein marktführender Speditionskonzern in der Schweiz suchte händeringend nach jungen Menschen mit meinem Profil für den Aufbau eines modernen Konzernrechnungswesen und Controlling. Dieses Anforderungsprofil entsprach haargenau meiner Berufsausbildung. Der angebotene Job war außerdem für deutsche Verhältnisse außerordentlich gut dotiert. Ich schlug ein und unterschrieb ein dreiviertel Jahr vor Abschluss meines Studiums meinen Arbeitsvertrag. Hatte ich bei meinem Ausbildungsbetrieb resigniert, fühlte ich mich nun stark und fähig genug mich dieser Herausforderung der Modernisierung zu widmen. Hier schien mein Platz zu sein. Hier würde ich den besten Beitrag für das Unternehmen leisten können.

       Mein Beruf

      Am 2. August 1992 trat ich in Basel meine Stelle beim damals größten Schweizer Logistik- und Speditionskonzern an. Aus heutiger Sicht kann man dieses Unternehmen als größeren Mittelständler bezeichnen. Der Konzernumsatz betrug ca. 6 Milliarden Schweizer Franken, der von 16.000 Beschäftigten in 42 Ländern erwirtschaftet wurde. Die Kultur des Unternehmens war bodenständig und familiär.

      Allerdings herrschte an vielen Stellen dringender Modernisierungsbedarf. So verfügte das Unternehmen bei meinem Eintritt noch über kein funktionierendes Controlling und über keine Konzernrechnungslegung. Das Schweizerische Obligationenrecht forderte die Veröffentlichung einer konsolidierten Konzernrechnung, d.h. einer zusammenfassenden Rechnungslegung sämtlicher zum Konzern gehörenden Gesellschaften, von Schweizer Kapitalgesellschaften erst ab dem Geschäftsjahr 1993. Deshalb musste das Unternehmen 1992 mit Volldampf daran arbeiten, diesen Auflagen zu entsprechen.

      Ich begann meine Arbeit in Basel mehr oder weniger zeitgleich mit zwei weiteren Kollegen. Der Zufall wollte es, dass wir uns wunderbar verstanden.

      Wir ergänzten uns in unseren Stärken, waren alle ehrgeizig und fleißig und bildeten ein starkes Team.

      Die Zusammenarbeit mit diesen Kollegen gehört bis heute zu den besten Team-Erfahrungen meines Lebens. Mit den Kollegen, die schon etwas länger in der Abteilung arbeiteten, kam ich ebenfalls gut zurecht. Die Abteilung wurde angeführt von einem extrem ehrgeizigen Konzernfinanzvorstand, einem Mitvierziger, der vor wenigen Jahren von der Konkurrenz abgeworben worden war. Er hatte klare Vorstellungen, was er in seinem Bereich erreichen wollte. Der Handlungsdruck, in dem sich das Unternehmen befand, mit unbedingtem Zwang, einen konsolidierten Konzernabschluss hinzubekommen, verschaffte dem Konzernfinanzvorstand eine gewaltige Macht.

      Die Finanzen diktierten zu dieser Zeit das Geschehen der Firma. Unsere ehrgeizige junge Truppe kam ihm in diesem Zusammenhang gerade recht. Wir alle erkannten die Chance des Augenblicks und arbeiteten wie die Verrückten. Bis spät in die Nacht und an Wochenenden. Morgens telefonierten wir mit den Finanzchefs unserer Tochtergesellschaften in Asien und am Abend mit der amerikanischen Westküste, wo sich unsere Nordamerika-Zentrale befand. Um den Konzern über die Anforderungen des neuen Finanz- und Controlling Systems zu informieren, richteten wir weltweit Seminare auf Englisch, Deutsch und Französisch aus. So umrundete ich bereits im ersten Jahr meiner Einstellung den gesamten Globus. Am Ende dieser gut zwei Jahre dauernden Periode stand ein Konzernrechnungswesen und ein Konzerncontrolling,


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