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Odysseus und die Wiesel. Georg von WallwitzЧитать онлайн книгу.

Odysseus und die Wiesel - Georg von Wallwitz


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nicht durch Edelmetalle gedeckten Währung im Jahr 1708 dem König vor, der aber ablehnt, weil Law kein Katholik ist. Nach dem Tod des Sonnenkönigs richtet er seinen Vorschlag noch einmal an den Regenten, den Herzog von Orléans, der Atheist ist und den er Gerüchten zufolge in einer Spielhölle kennengelernt hatte. Der Regent, der für jede Art von Ausschweifung zu haben ist, sieht sich vor der Alternative, entweder eisern zu sparen oder Papiergeld auszugeben. Er entscheidet sich für die damals noch unorthodoxe Variante. Am 2. Mai 1716 gründet Law mit einem Kapital von sechs Millionen Pfund eine Bank, die später unter dem Namen Banque Royale firmiert. Sie hat das Recht, Banknoten herauszugeben. Diese Banknoten sind eigentlich Quittungen für eingezahltes Gold und Silber und können prinzipiell jederzeit in Edelmetall getauscht werden. Die Pariser Oberschicht erkennt schnell die praktischen Vorteile der Banknoten gegenüber den herkömmlichen Louis d’Or. Bald werden die Banknoten allgemein akzeptiert.

      Das eingenommene Gold wird aber nicht in der Bank verwahrt, sondern zur Tilgung der Staatsschuld und zur Finanzierung der laufenden Staatsausgaben verwendet. Um gar nicht erst den Gedanken aufkommen zu lassen, die Währung könnte nicht gedeckt sein, organisiert Law die Compagnie de la Louisiane ou d’Occident (auch bekannt unter dem

      Namen Compagnie du Mississippi), die zahlreiche Monopole auf den Handel mit den französischen Besitzungen in Übersee erhält. Dieses Unternehmen verspricht durch die Ausbeutung der angeblich gewaltigen Goldvorkommen in Louisiana große Gewinne. Indem der Staat Aktien der Compagnie d’Occident verkauft, kann er heute Geld einnehmen, welches durch zukünftige (Gold-)Einnahmen gedeckt ist. Das verbessert das Ansehen der Banknoten, denn die Banque Royale nimmt viel Geld ein durch den Verkauf von Aktien und kann auf die nach wie vor im eigenen Bestand gehaltenen Papiere als zusätzliche Sicherheit verweisen. Es wäre ja auch eine Sicherheit gewesen, wenn es tatsächlich Gold am Mississippi gegeben hätte und die Aktien (und damit das Vermögen der Bank) etwas wert gewesen wären. Für den Moment jedenfalls schien hinter den Banknoten eine fast unerschöpfliche Menge Goldes zu stehen.

      John Law gelingt es, eine gewaltige Hausse anzuheizen. Durch zeitweise künstliche Angebotsverknappung treibt er den Kurs der Compagnie d’Occident in die Höhe. Sobald die Kurse gestiegen sind, verkauft er neue Aktien. Das auf diese Weise eingenommene Geld wird aber nicht in die Goldsuche in Louisiana gesteckt – das ist vernünftig, denn es gibt dort kein Gold –, sondern in die Sanierung des Staatshaushalts. Law wird Finanzminister und zum mächtigsten Mann nach dem Regenten.

      Durch die dramatisch steigenden Kurse entstehen plötzlich unglaubliche Reichtümer. Das löst eine Kaufpanik aus. Es kommt zu Tumulten an der alten Börse, sodass der Handel bald unter freiem Himmel stattfindet, auf der Place Vendôme und in der Nähe des Hôtel de Soissons. Dort müssen Wachen dafür sorgen, dass der Handel wenigstens in der Nacht ruht. Mit immer neuen Versprechungen über immer neues Gold in Louisiana schafft es Law, das Interesse immer breiterer Käuferschichten zu wecken und immer mehr Aktien zu immer höheren Kursen zu verkaufen. Das neue Geld ist ein Segen für die französischen Staatsfinanzen. Die Wirtschaft, die zuvor an Geldmangel litt, ist plötzlich bestens mit Liquidität versorgt. Das billige Geld lässt die Zinsen sinken und das Land erlebt einen wunderbaren Aufschwung. Allerdings dauern solche Glückszustände nie lange an, und ein finanziell versierter Beobachter wie Voltaire bemerkte schon 1719 korrekt, dass der Boom mehr mit Phantasie als mit Realität zu tun hat und dass »in Paris alle verrückt geworden sind«.

      Skepsis ist immer angebracht, wenn der Anfang und das Ende unklar sind und die Mitte in ständiger Bewegung. 1720 bricht das System zusammen. Der Prinz von Conti ist verärgert, weil er Schwierigkeiten hat, Aktien zu kaufen. Daher schickt er einen Pferdewagen los, um seine Banknoten in der Banque Royale in Gold zurückzutauschen. Law ordnet zwar an, das Gold an Conti auszuzahlen, aber der Herzog von Orléans interveniert zu Gunsten der Staatskasse. Das ist keine gute Idee, denn der Regent bringt damit tout Paris auf den Gedanken, die Banknoten und Aktien wieder loswerden zu wollen. Die Panik bricht nun in die andere Richtung aus. Plötzlich sieht jeder, dass die Banque Royale ihr Versprechen nicht halten kann, bei Bedarf Papier gegen Gold zu wechseln. Es kommt zu immer neuen Abwertungen der Papiere. Zwischen September 1719 und Dezember 1720 wird der offizielle Goldkurs 28-mal geändert. Dadurch wird das Papiergeld nicht beliebter und die Lage immer prekärer. Im Juli 1720 kommt es zu schweren Ausschreitungen. Fünfzehn Menschen kommen beim Versuch der Erstürmung der Banque Royale ums Leben.

      John Law ist ein Hasardeur und ein Gauner, der es zum Finanzminister gebracht hat. Er hat die Chuzpe, eine Illusion mit gewaltigen realen Auswirkungen aufzuziehen. Die Welt verdankt ihm das Papiergeld, das während seiner Amtszeit im Jahre 1717 in Frankreich als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt wird. Law bezahlt Schulden mit Schulden (Banknoten), die wiederum durch Versprechungen (Gold in Louisiana!) gedeckt sind. In dieser Geschichte von unbezahlbaren Verpflichtungen, finanzieller Phantasie und blinder Gier entsteht das Papiergeld als Ausweg für den Staat, seine ursprünglich in Gold aufgenommenen Schulden lediglich mit einer Fiktion zurückzahlen zu müssen.

      Die Beobachtung, dass eine zu knappe Geldmenge die Wirtschaft abwürgt, und die Idee, dem Mangel durch die Ausgabe von Papiergeld abzuhelfen, ist durchaus richtig. Aus heutiger Sicht erscheint aber der Versuch naiv, Papiergeld akzeptabel zu machen, indem man es mit hoffnungslos inflationierten Aktien besichert. Papiergeld wird nur dann als Zahlungsmittel akzeptiert, wenn das Vertrauen besteht, dass davon nicht zu viel ausgegeben wird. Für eine disziplinierte Umsetzung des Übergangs vom Gold zum Papier ist Law sicher der falsche Finanzminister und Philippe von Orléans ganz sicher der falsche Regent. Law hat nicht die Skepsis, nicht den kühl berechnenden Verstand, nicht die Bescheidenheit, die in der Welt der Finanzen ebenso wichtig sind wie die Kühnheit, von der er zu viel mitbringt.

      So versickert seine Idee schnell wieder im Quellgrund. Es gibt immer wieder Versuche, Papiergeld einzuführen, aber sie nehmen fast ausnahmslos eine schlimme Wendung: Irgendwann werden mehr Quittungen ausgestellt, als Edelmetall vorhanden ist. Kaum eine Institution kann dieser Versuchung widerstehen. Erst 250 Jahre später lösen die Zentralbanken endgültig den Zusammenhang von Gold und Geld. So lange dauert es, eine gute Idee wieder salonfähig zu machen, die durch eine finanzielle Katastrophe diskreditiert wurde. Heute ist das ungedeckte Geld nicht mehr wegzudenken.

      Den bislang letzten Versuch, Papiergeld zu einem festgelegten Kurs gegen Gold zu tauschen, unternehmen ironischerweise die Franzosen, als sie im Jahr 1971 realisieren, dass die Amerikaner zur Finanzierung des Vietnamkrieges zu viele Dollars drucken und ihr Versprechen, den Dollar jederzeit in Gold zu tauschen, noch weniger halten können als zuvor. Da die Franzosen gern die Amerikaner ärgern, verlangen sie die Erfüllung des Versprechens. Aus ihrer eigenen Geschichte wissen sie zwar, dass sie damit nicht an die Goldvorräte der Amerikaner kommen, aber wenigstens haben sie ihren Spaß bei der Demütigung ihres besten Verbündeten. Die Amerikaner reagieren auf die französische Forderung wie einst der Herzog von Orléans auf den Pferdewagen des Prinzen von Conti. Sie weigern sich, ihr Gold gegen Dollars einzutauschen, und gehen zu einer reinen Papierwährung über.

      Die Niederlande waren ein gut regiertes Gemeinwesen. Die Handelsherren waren sittenstreng, ohne borniert zu sein, selbstbewusst und dennoch weltoffen, und sie hatten Sinn für Geld und für Kunst. Frankreich war ein innerlich zerfallender Staat. Die von Richelieu geschaffene absolute Macht des Königtums hatte äußerlich jeder gesellschaftlichen Entwicklung ein Ende gesetzt. Was sich in Holland nach 1602 und in Frankreich nach 1716 an den Börsen entwickelt, spiegelt nichts anderes als die Verfassung, in der diese Gemeinwesen damals waren. Sie sind wie ein Sittengemälde, dessen Medium das Geld ist.

      Verständlicherweise sehnt sich die Finanzwelt nach ihren Amsterdamer Wurzeln wie nach einem verlorenen Paradies. Die idealen Zustände von damals müssten doch eigentlich als Ausgangspunkt erhalten werden können. Die Geschichte der Finanzmärkte sieht aber anders aus und ist voll von aufquellenden und versickernden Ideen, denn Geld beflügelt die Phantasie und macht anfällig für Illusionen. Wie in der Politik, der Kunst, der Pädagogik – kurz: wie in allen menschlichen Angelegenheiten – kann in der Finanzwelt, was heute noch unmöglich ist, morgen bereits der letzte Schrei und die einzige Lösung sein, bloß um übermorgen als rückständig und eigentlich absurd zu gelten. Die Umstände ändern sich und mit ihnen die Moden und Leidenschaften, welche die Ideen tragen oder nicht.

      Dennoch klammert sich die Finanzwelt bis heute


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