Deutschland – deine Politiker. Friedemann Weckbach-MaraЧитать онлайн книгу.
mit ihrer Tochter als geldwerter Vorteil zu zählen und damit zu versteuern sind. Schließlich gilt genau dieses Prinzip für jeden Steuerzahler, der seinen Dienstwagen auch privat nutzt. Mit dieser Frage sollte sich zumindest das Finanzamt auseinandersetzen, das die Steuererklärung von Frau Süssmuth prüft.“ Doch dann sprang ihr Bundestagsvizepräsident Hans-Ulrich Klose (SPD) zur Seite. In seinem Bericht für den Ältestenrat des Bundestags kam er zu dem Ergebnis, Frau Süssmuth habe „die Flugbereitschaft nur zu dienstlichen Anlässen in Anspruch genommen“. Denn in der Schweiz gab es nicht nur die Tochter, sondern auch Hinweise auf rein zufällig dort zeitgleich mit dem Tochterbesuch stattfindende Redaktionsbesuche und ähnliche Diensttermine. Wieder davongekommen.
Als Konsequenz schlug der Bundesrechnungshof dem Haushaltsausschuss eine Neuregelung vor: „Grundsätzlich sollen Dienstfahrzeuge nur noch für Dienstfahrten genutzt werden.“ Das sollte auch für Minister gelten. Doch daraus wurde nichts. Es blieb dabei, Minister sind immer im Dienst und dürfen immer mit dem Dienstwagen fahren.
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Das nahm auch Ulla Schmidt33 in Anspruch. Die SPD-Gesundheitsministerin ließ sich sogar im Spanienurlaub gern vom Fahrer in ihrer Dienstlimousine chauffieren. Natürlich musste dieser dazu eigens auf Staatskosten anreisen (auch mit seinem Sohn an Bord) und in der Urlaubsregion schöne Tage verbringen.
Peinlich aufgeflogen ist das Ganze, als spanische Medien im Juli 2009 meldeten, dass die sozialdemokratische Ministerin aus Deutschland bei der spanischen Polizei den Diebstahl ihres Dienstwagens (Mercedes S-Klasse) gemeldet habe. Zwei Tage später erklärte ihr Ministerium dem verblüfften Berlin, sie habe den Wagen im Urlaub „privat und dienstlich genutzt“. Die Ministerin selbst meinte zur Begründung: „Ich habe in Spanien Deutschland repräsentiert.“ Dazu hatte sie das Auto samt Fahrer ganze 72 Kilometer dienstlich genutzt. Dann kamen immer neue Details ans Licht. Plötzlich gestand sie, dass im letzten Jahr ein Verwandter von ihr im offiziellen Dienstwagen zu ihrem Urlaubsort nach Südspanien gefahren ist. Ulla Schmidt versprach: „Ich persönlich würde die gleiche Entscheidung nicht noch einmal treffen, weil es trotz einer korrekten Anwendung der Richtlinien solche Debatten gibt.“ Und schon war sie aus dem Schneider.
Krause und die Minister-Putzfrau
Weniger gut kam Bundesverkehrsminister Günther Krause, damals 34, davon. Der einstige Hoffnungsträger der DDR-CDU stolperte er über die Vermittlung von Raststätten-Konzessionen und seine eigene Putzfrau. Anfangs behauptete er, sich an Bemühungen der holländischen Firma Van der Valk um Konzessionen für Raststätten nicht erinnern zu können. Dann erfuhr ich von Briefen, die belegten, wie sehr sich Krause für die Raststätten-Firma eingesetzt hatte. Er schlug etwa vor, dass „neben den sechs Standorten auch an der Autobahn nach Rostock und noch zusätzlich an der Verbindung der jetzigen Fernverkehrsstraße von Lübeck nach Stralsund“ – Hinweis: dort lag Krauses Wahlkreis – „ein solches Vorhaben realisiert werden kann.“ Die Kritik an diesem Krause-Engagement zog sich länger hin, bis 1993 der nächste Schlag kam. Mitte März wurde die sogenannte Putzfrauen-Affäre bekannt. Wieder stritt er zunächst alles ab. Dann wurde belegt, dass er 660 D-Mark vom Arbeitsamt als Zuschuss zum Lohn seiner Putzfrau Edith Boelter kassiert hatte. Mehr noch. Krause und seine Frau Heidrun (damals 36) hatten massiv um den Zuschuss gefeilscht, denn das Arbeitsamt wollte zunächst nur 257 D-Mark (30 Prozent) zum Monatslohn von Frau Boelter (858 DM) zuschießen. Erst mit ihrem zweiten Antrag setzte das Ehepaar Krause den Zuschuss von 70 Prozent durch, der dann rückwirkend gezahlt wurde.
Auch Unionspolitiker, die Krause lange im Amt halten wollten, befürchteten nun, dass sein Negativ-Image zur Belastung für die Regierung würde. Ein Abgeordneter: „Krause wird Kohls Möllemann.“ Am 6. Mai 1993 musste Krause zurücktreten. Später folgten Offenbarungseid, Prozesse wegen Untreue, Betrug und Steuerhinterziehung.
Möllemann und der Einkaufschip
Tragisch im Sinne des Wortes endete Jürgen Möllemann, der vier Monate vor Krause zurücktreten musste, obwohl er so gern FDP-Bundesvorsitzender geworden wäre: 1993 stolperte er mit 47 Jahren über einen kleinen Einkaufchip.
In vielen vertrauensvollen Gesprächen mit ihm entstand über Jahre fast so etwas wie Freundschaft. Deshalb rief ich ihn warnend an: „Jetzt wird es eng. Das ist wie mit einer Lawine, die schon so lange bedrohlich am Berg hängt, dass nur noch jemand in die Hände klatschen muss, und schon geht alles krachend zu Tal.“ Seine Antwort war ehrlich wie immer: „Ich bin schon längst jenseits der Schmerzgrenze.“ Doch der Schmerz kam, obwohl es gemessen an seinen früheren Eskapaden eher einen kleineren Anlass gab. Also doch vergleichbar mit der Lawine. Ursache war diesmal ein Werbebrief auf offiziellem Ministerbogen zu Gunsten seines angeheirateten Vetters. Dieser produzierte kleine Plastikchips, die man statt der Geldmünze in das Schloss von Einkaufswagen schieben kann, was im Ministerbrief als „pfiffige Geschäftsidee“ gepriesen wurde und später im Volksmund „Möllemännchen“ hieß.
Massive Kritik kam aus der eigenen Partei mit Sätzen wie: „Ich habe große Zweifel, dass ein solcher Minister noch der deutschen Wirtschaft und seiner Partei erfolgreich dienen kann.“ Selbst der damalige FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff machte „ein Fragezeichen hinter dem Namen von Bundeswirtschaftsminister Möllemann“.
Diese Kritik galt einem Mann, der selbst nie einen Zweifel daran gelassen hatte, wohin er will: ganz nach oben. 1969 trat Möllemann aus der CDU aus und in die FDP ein, weil bei den Liberalen schneller Karriere zu machen war: vom Grundschullehrer (Deutsch, Geschichte, Sport) 1972 in den Bundestag, 1982 Staatssekretär, 1987 Bildungsminister, 1991 Wirtschaftsminister, dann sogar Vizekanzler. Den Kollegen in Bonn war der Senkrechtstarter unheimlich. Es hagelte Spitznamen: „Magic Molli“, „Speedi“, „Mümmelmann“, „Minenhund“. Als PR-Fachmann (Mitinhaber einer Werbeagentur) störte ihn das wenig. Sein Motto: „Besser, die Leute reden schlecht über mich als gar nicht.“ Dabei war er im Amt auch stets fleißig, schuftete – bis ihn die Lust auf Schlagzeilen neu packte. Er versprach sogar, zehn Milliarden Mark Subventionen einzusparen und zurückzutreten, wenn ihm dies nicht gelänge. Es gelang nicht. Am 21. Januar wurde Günter Rexrodt (FDP) Möllemanns Nachfolger im Ministerium. Möllemann verstrickte sich danach bekanntlich in Spendenaffären und zunehmende Eigenentscheidungen, die nicht mit der FDP-Spitze abgestimmt waren. Das alles aufzuzeigen, ergibt Stoff genug für ganze Bücher.
Amigo-Affäre mit Stoiber
Im skandalträchtigen Jahr 1993 musste Bayerns Ministerpräsident Max Streibl (1932–1998, Ministerpräsident seit 1988) am 27. Mai seinen Hut nehmen. Zu viele Reisen mit Amigos in Flugzeugen des Rüstungskonzerns MBB waren ans Tageslicht gekommen. Auch sein damaliger Innenminister und CSU-Parteifreund Edmund Stoiber geriet in den Strudel der Amigo-Affäre, trat aber rechtzeitig die Flucht nach vorn an. Sein Berater und Sprecher Friedrich Wilhelm Rothenpieler erwies sich als wahrer Freund mit seinem Rat: Schnell intern alles überprüfen und dann in einer Pressekonferenz alles auf den Tisch. Stoiber gab selbst zu, jahrelang zu privaten und dienstlichen Zwecken mit Flugzeugen des Rüstungskonzerns MBB gejettet zu sein, außerdem für etliche Urlaubsreisen kostenlose Leihwagen von Mercedes, BMW und Audi benutzt zu haben. Strauß habe Wert auf gemeinsame Urlaube gelegt, rechtfertigte Stoiber Privat-Flüge beider Familien in MBB-Jets nach Frankreich und Italien: „Wer Franz Josef Strauß kannte, kann sich gut vorstellen, dass das keine reinen Vergnügungsreisen waren.“ Dazu gestand der frühere CSU-Generalsekretär und Chef der Münchner Staatskanzlei: „Mir ist bewusst, dass heute in der Öffentlichkeit solche Firmen-Leistungen kritisch betrachtet werden. Ich beurteile das heute anders als früher.“ Er beauftragte einen Steuerberater mit der Prüfung der Reisen. Das Geständnis brachte ihm ein paar Tage Schlagzeilen ein, dann war die Story alt und überholt. So kam er davon.
Sozialwohnungen für Abgeordnete
Danach sorgten Ende Oktober Bonner Politiker gleich reihenweise für Schlagzeilen, weil sie in staatlich subventionierten Wohnungen zu Mini-Mieten lebten. Auslöser war mein