Sammelband 4 Fürstenromane: Liebe, Schicksal, Schlösser. Alfred BekkerЧитать онлайн книгу.
du eine Ahnung«, brummte Alexander. »Ich werde das Bild, das dein Onkel mir aus erkennungstechnischen Gründen überlassen hat, rahmen und über meinem Bett aufhängen.«
»Nimm aber einen schweren Rahmen«, riet ihm Jenny und kicherte vergnügt. »Damit es auch richtig wehtut, wenn es mal herunterfällt.«
»Was hast du bloß gegen mich?« ,klagte Alexander mit komischem Gesichtsausdruck.
»Ich habe weder etwas für noch gegen dich«, entgegnete Jenny. »Dazu kenne ich dich noch viel zu wenig. Mein erster Eindruck von dir lässt mich allerdings vermuten, dass du ein ganz ausgekochter Frauenheld bist.«
»Der erste Eindruck täuscht«, behauptete Alexander. »Ich bin harmlos wie ein neugeborenes Lämmchen.«
Jenny lachte. »Warum benimmst du dich dann völlig anders?«, konterte sie.
»Tu ich das wirklich?«
»Ja«, bestätigte das Mädchen. »Oder denkst du, mir entgeht, dass du, seit wir uns kennengelernt haben, mit mir anzubandeln versuchst - und das, obwohl ich dir mitgeteilt habe, dass ich nicht mehr zu haben bin.«
»Einen Versuch war es doch immerhin wert - oder?«
»Der Versuch ist gescheitert«, meinte sie. »Könntest du weitere bitte einstellen? Oder muss ich dir künftig aus dem Weg gehen?«
»Bitte nicht«, rief er. »Ich könnte ja wenigstens dein väterlicher Freund sein. Oder spricht auch dagegen etwas?«
»Nein«, versetzte sie. »Mein väterlicher Freund darfst du gerne sein, solange ich nicht Papi zu dir sagen muss.«
»Darling oder Schätzchen würde ich lieber hören!«
»Du fängst ja schon wieder an«, kritisierte sie ihn.
»Es sollte ein Scherz sein.«
»Ich mag solche Scherze nicht«, knurrte sie. »Also lass das ein für allemal sein, wenn du unsere junge Freundschaft nicht gefährden willst.«
Für den Rest der Fahrt hielt sich Alexander an ihren Wunsch. Was nicht hieß, dass dies für immer so sein sollte. Er wollte Jenny für sich gewinnen, und je länger er mit ihr zusammen war, um so größer wurde dieses Begehren. Zum ersten Mal in seinem Leben dachte er, dass er vielleicht die Frau seiner Träume, die Richtige gefunden hatte, denn um als Spielzeug für seine Leidenschaft missbraucht zu werden, war Jenny zu schade. Wenn seinen Gefühlen nur nicht ihre Behauptung, sie wäre gebunden, entgegen stünde. Aber selbst ein Gordischer Knoten war gelöst worden. Warum nicht auch dieses Problem?
Fürst Boris war natürlich noch nicht zu Hause, als sie auf Schloss Hambach ankamen. Butler Karl berichtete ihnen, dass dies auch kaum vor morgen Mittag der Fall sein würde. Eventuell könnte es sogar Abend werden, bis er zurückkehrte.
Das macht er doch absichtlich, dachte Alexander. Damit will er dem Mädchen zeigen, wie unerwünscht es auf seinem Schloss ist.
»Darf ich Ihnen dann Ihr Zimmer zeigen?«, schlug Karl vor. »Um Ihr Gepäck wird sich ein Angestellter kümmern. Wenn Sie mir bitte folgen wollen.«
Nicht nur Jenny folgte dem Butler, sondern auch Alexander, obwohl ihn keiner dazu aufgefordert hatte. Er wollte nämlich sehen, wie und wo der Fürst seine ungeliebte Verwandte unterzubringen gedachte. Und er hatte sich mit seiner Vorahnung nicht getäuscht:
Butler Karl führte sie in den abgelegensten Winkel des Schlosses - in ein winziges, tristes Zimmer, das nicht einmal über ein Bad, geschweige denn eine Toilette verfügte. Die Tapeten waren seit Jahren nicht mehr erneuert worden, die Teppiche abgenutzt und das Parkett stumpf. Das Bett war allerdings frisch bezogen. Und es gab auch noch einen Schrank, einen Waschtisch mit Schüssel und Kanne sowie einen Tisch mit zwei Stühlen.
Das war ja unglaublich!
»Hübsch hässlich«, befand Alexander. »Und in dieser Bruchbude wollen Sie die Verwandte eines Fürsten unterbringen? Dass Sie sich nicht schämen, Karl! So etwas bietet man nicht einmal einem Landstreicher an, denn selbst der würde dankend ablehnen und lieber unter einer Brücke schlafen und sich mit einer alten Zeitung zudecken.«
»Ich befolge lediglich die Anweisungen des Fürsten«, entschuldigte sich Karl verlegen. »Tut mir wirklich leid.«
»Natürlich«, grollte Alexander. »Allerdings vermute ich, dass sich Seine Durchlaucht einen Scherz mit Ihnen erlaubt hat, denn er kann unmöglich daran gedacht haben, Frau von Kirst hier wohnen zu lassen.«
»Seine Durchlaucht scherzt nie«, betonte Karl.
»Wie dem auch sei«, entgegnete Alexander resolut. »Wir suchen jetzt ein anderes Zimmer für sie.«
»Aber das geht doch nicht«, jammerte Karl. »Er reißt mir den Kopf ab, wenn ich seine Anordnungen nicht befolge. Womöglich auch noch andere Körperteile.«
»Lassen Sie doch», mischte sich Jenny ein, die sich mit angewiderter Miene im Zimmer umgeschaut hatte. »Für die ersten paar Tage wird es schon gehen. Unterdessen suche ich mir etwas anderes.«
»In und um Heidelberg sind kleine Apartments nur schwer zu bekommen«, erklärte Alexander. »Und wenn, dann kosten Sie ein Vermögen.«
»Meine Eltern sind nicht gerade arm.«
»Trotzdem«, knurrte Alexander. »Warum willst du dir unbedingt ein Zimmer suchen, wo hier das halbe Schloss eines Verwandten leersteht? Das kommt überhaupt nicht in Frage.«
»Aber wir können doch nicht die Anweisungen ....« nuschelte der Butler besorgt.
»Doch, wir können«, schnitt Alexander ihm das Wort ab. »Und wenn er aufmuckt, schieben Sie einfach alles mir in die Schuhe. Ich bin schließlich der Verwalter und habe auch etwas zu sagen.«
»Ja, aber nicht hier im Schloss«, stellte Karl klar. »Er wird Sie feuern, und mich vielleicht mit.«
»Das lassen Sie mal meine Sorge sein, Karl«, erwiderte Alexander. »Denn weder Sie noch ich dürften so mir nichts, dir nichts zu ersetzen sein. Wie ich mittlerweile festgestellt habe, war ich der einzige Bewerber für die Stelle, die ich jetzt innehabe. Der Ruf seiner Durchlaucht, ein alter Despot zu sein, scheint sich herumgesprochen zu haben. Das wird bei Butlern nicht anders sein als bei Verwaltern. Lassen Sie es uns also ruhig wagen!«
»Auf Ihre Verantwortung hin«, betonte Karl. »Ich wasche meine Hände in Unschuld.«
»Selbstverständlich«, beruhigte ihn Alexander. »Und nun zeigen Sie uns bitte ein anderes Zimmer.«
»Ich hatte, bevor ich die Anweisung Seiner Durchlaucht erhielt, ein hübsches Zimmer im Südflügel des Schlosses im Auge«, erzählte Karl, während sie sich auf den Weg dorthin machten. »Ich hatte gedacht, dies wäre eine angemessene Unterkunft für Frau von Kirst. Leider war Seine Durchlaucht anderer Meinung.«
Das Zimmer, in das der Butler sie jetzt führte, war das genaue Gegenteil von dem, das sie zuerst besichtigt hatten. Es war sehr geräumig, hell und mit jeglichem Komfort eingerichtet. Mittelpunkt war ein zauberhaftes Himmelbett, in dem sich gewiss herrlich träumen ließ. Durch eine Tür gelangte man in ein modern ausgestattetes Bad mit Wanne, Dusche und WC.
»Das gefällt mir«, zeigte Alexander sich zufrieden und schlug dem Butler freundschaftlich die Hand auf die Schulter. »Das nehmen wir.«
»Er wird toben«, vermutete Karl. »Er wird senkrecht in die Luft gehen.«
»Dann soll er doch«, grinste Alexander. »Wir alle werden es überleben.«
»Hoffentlich«, murmelte der Butler. »Hoffentlich.«
Auch Jenny war von diesem Zimmer begeistert und schaute es sich mit leuchtenden Augen an. Hier würde sie gerne wohnen, falls sie der Alte - wie sie ihn jetzt schon nannte - überhaupt hier wohnen ließ.
Meine Güte, was musste das bloß für ein Mensch sein, der seine Verwandten wie den letzten Dreck behandelte? Wahrscheinlich