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Seine Schriften zur Wissenschaftslehre. Max WeberЧитать онлайн книгу.

Seine Schriften zur Wissenschaftslehre - Max Weber


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Konstruktionen zu derjenigen Wirklichkeit, welche die Erfahrungswissenschaften bearbeiten, natürlich nicht etwa das von »Naturgesetz« und »Konstellation«, sondern lediglich das eines idealtypischen Begriffs, der dazu dient, die empirisch gültige Deutung dadurch zu erleichtern, daß die gegebenen Tatsachen mit einer Deutungsmöglichkeit – einem Deutungsschema – verglichen werden, – sie ist insofern also verwandt der Rolle, welche die teleologische Deutung in der Biologie spielt. Wir »erschließen« auch durch die rationale Deutung nicht – wie Gottl meint – »wirkliches Handeln«, sondern »objektiv mögliche« Zusammenhänge. Die teleologische Evidenz bedeutet auch bei diesen Konstruktionen nicht ein spezifisches Maß von empirischer Gültigkeit, sondern die »evidente« rationale Konstruktion vermag, »richtig« gebildet, gerade die teleologisch nicht rationalen Elemente des faktischen ökonomischen Handelns erkennbar und damit das letztere in seinem tatsächlichen Verlaufe verständlich zu machen. Jene Deutungsschemata sind daher auch nicht nur – wie man gesagt hat – »Hypothesen« nach Analogien naturwissenschaftlicher hypothetischer »Gesetze«. Sie können als Hypothesen bei der heuristischen Verwendung der Deutung konkreter Vorgänge fungieren. Aber im Gegensatz zu naturwissenschaftlichen Hypothesen tangiert die Feststellung, daß sie im konkreten Fall eine gültige Deutung nicht enthalten, ihren Erkenntniswert nicht, ebensowenig wie z.B. die empirische Nichtgeltung des pseudosphärischen Raumes die »Richtigkeit« seiner Konstruktion. Die Deutung mit Hilfe des rationalen Schemas war dann eben in diesem Fall nicht möglich – weil die im Schema angenommenen »Zwecke« im konkreten Fall als Motive nicht existent waren –, was aber die Möglichkeit ihrer Verwertung für keinen anderen Fall ausschließt. Ein hypothetisches »Naturgesetz«, welches in einem Fall definitiv versagt, fällt als Hypothese ein- für allemal in sich zusammen. Die idealtypischen Konstruktionen der Nationalökonomie dagegen prätendieren – richtig verstanden – keineswegs, generell zu gelten, während ein »Naturgesetz« diesen Anspruch erheben muß, will es nicht seine Bedeutung verlieren. – Ein sogenanntes »empirisches« Gesetz endlich ist eine empirisch geltende Regel mit problematischer kausaler Deutung, ein teleologisches Schema rationalen Handelns dagegen eine Deutung mit problematischer empirischer Geltung: beide sind also logisch polare Gegensätze. – Jene Schemata sind aber »idealtypische Begriffsbildungen«191. Weil die Kategorien »Zweck« und »Mittel« bei ihrer Anwendung auf die empirische Wirklichkeit deren Rationalisierung bedingen, deshalb und nur deshalb ist die Konstruktion solcher Schemata möglich192. Von hier aus fällt noch einmal, und endgültig, Licht auf die Behauptung von der spezifischen empirischen Irrationalität der »Persönlichkeit« und des »freien« Handelns.

      Je »freier«, d.h. je mehr auf Grund »eigener«, durch »äußeren« Zwang oder unwiderstehliche »Affekte« nicht getrübter »Erwägungen«, der »Entschluß« des Handelnden einsetzt, desto restloser ordnet sich die Motivation ceteris paribus den Kategorien »Zweck« und »Mittel« ein, desto vollkommener vermag also ihre rationale Analyse und gegebenenfalls ihre Einordnung in ein Schema rationalen Handelns zu gelingen, desto größer aber ist infolgedessen auch die Rolle, welche – beim Handelnden einerseits, beim analysierenden Forscher andrerseits – das nomologische Wissen spielt, desto »determinierter« ist ersterer in bezug auf die »Mittel«. Und nicht nur das. Sondern je »freier« in dem hier in Rede stehenden Sinn das »Handeln« ist, d.h. je weniger es den Charakter des »naturhaften Geschehens« an sich trägt, desto mehr tritt damit endlich auch derjenige Begriff der »Persönlichkeit« in Kraft, welcher ihr »Wesen« in der Konstanz ihres inneren Verhältnisses zu bestimmten letzten »Werten« und Lebens-»Bedeutungen« findet, die sich in ihrem Tun zu Zwecken ausmünzen und so in teleologisch-rationales Handeln umsetzen, und desto mehr schwindet also jene romantisch-naturalistische Wendung des »Persönlichkeits«gedankens, die umgekehrt in dem dumpfen, ungeschiedenen vegetativen »Untergrund« des persönlichen Lebens, d.h. in derjenigen, auf der Verschlingung einer Unendlichkeit psycho-physischer Bedingungen der Temperaments-und Stimmungsentwickelung beruhenden »Irrationalität«, welche die »Person« ja doch mit dem Tier durchaus teilt, das eigentliche Heiligtum des Persönlichen sucht. Denn diese Romantik ist es, welche hinter dem »Rätsel der Persönlichkeit« in dem Sinn steht, in welchem Treitschke gelegentlich und viele andere sehr häufig davon sprechen, und welche dann womöglich noch die »Willensfreiheit« in jene naturhaften Regionen hineindichtet. Die Sinnwidrigkeit dieses letzteren Beginnens ist schon im unmittelbaren Erleben handgreiflich: wir »fühlen« uns ja gerade durch jene »irrationalen« Elemente unseres Handelns entweder (zuweilen) geradezu »nezessitiert« oder doch in einer unserem »Wollen« nicht »immanenten« Weise mitbestimmt. Für die »Deutung« des Historikers ist die »Persönlichkeit« nicht ein »Rätsel«, sondern umgekehrt das einzig deutbare »Verständliche«, was es überhaupt gibt, und menschliches Handeln und Sich-Verhalten an keiner Stelle, insbesondere auch nicht da, wo die Möglichkeit rationaler Deutung aufhört, in höherem Grade »irrational« – im Sinn von »unberechenbar« oder der kausalen Zurechnung spottend –, als jeder individuelle Vorgang als solcher überhaupt es ist, dagegen hoch hinausgehoben über die Irrationalität des rein »Natürlichen« überall da, wo rationale »Deutung« möglich ist. Der Eindruck von der ganz spezifischen Irrationalität des »Persönlichen« entsteht dadurch, daß der Historiker das Handeln seiner Helden und die daraus sich ergebenden Konstellationen an dem Ideal teleologisch-rationalen Handelns mißt, statt es, wie es – um Vergleichbares zu vergleichen – geschehen müßte, mit dem Ablauf individueller Vorgänge in der »toten Natur« zu konfrontieren. Am allerwenigsten aber sollte irgendein Begriff von »Willensfreiheit« mit jener Irrationalität je in Beziehung gesetzt werden. Gerade der empirisch »frei«, d.h. nach Erwägungen Handelnde, ist teleologisch durch die, nach Maßgabe der objektiven Situation, ungleichen und erkennbaren Mittel zur Erreichung seiner Zwecke gebunden. Dem Fabrikanten im Konkurrenzkampf, dem Makler auf der Börse hilft der Glaube an seine »Willensfreiheit« herzlich wenig. Er hat die Wahl zwischen ökonomischer Ausmerzung oder der Befolgung sehr bestimmter Maximen des ökonomischen Gebarens. Befolgt er sie zu seinem offenkundigen Schaden nicht, so werden wir zur Erklärung – neben anderen möglichen Hypothesen – eventuell gerade auch die in Betracht ziehen, daß ihm die »Willensfreiheit« mangelte. Gerade die »Gesetze« der theoretischen Nationalökonomie setzen, ganz ebenso wie natürlich auch jede rein rationale Deutung eines historischen Einzelvorganges, das Bestehen von »Willensfreiheit« in jedem auf dem Boden des Empirischen überhaupt möglichen Sinn des Wortes notwendig voraus.

      In irgendeinem andern als jenem Sinn zweckvoll-rationalen Handelns gefaßt, steht dagegen das »Problem« der »Willensfreiheit« in allen Formen, die es überhaupt annehmen kann, durchaus jenseits des Betriebes der Geschichte und ist für sie ohne alle Bedeutung.

      Die »deutende« Motivforschung des Historikers ist in absolut dem gleichen logischen Sinn kausale Zurechnung wie die kausale Interpretation irgendeines individuellen Naturvorganges, denn ihr Ziel ist die Feststellung eines »zureichenden« Grundes (mindestens als Hypothese) genau so, wie dies bei komplexen Naturvorgängen, falls es auf deren individuelle Bestandteile ankommt, allein das Ziel der Forschung sein kann. Sie kann die Erkenntnis eines So-handeln-müssens (im naturgesetzlichen Sinn), wenn sie nicht entweder dem Hegelschen Emanatismus oder irgendeiner Spielart des modernen anthropologischen Okkultismus zum Opfer fallen will, nicht zum Erkenntnisziel machen, weil das menschliche ganz ebenso wie das außermenschliche (»lebende« oder »tote«) Konkretum, als ein irgendwie begrenzter Ausschnitt des kosmischen Gesamtgeschehens angesehen, nirgends im ganzen Umkreise des Geschehens in ein lediglich »nomologisches« Wissen »eingeht«, – da es überall (nicht nur auf dem Gebiete des »Persönlichen«) eine intensive Unendlichkeit des Mannigfaltigen ist, von der für einen historischen Kausalzusammenhang, logisch betrachtet, alle denkbaren einzelnen, für die Wissenschaft lediglich als »gegeben« konstatierbaren Bestandteile als kausal bedeutsam in Betracht kommen können.

      Die Form, in welcher die Kategorie der Kausalität von den einzelnen Disziplinen verwendet wird, ist eben eine verschiedene, und in einem bestimmten Sinn – das ist durchaus zugegeben – wechselt damit auch der Gehalt der Kategorie selbst, dergestalt nämlich, daß von ihren Bestandteilen bald der eine, bald der andere grade dann seinen Sinn verliert, wenn mit


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