1000 Seiten Krimi Spannung - Acht Top Thriller. Pete HackettЧитать онлайн книгу.
dann war plötzlich die Sicherung raus. Genau in dem Moment muss der Föhn in die Wanne gelangt sein. Ungefähr 17.30 Uhr, würde ich sagen. Ich wollte gerade eine Pause machen und habe deswegen geschaut, wie spät es war."
"Sie haben nichts gehört?"
"Nein."
"Keine Schritte, niemanden, der nach oben gegangen ist?"
"Die Frau ..." begann ich, aber das war im Moment nicht das, was der Dicke von mir hören wollte, und so unterbrach er mich ziemlich abrupt.
"Ja, von der haben Sie uns bereits erzählt", knurrte er unwirsch.
"Sonst niemand ... aber ..."
"Ja?"
"Warten Sie mal eine Sekunde."
"Na?"
"Da war etwas, aber das war zwei Stunden früher!"
"Erzählen Sie!", forderte er.
"Ich war im Flur, da habe ich gehört, wie mindestens zwei Personen die Treppe zu Lammers hinaufgegangen sind! Aber ich glaube nicht, dass das etwas mit der Sache zu tun hat! Schließlich war der Stromausfall erst viel später."
Rehfeld atmete tief durch und lehnte sich zurück. "Wahrscheinlich hat es mehr damit zu tun, als Sie für möglich halten!"
"Was meinen Sie damit?"
"Als der Strom ausfiel, war Lammers schon mindestens eine Stunde tot."
"Ist das sicher?"
"Ziemlich sicher. Und er starb auch nicht an dem elektrischen Schlag!"
"Was?" Ich war erstaunt.
"Jemand hat ihm mit einem stumpfen Gegenstand von hinten auf den Schädel geschlagen."
"Das heißt, Lammers wurde erst in die Wanne befördert, nachdem er schon tot war!"
"Ja."
Das ließ natürlich alles in einem neuen Licht erscheinen. Selbstmord, so schien es, war damit wohl endgültig ausgeschlossen.
"Naja", meinte ich. "Sie werden sicher alles herausbekommen."
"Allerdings, das werde ich!", kündigte er an. Und bei ihm klang das fast wie eine Drohung.
Im nächsten Moment klingelte es an der Tür. Zweimal kurz hintereinander. Da schien jemand ziemlich ungeduldig zu sein.
Ich meinte: "Das wird wohl Ihr Kollege sein."
Rehfeld nickte langsam. "Ja, vermutlich." Er erhob sich. "Es wäre nett, wenn Sie in den nächsten Tagen im Präsidium vorbeischauen würden, damit wir Ihre Aussage zu Protokoll nehmen können."
"Meinetwegen", sagte ich.
Ich öffnete die Tür, und davor stand ein junger Mann mit dicker Brille und fettigen langen Haaren, die ihm am Kopf klebten. Er sah wie ein Seehund aus, der gerade aus dem Wasser getaucht war. Der dünne, blonde Schnurrbart trug zu diesem Eindruck ein Übriges bei.
Rehfeld schien den Seehund zu kennen. Jedenfalls musste sich dieser von dem Dicken einen Schlag auf die Schulter gefallen lassen. "Dann sehen Sie mal zu, dass Sie ein schönes Bild zurechtkriegen!"
8
Ich schrieb: ›Jake McCord ließ die Flügeltüren des Saloons auseinanderfliegen und trat ein. Zu dieser Tageszeit war an diesem Ort noch nicht viel los. Ein paar Zecher hingen an der Theke.
An einem der Tische wurde gespielt.
Als McCord eingetreten war, verstummten fast augenblicklich die Gespräche. Verstohlene Blicke wurden ihm zugewandt, wobei die Männer es vermieden, McCord offen anzusehen. Jake McCord kannte diese Blicke. Es waren Blicke, die einem Mann galten, von dem jedermann annahm, dass er bald sterben werde − durchsiebt von einem halben Dutzend Bleikugeln.
McCord kümmerte das nicht. Er hatte nicht vor, sich erschießen zu lassen.
Mit weiten Schritten ging er zur Theke, hinter der der Saloonkeeper wie erstarrt stand. Er war dick und rotwangig und machte ganz den Eindruck, sich häufiger an seinem eigenen Whiskey zu vergreifen.
"Sie können Ihren Mund wieder zumachen!", wandte sich McCord an den Salooner. "Und wenn Sie das geschafft haben, dann schenken Sie mir doch bitte etwas ins Glas!"
"Whiskey?"
"Was sonst!"
"Ich hätte nicht gedacht, dass Sie noch hier sind, Mister McCord! Wenn ich Sie wäre, hätte ich mir ein schnelles Pferd besorgt und zugesehen, ein paar Meilen zwischen mich und John Morton zu legen!"
"Ich fürchte mich nicht vor John Morton!"
"Das sollten Sie aber! Sie haben seinen Vormann erschossen!"
"Das war Notwehr!"
"Für Morton spielt das keine Rolle!" Der Keeper stellte ein Glas auf den Tisch und goss es bis zum Rand voll. McCord nahm es und spülte den braunen Saft in einem Zug hinunter, dann ging sein Blick zur Seite.
Er sah eine junge Frau die Treppe hinunterkommen. Ihre Blicke trafen sich. Sie hatte graugrüne Augen und dichtes, dunkelbraunes Haar, das sie kunstvoll hochgesteckt hatte.
Sie lächelte.
Als McCord zu ihr hingehen wollte, hielt der Keeper ihn am Arm fest. "Ich warne Sie, McCord! Das ist John Mortons Mädchen!"‹
Ich sicherte meinen Text, erhob mich und ging zum Fenster. Unten auf der Straße hupte irgendein Lieferwagen, weil man ihn zugeparkt hatte.
Ja, diese graugrünen Augen gingen mir nicht mehr aus dem Sinn, und jetzt begann ich sogar schon, damit mein Western-Alter-Ego Jake McCord zu plagen! Und dabei hatte McCord eigentlich schon genug Probleme! Dass sich diese geheimnisvolle Schöne verdünnisiert hatte und sich bis jetzt standhaft weigerte, wieder aufzutauchen, war ja schließlich nicht seine Schuld.
Zwei Tage waren vergangen, seit Lammers zu Tode gekommen war. Die Polizei hatte sich nicht mehr bei mir gemeldet, und ich dachte mit Schrecken daran, dass ich noch zu Rehfeld aufs Präsidium musste, um meine Aussage zu Protokoll zu geben. Ich hatte das bisher vor mir hergeschoben, aber das ging nicht bis in alle Ewigkeit.
Ein Phantombild war erstellt worden, mit dessen Hilfe nun nach jener Frau gefahndet wurde, der ich im Treppenhaus kurz nach dem Stromausfall begegnet war. Wahrscheinlich bis zur Stunde erfolglos.
Seltsam, ich hatte sie nur für wenige Augenblicke gesehen, aber ihr Gesicht stand noch immer in jeder Einzelheit vor meinem inneren Auge.
Hätte ich versucht, mir Jürgen Lammers Gesicht vorzustellen, hätte ich viel größere Schwierigkeiten gehabt, obgleich ich ihm mehr als ein Dutzend Mal begegnet war, um mich mit ihm zu streiten.
Lammers Wohnung war von der Kripo versiegelt worden. Niemand konnte dort hinein, ohne dass man es hinterher sehen konnte.
Ansonsten war wieder so etwas wie Normalität in dieses nicht mehr ganz taufrische Mietshaus eingekehrt. Die Bässe der Disco im Erdgeschoss dröhnten wie eh und je oft bis weit nach Mitternacht, die dicke Mutter schaffte es immer noch mit letzter Kraft, ihre eingepackten Pizza-Köstlichkeiten bis hinauf in ihre Wohnung zu bringen, und ihre pickelige Tochter wirkte so unzufrieden wie stets.
Aber es hatte seitdem keinen Stromausfall mehr gegeben. Und das hielt ich für ein gutes Zeichen.
Mit den ›Gnadenlosen Wölfen‹ war ich gut vorangekommen, und es war, wie es meistens bei mir ist: Noch während ich an einem Roman arbeitete, kristallisierte sich bereits der nächste heraus.
Ich klappte ein wenig das Fenster ab, um ein bisschen frische Luft hereinzulassen, obwohl frisch für das, was da hereinblies, vielleicht doch nicht der richtige Ausdruck war.
Und dann glaubte ich, meinen Augen nicht zu trauen!
Auf der anderen Straßenseite sah ich sie. Ich musste zweimal hinschauen, um es wirklich glauben zu können, aber dann hatte ich nicht mehr den geringsten