1000 Seiten Krimi Spannung - Acht Top Thriller. Pete HackettЧитать онлайн книгу.
Ich konnte mich eigentlich immer schon gut konzentrieren und um mich herum die Welt vergessen. Man muss das können, wenn man etwas zustande bringen will. Man muss die Welt um sich herum vergessen, um kurzfristig in eine andere eintauchen zu können. Ich habe diese Fähigkeit ganz gut trainiert und dennoch − manchmal ist es einfach nicht zu verhindern, dass die Gedanken ihre eigenen Wege gehen.
Und genau dieses Problem hatte ich im Moment.
Zeile um Zeile quälte ich mich voran. ›McCord kniff die Augen zusammen, so dass sie nichts weiter waren als enge Schlitze‹, so hackte ich lustlos in die Tasten. Aber schon in der nächsten Sekunde war mir klar, dass ich diese Zeile wieder löschen musste. Jake McCord hatte die Augen im Verlauf der letzten halben Seite schon einmal zusammengekniffen, und das war entschieden genug.
Ich atmete tief durch.
Und dann löschte ich die Zeile und suchte nach etwas Neuem. Ich tat es nicht nur aus stilistischen Gründen, sondern auch um McCords Willen. Er sollte ja schließlich vom dauernden Zusammenkneifen keinen Krampf in den Augenwinkeln bekommen!
7
Fünf Minuten später klingelte es an meiner Tür. Ich ging hin und öffnete.
Vor mir stand der dicke Rehfeld mit seiner dicken Krawatte und seinem MEGAdicken Doppelkinn.
Sein Bauch drängte durch seinen offenen Mantel schon fast bis in meine Wohnung hinein. Beinahe so, als hätte er ihn direkt gegen die Tür gedrückt, bevor ich geöffnet hatte.
Wahrscheinlich war es sogar genau so gewesen! Schließlich hatte er kurze Arme und hätte sonst gar nicht die Klingel erreichen können!
"Kann ich kurz zu Ihnen hereinkommen, Herr, äh ..." Er schaute auf seinen schmierigen Zettel. Vielleicht sollte er es mal mit einem Diktiergerät versuchen!, dachte ich. Aber es würde wohl noch geraume Zeit verstreichen, ehe bei der Polizei das Zeitalter der modernen Technik anbrechen würde. "Herr Hellmer!", kam es schließlich über seine dünnen aufgesprungenen Lippen, die er wiederholt mit seiner Zunge benetzte.
"Kommen Sie herein!", sagte ich.
Unterdessen sah ich aus dem Augenwinkel, wie zwei Uniformierte einen Metallsarg die Treppe hinuntertrugen und sich an Rehfeld vorbeiquetschten.
"Warum benutzt ihr nicht den Fahrstuhl?", knurrte der Dicke.
"Ist kaputt!", knurrte es zurück.
Mein Blick blieb unwillkürlich an dem Metallsarg haften und folgte ihm weiter die Treppe hinab. Da liegt er nun also drin!, dachte ich. Ob man ihm wenigstens zur Beerdigung etwas anderes als einen Jogging-Anzug anziehen würde?
"Kommen Sie!", hörte ich Rehfeld sagen. "So interessant ist so ein Sarg doch auch nicht!"
Ich zuckte mit den Schultern. "Kommt drauf an."
"Wo drauf?"
"Darauf, wer drin liegt zum Beispiel. Oder ..."
"Oder?"
"Oder wie derjenige gestorben ist."
"Sie meinen, ob friedlich im Bett oder unfriedlich in der Badewanne?"
Ich nickte. "Ja, so oder so ähnlich."
Er sah mich an. Er hatte wässrig blaue Augen und fast genau den Blick, den ich in meinen Romanen immer den Saloonkeepern gebe. Ein bisschen misstrauisch, ein bisschen feige und ein bisschen voll vorgespielter Entschlossenheit. Aber wenn die Schießerei kam, dann pflegten sie sich blitzschnell hinter die Theke zu ducken und tauchten für gewöhnlich erst wieder auf, wenn alles vorbei war.
"Was wollen Sie wissen?", wandte ich mich an den dicken Kripo-Mann.
"Ich wollte Sie kennen lernen."
"Bin ich so interessant?"
"Kann man vorher nie sagen, Herr Hellmer."
"Das stimmt auch wieder."
"Für mich ist alles interessant, was irgendwie mit Jürgen Lammers zusammenhängt."
"Ich sagte Ihnen doch schon, dass ich nicht mit ihm zusammenhänge."
"Ja, das habe ich zur Kenntnis genommen. Es wäre übrigens nett, wenn Sie sich gleich noch Zeit nehmen könnten, um mit einem unserer Beamten ein Phantombild von der Frau zu erstellen, die Sie gesehen haben."
"Muss ich dazu aufs Präsidium?"
"Nein. Der Kollege kommt hier bei Ihnen vorbei. Vielleicht in einer halben Stunde. Haben Sie heute Abend noch was vor?"
"Nein."
"Das ist gut. Wie ist Ihre Telefonnummer?"
Ich nannte sie ihm, und er schrieb sie sich auf.
Bis jetzt hatten wir im Flur gestanden, jetzt machte ich mich ins Wohnzimmer auf, in dem ich auch arbeitete. Rehfeld folgte mir, ohne auf eine Einladung meinerseits zu warten.
Sein Blick ging sofort zum Computer. "Sind Sie ein Spiele-Freak oder ein Hacker?"
"Ich brauche das Ding beruflich."
Er ließ sich auf einem meiner Sessel nieder. Dann beugte er sich nach vorne, zu dem niedrigen Tisch, wo ein Packen Belegexemplare lag, der gestern mit der Post gekommen war und den ich noch immer nicht weggeräumt hatte.
›Logan, der Unerbittliche‹, so hieß dieser ›ungewöhnlich dramatische Western-Roman von MIKE HELL.‹
Ein breites Grinsen ging über sein Gesicht. Es zog sich an seinem Doppelkinn entlang von einem Ohr zum anderen.
Dann nahm er sich ein Exemplar des ›Unerbittlichen‹, blätterte ein wenig darin herum und legte den Roman schließlich wieder zurück auf den Packen.
"Sie sehen mir eigentlich ein bisschen zu erwachsen für so etwas aus", meinte er.
"Ich lese das Zeug ja auch nicht", meinte ich.
"Aber ..."
"Es ist viel schlimmer: Ich schreibe es!"
"Da steht aber ein gewisser Mike Hell als Autor angegeben."
"Das ist mein Pseudonym. Mike Hell - Michael Hellmer."
"Verstehe ..." murmelte er, und ich dachte, als Polizei-Detektiv hättest du eigentlich selber drauf kommen müssen, Dicker!
Aber vielleicht war das logische Kombinieren ja inzwischen aus der Mode gekommen und durch modernere Ermittlungsmethoden ersetzt worden.
Ich sah Rehfeld an. "Ich lebe davon, Leute umzubringen. Allerdings nur auf dem Papier. Alle paar Seiten eine Schießerei. Ich komme locker auf fünfzig Leichen im Monat, bin also ein Wiederholungstäter, oder?"
Rehfeld schlug sich auf seine sicher unwahrscheinlich wabbeligen Schenkel und lachte. "Ja", prustete er. "Kann man wohl so sehen ..."
"Ich schätze, wenn Lammers nicht in der Badewanne umgekommen wäre, sondern Sie ihn mit einer Kugel im Kopf gefunden hätten − dann wäre ich wohl auf Ihrer Verdächtigenliste ganz oben!"
Er verzog sein Gesicht. "Wer sagt, dass Sie es nicht auch jetzt sind?"
Ich nickte. "Sicher", bestätigte ich. "Ich traue Ihnen alles zu."
"Verdienen Sie eigentlich gut?"
"Nein. Nicht besonders. Leider bin ich nicht Konsalik oder Stephen King."
"... und ich bin nicht so ein netter Kerl wie Derrick oder Columbo!"
"Habe ich mir fast gedacht!"
Schließlich kam er doch noch zur Sache. Ich hatte schon befürchtet, dass er tatsächlich nur gekommen sei, um mir erstens den Besuch seines Kollegen anzukündigen und mir zweitens meine kostbare Zeit zu stehlen.
Aber ganz so schlimm war es dann doch nicht.
"Haben Sie etwas gehört? Irgendetwas, ganz gleich was?"
Ich