Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung. Alfred BekkerЧитать онлайн книгу.
boßelt hier, das ist nichts Besonderes."
"Trotzdem ungewöhnlich, so ein 'Sportgerät' oder wie immer man das auch bezeichnen mag, mit ins Segelboot zu nehmen. Finden Sie nicht?"
"Was weiß ich!"
Er zuckte die Achseln.
Lorant holte den Artikel über den Toten in Oldenburg-Huntetal aus der Innentasche seines Jacketts und hielt ihn Ubbo hin. Ubbo nahm den Ausschnitt, las den Artikel durch. Lorant studierte dabei jede Regung im Gesicht seines Gegenübers. Manchmal waren Gesichter wie offene Bücher. Wie Fenster zur Seele. Aber das Gesicht von Ubbo Sluiter gehörte leider nicht dazu. Es blieb ziemlich ausdruckslos. Schließlich reichte Ubbo Lorant den Artikel zurück.
"Worauf wollen Sie hinaus?"
"Sehen Sie nicht die Parallele?"
"Die Boßel-Kugel bei der Leiche."
"So ist es."
"Meinen Sie, die beiden Fälle haben was miteinander zu tun?"
Lorant zuckte die Achseln und steckte das Zeitungsstück wieder ein. Er machte ein unbestimmtes Gesicht. "Weiß ich noch nicht!", meinte er. "Vielleicht kann man das beantworten, wenn die Identität des Opfers in Oldenburg bekannt wird."
"Dürfte nicht so leicht sein..."
"Das stimmt."
Ein Wagen fuhr indessen auf den Parkplatz vor dem Sluiter'schen Geschäft. Entweder handelte es sich um den zweiten Angestellten oder den ersten Kunden. Lorant humpelte hinaus. Hoffentlich kann ich überhaupt Auto fahren!, durchfuhr es ihn. Es war schon ein paar Jahre her, dass ihm der Ischias das letzte Mal Ärger gemacht hatte.
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15.
Als nächstes fuhr Lorant zur Praxis von Dr. Purwin in Moordorf.
Als Lorant der Sprechstundenhilfe in knappen Worten sein Problem schilderte, war die junge Frau noch sehr freundlich, auch wenn ihr sanftes Dauerlächeln etwas von der Verkrampftheit eines Stewardessen-Gesichts hatte. Noch ist sie jung, dachte Lorant. Noch kriegt sie keine Falten davon.
Aber in zwanzig Jahren würden sich die entsprechenden Lachfalten als harte Furchen in ihr Gesicht hineingemeißelt haben.
Zu Lorants Überraschung bekam das Gesicht der schönen Lächlerin schon viel früher eine Falte, und zwar mitten auf der Stirn. Sie erschien exakt in dem Moment, in dem Lorant ihr seine Chip-Karte der Barmer Ersatzkasse auf den Tresen legte.
"Eigentlich behandeln wir hier vorwiegend Privat-Patienten", sagte sie.
"Schön, dass Sie mich trotzdem dazwischen nehmen", erwiderte Lorant.
Ihr Blick, mit dem sie die Karte betrachtete, schien zu sagen: Wenigstens nicht AOK!
"Wenn Sie noch einen Moment im Wartezimmer Platz nehmen würden."
"Sicher."
Lorant wusste, was Arzthelferinnen unter 'einem Moment' verstanden. Der Vormittag war gelaufen.
Zu Lorants großer Überraschung dauerte seine Wartezeit tatsächlich nur einen Moment. Der Arzt war ein hagerer, etwas jungenhaft wirkender Mann von schwer zu schätzendem Alter. Jemand von der Sorte, die nach spät einsetzender und lang andauernder Pubertätsphase sogleich ins Seniorenalter übertritt. Die Phase dazwischen wird einfach ausgelassen. Typ Günter Jauch, dachte Lorant.
"Ja, dann wollen wir mal sehen", sagte Dr. Purwin, nachdem Lorant ihm seine Beschwerden geschildert hatte. Purwin rollte dabei mit seinem Bürostuhl herum, was Lorant irgendwie nervös machte. Mit ein paar sicher und gekonnt wirkenden Handgriffen hatte er Lorants Eigendiagnose bestätigt: Ischias. "Kommen Sie regelmäßig zur Reizstrombehandlung, bis es weg ist. Außerdem gebe ich Ihnen eine Spritze."
"Gut."
Nachdem Lorant seine Spritze bekommen hatte, drückte Purwin ihm noch immerhin so kräftig gegen den Oberkörper, dass der Detektiv aufschrie.
"Bauchprellung würde ich sagen. Haben Sie eine Schlägerei hinter sich?"
"Ich bin ein friedlicher Mensch."
"Ich habe ja auch nicht gesagt, dass SIE geschlagen haben, Herr..."
"Lorant."
"Ja, genau."
"Ich war nur etwas ungeschickt", meinte Lorant. Und irgendwie war das ja auch noch nicht einmal eine richtige Lüge.
"Naja, wie auch immer... Zur Reizstrombestrahlung können Sie kommen, wann Sie wollen. Wie Sie vielleicht bemerkt haben, gibt es bei uns auf Grund guter Organisation kaum Wartezeiten..."
"Ja, das ist beachtlich."
"Auf Wiedersehen, Herr Lorant."
Schon diese Abschiedsformel entlarvte Purwin als Zugezogenen. Und zwar als einen, der noch nicht allzu lange hier in dem zwischen Emden und Aurich gelegenen Moordorf praktizieren konnte. Maximal fünf Jahre, schätzte Lorant. Es war für eine Art Sport, so etwas zu schätzen. Allerdings wusste er nur zu gut, dass man sich da sehr täuschen konnte, insbesondere was die Geschwindigkeit anging, mit der eine sprachliche Anpassung vor sich ging. Henry Kissinger sprach beispielsweise auch nach mehr als einem halben Jahrhundert in den USA immer noch ein Englisch mit deutschem Akzent.
"Vielleicht hätten Sie noch einen Moment Zeit für mich", forderte Lorant. "Ich bin Privatdetektiv und ermittle im Mordfall Gretus Sluiter. Durch die Empfehlung von Herrn Sluiter junior bin ich übrigens auf Ihre Praxis gekommen..."
"Ah ja..." Purwins Gesicht wurde dunkelrot. Er holte tief Luft und setzte zu einer Erwiderung an.
"War Gretus Sluiter eigentlich auch bei Ihnen in Behandlung - so wie sein Sohn Ubbo?"
"Jetzt hören Sie mir mal gut zu!", begann Dr. Purwin, wobei er seinen Zeigefinger wie ein Messer durch die Luft wirbelte. "In dieser Praxis werden vorwiegend chronische Krankheiten behandelt. Die Menschen kommen zum Teil aus der Schweiz, aus Wien und was weiß ich woher, um sich hier kurieren zu lassen!" Die Fingerkuppen von Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand berührten sich jetzt, so dass sich eine Art Kreis bildete. Eine Präzisions-Geste, so hätte ein auf die Analyse von Körpersprache spezialisierter Psychologe wohl gedeutet. Ein Timbre von geradezu missionarischer Inbrunst schwang jetzt in seinem Tonfall mit. "Wir gehen hier nämlich den Ursachen dieser Erkrankungen an die Wurzel und begnügen uns nicht lediglich mit der Behandlung von Symptomen..." Er atmete tief durch. "Zwischendurch nehme ich natürlich auch gerne mal jemanden wie Sie dazwischen..."
Damit meint er einen Kassenpatienten, dachte Lorant. Wie nett. Aber er hütete sich davor, das laut zu sagen. Im Übrigen hätte er auch kaum eine reelle Chance gehabt, den sprudelnden Wortschwall des Arztes zu unterbrechen.
"...aber jetzt überspannen Sie wirklich den Bogen. Da draußen sitzen Menschen, die tausend Kilometer weit gereist sind, um sich hier behandeln zu lassen und Sie..."
"Ich dachte immer, es interessiert einen Arzt, woran seine Patienten gestorben sind", unterbrach Lorant sein Gegenüber schließlich. Und in Gedanken fügte er noch hinzu: Da Gretus Sluiter vermutlich Privatpatient war, müsste dich diese Frage doch besonders interessieren, großer Meister-Doktor!
Dr. Purwin vollführte einige eigenartig aussehende Bewegungen mit dem Mund, die an einen Fisch auf dem Trockenen erinnerten. Anscheinend fehlten ihm im Moment einfach die Worte. Er war aus dem Konzept gebracht worden.
"Ich nehme an, Gretus Sluiter WAR ihr Patient", sagte Lorant.
Dr. Purwin lehnte sich in seinem Stuhl zurück, faltete die Hände und ließ nervös die Daumen umeinander kreisen.
"Ich unterliege der ärztlichen Schweigepflicht", erklärte er. "Und damit dürfte das Thema erledigt sein."
"Ich stelle auch keine Fragen nach irgendwelchen ärztlichen