Эротические рассказы

Mein Herz ist aus Stein. Michaela LindingerЧитать онлайн книгу.

Mein Herz ist aus Stein - Michaela Lindinger


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Ball wohl in der Hoffnung auf einen kleinen Flirt besucht und schob nun die Kaiserin von Österreich durch das Maskengedränge. Als das ganze Theater doch zu peinlich wurde, ließ sie ihn auf ein Zeichen von Ida Ferenczy hin stehen und verschwand in einer Kutsche. Als Pacher der verkleideten Cinderella in einem Brief auf den Kopf zusagte, dass er in »Gabriele« längst die Kaiserin erkannt hatte, stoppte Elisabeth den mit verstellter Schrift verfassten und mit falschen Poststempeln versehenen Briefverkehr, mit dem sie sich in teenagerhafter Manier ein paar Monate lang gut unterhalten hatte. In ihrer Klimakteriums-Fadesse maß sie nun, 1885, dem an sich harmlosen Scherz einer Faschingsnacht überdimensionale Bedeutung bei und suchte aus heiterem Himmel den postalischen Kontakt mit dem längst verheirateten und nach eigenen Aussagen glatzköpfigen Fritz Pacher. Dieser antwortete sogar, wimmelte sie aber gereizt ab: »Eine anonyme Korrespondenz entbehrt nach so langer Zeit des Reizes«, schrieb er. Sisi ärgerte sich über den Korb, nannte Pacher »ein ganz gemeines Beast«. Zwei Jahre später war sie noch immer nicht über die Angelegenheit hinweg und trieb einen beträchtlichen Aufwand, um Pacher eines ihrer Gedichte in gedruckter Form zukommen zu lassen. Um »keinen Verdacht auf ihre Person zu lenken«, ließ sie den Text von Mittelsleuten in Brasilien (!) aufgeben. Der Schriftsteller Egon Cäsar Conte Corti interviewte Pacher als alten Mann für seine Elisabeth-Biografie und erfuhr auf diese Weise von der Existenz des Gedichts »Das Bild des gelben Domino/Long long ago«:

      Denkst du der Nacht noch im leuchtenden Saal?

      Lang, lang ist’s her,

      lang ist’s her,

      Wo sich zwei Seelen getroffen einmal,

      Lang, lang ist’s her,

      lang ist’s her,

      Wo uns’re seltsame Freundschaft begann,

      Lang, lang ist’s her, lang ist’s her!

      Denkst du, mein Freund, wohl noch manchmal daran?

      (…)

      Ein Druck der Hand noch, und ich musste flieh’n,

      Lang, lang ist’s her, lang ist’s her!

      Mein Antlitz enthüllen durft’ ich dir nicht

      Lang, lang ist’s her, lang ist’s her!

      Doch dafür gab ich der Seele ihr Licht,

      Freund, das war mehr, ja, das war mehr!

      (…)

      Lebst du, so gieb mir ein Zeichen bei Tag,

      Lang, lang ist’s her, lang ist’s her,

      (…)

      Lass mich warten nicht mehr,

      Warten nicht mehr!

      Die »seltsame Frau«

      Das Gefühl, etwas versäumt zu haben, lastete seit Jahren auf der Kaiserin von Österreich. Sie hatte Schwierigkeiten mit einem weiblichen Dasein, das sie nicht ausfüllen und ausleben konnte. Ende des 19. Jahrhunderts waren für eine Frau ihres Alters Rückzug und Unauffälligkeit vorgesehen. Für geistig interessierte Frauen, die sich in Gegenwart der Enkel und Urenkel fast zu Tode langweilten, sah die Epoche keine Identifikationsmodelle und keine Role-Models vor. Elisabeth klagte über ihre Vereinsamung, stellte jedoch auch fest: »Zum Paradies ward die Verlassenheit.«

      In der Mitte des Lebens sah sie endlose Jahre vor sich, welche sie mit schnellen Schritten und langen Fahrten zu bewältigen suchte. Es waren letzten Endes Reisen ins Schweigen und Vergessen. Ihre langjährige Vertraute Marie Festetics, die mit Andrássy befreundet war und sie in Fragen der ungarischen Außenpolitik beraten hatte, charakterisierte die ältere Elisabeth treffend:

      Da kamen viele gute Feen und legten ihr eine schöne Gabe in ihre Wiege, Schönheit, Lieblichkeit, Anmut, Vornehmheit, Einfachheit, Güte, Demut, Geist, Witz, Schalkhaftigkeit, Scharfsinn und Klugheit. Dann aber kam die böse Fee und sagte: Alles hat man Dir gegeben, wie ich sehe, alles. (…) Ich gebe Dir nichts. Ich nehme Dir aber ein hohes Gut (…) das Maßhalten in Deinem Tun, Treiben, Denken, Empfinden. Nichts soll Dir zur Freude werden, alles sich gegen Dich kehren, selbst Deine Schönheit soll Dir nur Leid schaffen.

      In ihrer unmittelbaren Umgebung, am Wiener Hof, war Elisabeth schon lange äußerst unbeliebt. Der Hochadel hasste sie seit dem Augenblick, als ihr Einsatz für Ungarn öffentlich wurde. »Die ungarische Dame« wurde sie genannt – eine große Auszeichnung in Ungarn, eine eindeutige Beschimpfung in Wien. Ihre magyarischen Hofdamen wie die erwähnte Marie Festetics konnten mit niemandem außer der Kaiserin sprechen, da die Mutter des Kaisers sie mit Nichtachtung strafte und die Hofgesellschaft diesem Beispiel folgte – galt doch Sophie bis zu ihrem Ableben, und auch noch darüber hinaus, den meisten als »wahre Kaiserin«. Die Ablehnung der Alteingesessenen provozierte in Elisabeth Unverschämtheit, Unkonventionalität, »Unmöglichkeit«. Immer dieses Lesen – was für eine Zeitverschwendung! Sie war durchaus geistreich, dadurch galt sie als »emanzipiert« – ein Schimpfwort. Sie war kulturell sehr interessiert – das fiel unangenehm auf, noch dazu bei einer Frau. Geistvoll – ein Synonym für liberal.

      Im Volk schwächelte die Zuneigung zu Elisabeth auch langsam, aber dafür umso bestimmter. Niemals würden die Wienerinnen und Wiener ihr verzeihen, dass sie ihre Schaulust nicht zu befriedigen gedachte: Karfreitagsprozession, Fronleichnamsfest, Maikorso … – bei allen Großereignissen im Jahreslauf glänzte die Monarchin durch Abwesenheit. Man wartete schon regelrecht auf die kleine Notiz in den Zeitungen, wonach ein »plötzliches Unwohlsein Ihre Majestät ergriffen« habe oder sie »zur Erholung aufs Land reisen« musste. Sie kümmerte sich mit fünfzig längst nicht mehr darum, etwas von dem verstehen zu wollen, was um sie herum vorging. Mit Schirm, Fächer und Schleier verschwand sie aus der Öffentlichkeit. Etwas Seltsames, Fremdes, schwer zu Deutendes schien von ihr auszugehen, etwas, das die Fantasie schon der Zeitgenossen anregte. Man versuchte sie zu deuten und missdeutete sie. Der Wiener Schriftsteller und spätere Filmproduzent Felix Dörmann verfasste in der Nachfolge von Charles Baudelaire die Gedichtsammlung »Neurotica« (1892). Elisabeth mochte Baudelaire. Seine Frauenschilderungen entsprachen ihren Selbstbildern: geisterhafte, flüchtige Wesen, Töchter der vom ermüdenden Duft der Tuberosen durchzogenen Décadence. Möglicherweise schwebte Dörmann das Bild der ihren Untertanen so fernen Elisabeth vor, als er diese Verse zu Papier brachte:

      Ich liebe, was niemand erlesen,

      Was keinem zu lieben gelang:

      Mein eigenes, urinnerstes Wesen

      Und alles, was seltsam und krank.

      IV Refugium im Wienerwald — Die Hermesvilla

      Im mailich ergrünenden Walde

      Da steht ein verzaubertes Schloss

      Auf blumendurchwucherten Halde

      Ruht träumend das Wild in dem Moos.

      »Titanias Zauberschloss« nannte die Kaiserin das für sie vorgesehene Altersdomizil. Als Alternative zu Hofburg und Schönbrunn war sie gedacht, die neue, im romantischen Historismus erbaute Landvilla mitten im Lainzer Tiergarten. Nicht allzu weit von der Stadt und der Sommerresidenz Schönbrunn entfernt, trotzdem ruhig und mitten im Grünen. Bei der Planung orientierte man sich nicht an imperialen Prunkbauten, sondern an jenen Sommersitzen in Reichenau an der Rax oder im Salzkammergut, die sich die vermögenden Fabrikanten und reichen Bankiers der Ringstraßenzeit in großer Zahl errichten ließen. Zum 50-jährigen Regierungsjubiläum Franz Josephs – Elisabeth war schon tot – konnte man in einer der zahllosen Jubelbroschüren unter anderem über das »wundersame Buen-Retiro unserer unvergesslichen Kaiserin« lesen, dass es »keineswegs das Bild des Landsitzes eines wohlhabenden Privatmannes überschreitet«.

       12 Friedrich Pontini: Die Hermesvilla mit der Penzinger Wiese, 1910


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