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Mami Staffel 1 – Familienroman. Gisela ReutlingЧитать онлайн книгу.

Mami Staffel 1 – Familienroman - Gisela Reutling


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sie zum letzten Mal hier zu Gast gewesen war, hatte sie formschöne, kostbare Möbel bewundert.

      Sie ging dem Lärm nach, der aus der Küche kam.

      »Bring’ den verdammten Hund raus«, brüllte der Mann, der sich mit beiden Händen die Haare raufte, die ihm ohnehin zu Berge standen. »Steht da nicht rum wie die Ölgötzen. Seht euch mal die Schweinerei an. Das ganze Geschirr hat dieser verdammte Hund mit seinem lächerlich langen Schwanz heruntergefegt. Wer soll denn das Durcheinander beseitigen? Ich natürlich. Auf mir bleibt ja alles hängen.«

      Das Durcheinander war grauenhaft. Aber trotzdem flog Marie-Luise ein Lachen an.

      Inmitten der Scherben standen zwei Jungen, die die blonden Köpfe gesenkt hielten, zwischen sie drängte sich ein Bernhardiner, der ebenso schuldbewußt wirkte wie die Kinder.

      Der Hund bemerkte sie zuerst. Er bellte, hob seinen dicken Kopf und sah sie mit seinen Knopfaugen argwöhnisch an.

      »Sie schickt der Himmel«, stöhnte der Mann. Über sein abgespanntes, nervöses Gesicht flog Erleichterung. »So schnell habe ich Ihr Kommen nicht zu hoffen gewagt. Rennen Sie um Himmels willen nicht wieder davon, weil Sie das Durcheinander sehen. Dieser Hund ist genauso mit den Nerven am Ende wie wir alle.«

      Sie hatte die Brieftasche mit einer mechanischen Bewegung auf den Tisch gelegt und lächelte verlegen.

      »Ich…«

      »O nein, bitte nicht, sagen Sie nicht, daß Sie gleich wieder gehen müssen. Der Möbelwagen kam erst gestern abend spät. Und heute morgen ist meine Schwester gestolpert, und ich mußte sie ins Krankenhaus bringen. Natürlich war der verflixte Köter daran schuld.«

      In beide Kinder kam Leben.

      »Stimmt nicht«, riefen sie beide wie aus einem Mund. Ganz entrüstet musterten sie ihren Vater. Marie-Luise schloß die beiden Jungen spontan ins Herz. Beide legten ihre Hand auf den dicken Hundekopf, der aussah, als wußte er genau, daß von ihm die Rede war. »Dagobert hatte sich doch nur vor ihre Tür gelegt, und da ist sie über ihn gestolpert. Wenn sie die Augen aufgemacht hätte, dann hätte sie ihn gesehen. So klein ist er nun wirklich nicht.«

      Bevor der Mann eine giftige Bemerkung machen konnte, nickte Marie-Luise zustimmend.

      »Er ist wirklich nicht zu übersehen. Wenn ihr gestern erst eingezogen seid, muß er sich natürlich noch fremd fühlen.«

      Der Mann strich mit einer nervösen Bewegung über sein Gesicht. Es war ein schmales, markantes Gesicht, mit dem die dunk­len Haare mit den grauen Schläfen gut harmonierten. Als gut aussehend konnte man ihn im Augenblick allerdings nicht bezeichnen. Der Mann schien mit seinen Nerven am Ende zu sein.

      »Ich bin froh, daß Sie Verständnis haben«, beeilte er sich zu sagen. »Ich kann Ihnen zur Begrüßung nicht einmal einen Kaffee anbieten. Die Kaffeemaschine ist noch nicht ausgepackt, und das Geschirr, das wir gestern abend benutzten, liegt auf dem Boden«, setzte er erschöpft hinzu.

      »Dann haben Sie also noch nicht gefrühstückt?«

      »Wir haben Sprudel getrunken und Brötchen gegessen«, beeilten sich die Kinder zu versichern. »Papa mußte ja Tante Pat ins Krankenhaus bringen.«

      Bis zu diesem Augenblick hatte er sie kaum angesehen, er war viel zu sehr mit seinen eigenen Sorgen beschäftigt. Aber ihr Lächeln, das Mitleid und Verständnis verriet, teilte sich ihm auf wohltuende Weise mit. Plötzlich fühlte er sich um vieles besser.

      »Darf ich Ihnen einen Vorschlag machen?« Sie wartete seine Antwort nicht ab. Hinterm Haus steht eine Bank, sie ist sehr bequem, und der Holztisch davor lädt zum Vespern ein. Ich bringen Ihnen Ihr Frühstück hinaus, ob es ein umfangreiches ist, kann ich Ihnen natürlich nicht versprechen.« Sie wandte sich an die Kinder, ihr Lächeln vertiefte sich.

      »Ich denke, Jungen haben keine Angst vor Pferden, oder?«

      »Ich bin ein Mädchen«, Doris tippte gegen ihre Brust. »Wieso Pferde? Hier gibt es keine Pferde.«

      »Ich habe Janus draußen angebunden. Für gewöhnlich ist er ein braves Pferd, aber heute ist er ziemlich übel gelaunt. Ihr könnt ihn mit Möhren und Apfelstückchen füttern.« Sie holte aus ihrer Tasche eine Tüte und reichte sie dem Jungen.

      »Sie sind mit dem Pferd gekommen?« Die Zwillinge staunten sie mit großen Augen an.

      »Sie sind mit dem Pferd gekommen?« wollte auch Max Gilberg wissen und betrachtete vollkommen verblüfft das junge Mädchen. Sie trug Jeans, die völlig verschmutzt waren. Ein Schmutzstreifen lag sogar auf ihrer Wange. Er war total durcheinander. Vermutlich lag er in seinem Bett und träumte das alles. Es gab doch keine Haushaltshilfe, die mit dem Pferd anrückte!

      »Ja, ich bin mit dem Pferd gekommen«, nickte sie liebenswürdig, als wäre diese Art der Fortbewegung die natürlichste Sache der Welt. »Seid also bitte vorsichtig. Wenn Sie jetzt hinausgehen wollen«, bat sie den Hausherrn, der so durcheinander war, daß er vergaß, den Mund zu schließen. »Am besten komme ich hier zurecht, wenn ich allein in der Küche bin. Ich werde mich schon zurechtfinden.«

      Die Zwillinge faßten sich an und gingen zögernd hinaus. Natürlich lockte das Pferd, aber das seltsame Mädchen hatte eine besondere Anziehungskraft. Sogar der dicke Dagobert folgte den Kindern nur widerwillig.

      Vor der Haustür blieb Doris stehen. Für das Pferd hatte sie im Moment noch keinen Blick. Sie holte tief Atem, ihre Augen hatte sie vor Erregung weit aufgerissen.

      »Thomas. Das ist wie bei Mary Poppins, oder wie die heißt. Erinnerst du dich an das Buch, das Mama uns vorgelesen hat?«

      Bei der Erinnerung an seine Mutter überströmte der Jammer Thomas’ Gesicht. »Na und?« wollte er mißmutig wissen.

      »Mensch, sei doch nicht so vernagelt. Begreifst du denn nicht? Sie kommt wie Mary vom Himmel, um uns zu helfen. Das ist doch klar. Mary segelte mit einem Regenschirm vom Himmel, und sie kam mit dem Pferd.«

      Er sah seine Schwester an, als zweifelte er an ihren Verstand, aber trotzdem kitzelten die Gedanken sein Herz.

      »Ein Regenschirm ist wie ein Fallschirm, und überhaupt ist das doch nur eine Geschichte. Außerdem kann kein Mensch vom Himmel auf die Erde reiten.«

      Doris stemmte ihre Hände in die nicht vorhandene Taille. Entrüstet wollte sie wissen: »Und was ist mit dem Nikolaus? He? Womit kommt der? Mit einem Esel oder Maulesel! Warum soll sie nicht mit dem Pferd kommen? Ich sage dir, Thomas, sie ist eine gute Fee, die uns wahrscheinlich unsere Mami geschickt hat.«

      Er schluckte. Sie war ja viel dümmer als er, nun, sie war auch eine Stunde jünger, das durfte man nicht vergessen.

      Außerdem war er von seinem Freund zum Abschied von Hamburg aufgeklärt worden. Er wußte, woher die Babys kamen, er wußte, daß es keinen Nikolaus und keinen Osterhasen gab. Nur wie das mit dem Christkind war, das wußte er nicht. Als Leo gerade von Weihnachten sprechen wollte, war seine Schwester gekommen und hatte ihrem Bruder eine schallende Ohrfeige gegeben. Außerdem wollte Thomas sehr gern an das Christkind glauben, alles konnte doch nicht gelogen sein.

      »Das mit der Fee ist quatsch.«

      »Du bist ja so blöd.« Doris schluchzte vor Glück und Aufregung. »Sie ist eine Fee. Sie wird mit ihrem Schirm alle Kisten berühren, die Sachen fliegen an ihren Platz; sie wird mit dem Schirm in der Küche Ordnung schaffen.«

      »Ich hab’ bei ihr keinen Schirm gesehen.«

      »Vielleicht braucht sie gar keinen, vielleicht kann sie auch ohne Schirm zaubern. Komm, wir sehen uns mal das Pferd an, vielleicht hat es sogar Flügel.«

      *

      Max Gilberg war noch immer durcheinander. Er saß auf der Holzbank und hatte die Ellbogen auf den Tisch gestützt. Woher wußte diese Person, die seinen Haushalt führen sollten und mit einem Pferd gekommen war, daß hier eine Bank stand? Er hatte sie ja noch nicht einmal wahrgenommen gehabt.

      Er hatte sie nicht kommen ge­hört. Da stand sie vor ihm, mit dem liebevollem Lächeln im


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