Northern Lights - Die Wölfe vom Mystery Creek. Christopher RossЧитать онлайн книгу.
große böse Wolf in ›Rotkäppchen‹ oder den Mickey-Mouse-Geschichten, gibt es da noch einiges zu tun. Und wir werden natürlich gerufen, wenn es Probleme mit Wölfen gibt, oder wenn Tiere wie bei einem Waldbrand oder anderen Katastrophen in Gefahr geraten oder verletzt werden. Nicht nur Menschen sind dann bedroht.«
Die Fröhlichkeit war ein wenig aus Pearls Augen verschwunden. »Na, dann seien Sie froh, dass mein Mann mit einer Jüngeren durchgebrannt ist. Gus hasste Wölfe wie die Pest. ›Die Bestien sollte man ausrotten‹, sagte er immer, die wären schlimmer als Ratten und würden kleine Kinder fressen.«
»Und Sie? Denken Sie auch so?«
»Begegnen möchte ich keinem, aber ich hab nichts gegen Wölfe. Ich finde manche Hunde viel schlimmer. Wenn ich vor einem Supermarkt aus dem Wagen steige, faucht mich garantiert einer an. Aber mein Ex musste auch alle paar Tage in den Wald, er war Holzfäller, und mochte weder Wölfe noch Bären. Oder alle anderen Viecher, die einem dort gefährlich werden können.«
Von draußen klang Motorengeräusch herein. Ein Firefighter in voller Montur erschien und stellte sich als Philip McDonald vor. Er war überhaupt nicht ihr Typ, hatte rötliche Haare und Sommersprossen um die Nase, war aber durchtrainiert und sportlich und begrüßte sie mit einem sympathischen Lächeln. »Sagen Sie Phil zu mir. Bei McDonald’s bestellt man Hamburger.«
»Carla«, erwiderte sie.
Er musterte sie. »Sie haben feuerfeste Stiefel und Hosen an, wie ich sehe. Schutzjacke, Helm und Handschuhe hab ich im Wagen.« Er deutete auf ihren Rucksack. »Wasserflasche? Proviant? Verbandszeug? Man hat mir gesagt, Sie wüssten, wie man sich in der Wildnis verhält. Der Chief lässt Sie nicht zu dicht ans Feuer ran, zu gefährlich, aber bei einem Waldbrand weiß man nie.«
»Wie geht es meinem Sohn?«, fragte Pearl. »Lucky ist doch okay?«
»Lucky? Den wirft so schnell nichts um. Er ist am Jean Lake oben und hilft den Hot Shots aus Palmer, eine Brandschneise gegen die Flammen zu graben. Es geht ihm gut, Ma’am. Hot-Shot-Teams bestehen aus erfahrenen Spezialisten, die lassen nichts anbrennen. Im wahrsten Sinne des Wortes.«
Carla hatte ihren Rucksack umgeschnallt. »Könnte spät werden«, sagte sie zu Pearl, bevor sie dem Firefighter zu seinem Geländewagen folgte. Sie zog die gelbe Schutzjacke an und nahm den Helm mit auf den Beifahrersitz. Ein leichter Schutzhelm mit einem herunterklappbaren Visier gegen Funkenflug.
Die ersten Meilen kamen sie gut voran. Wegen des Feuers war kaum Verkehr, und nur die dichten Rauchwolken, die aus nordwestlicher Richtung über das Land zogen, machten ihnen zu schaffen. Zusammen mit dem Widerschein der Flammen, die bisher noch in respektvoller Entfernung vom Highway brannten, verband der Qualm sich zu einem orangefarbenen Nebel, der ohne seine verheerenden Auswirkungen sicher als Naturereignis gefeiert worden wäre.
»Seit einigen Tagen geht das schon so«, sagte Phil, »schlimmer war es nur vor zwei Jahren nördlich von Valdez.« Dichte Rauchschwaden, vom Wind über die Straße getrieben, zwangen ihn, langsam zu fahren. »Ihr erstes Feuer?«
Sie blickte nervös in den Rauch. »Einige kleine Brände, nicht zu vergleichen mit der Katastrophe hier. Bekommen Sie das Feuer unter Kontrolle?«
»Wir haben alle Firefighter im Einsatz, die greifbar waren. Sogar ein Hot-Shot-Team aus Montana. Diese Hot-Shot-Männer sind noch besser ausgebildet als wir, so was wie die Marines der Feuerbekämpfung. Und einige der Piloten, die mit Löschflugzeugen und Hubschraubern unterwegs sind, haben schon riesige Ölbrände in Texas und Mexiko gelöscht. Das Feuer hat keine Chance, aber es wird wohl einige Zeit dauern, bis wir es gelöscht haben.«
»Ich hab gehört, ein Blitz soll es ausgelöst haben.«
»Vor einer Woche gab’s ein Gewitter in unserer Gegend, da hat es ordentlich gekracht und geblitzt. So entstehen die meisten Waldbrände. Aber es kann auch was anderes gewesen sein. Eine achtlos weggeworfene Zigarettenkippe, das Lagerfeuer eines Campers, wahrscheinlich erfahren wir das nie.«
»Brandstiftung?«
»So verrückt war hoffentlich keiner.«
Sie hatten die Rauchschwaden durchquert und sahen sich einer Absperrung gegenüber. Ein Schild wies die Autofahrer an, auf das Pilot Car zu warten, das sie über die jetzt einspurige Strecke bis kurz vor Sterling führen würde.
»Wenn wir das Feuer nicht bald unter Kontrolle bekommen, müssen wir den Highway ganz schließen«, sagte Phil. »Unsere Leute sind dabei, eine breite Brandschneise nördlich des Sterling Highway zu graben, nur so können wir die Flammen davon abhalten, die Straße zu überqueren. Ich bin bei dem Team, das die Schneise von Gestrüpp befreit und kleinere Brände löscht.«
Carla wusste, dass ein Teil der Firefighter mit Wasserrucksäcken und einer Pumpe unterwegs war, um abseits der Stützpunkte gegen das Feuer vorgehen zu können. »Und es sind noch keine Menschen zu Schaden gekommen?«
»Zum Glück nicht. Nur ein paar Verletzte mit Rauchvergiftungen.«
»Und Tiere?«
»Tausende«, gestand er, »und wenn Sie Insekten, Käfer und Würmer mitzählen, wahrscheinlich Hunderttausende. Selbst Bären, Wölfe und Elche schaffen es oft nicht, vor einem Feuer zu fliehen. Die Schnelligkeit, mit der sich Flammen ausbreiten, wird meist unterschätzt, auch von Menschen.«
Das Pilot Car war erschienen und wendete vor ihnen. Der Fahrer winkte ihnen zu und fuhr mit flackernden Warnleuchten voraus. Der Wind stand hier günstiger, und es gab nur wenig Rauch, doch als Carla aus dem Seitenfenster blickte, konnte sie die Flammen in einiger Entfernung sehen, flackernde Feuerzungen, die trockenes Gras und Gestrüpp verbrannten und sich gierig an den Schwarzfichten emporfraßen. Ein faszinierender, aber beklemmender Anblick, der ihr Angst einjagte, obwohl das Feuer noch meilenweit entfernt war.
Carla war nach ihrer Rückkehr aus Anchorage von Chief Baxter angerufen worden. »Wir haben hier etliche Leute vom BLM und Fish & Wildlife im Einsatz«, hatte er gesagt, »aber Sie wissen ja, wie diese Beamten sind. Unflexibel wie sonst was. Ich weiß, dass sich am Mystery Creek etliche Wölfe rumtreiben und hätte gern eine Expertin hier. Keine Ahnung, was wir bezahlen können, aber für ein paar Scheine wird es schon reichen. Ich hab was für Wölfe übrig, wissen Sie? Für Tiere überhaupt. Was wären wir in Alaska ohne Tiere? Die Leute kommen vor allem wegen unserer Natur. Wie sieht’s aus?«
So hörte Carla nur selten einen Mann reden. Die meisten waren nicht gut auf Wölfe zu sprechen, verteufelten sie und behaupteten, es gäbe sowieso zu viele in Alaska, und dass diese Bestien Kinder und hilflose Alte in Gefahr brächten. Reine Stimmungsmache, wie sie wusste. Wölfe wurden Menschen selten gefährlich, und Schafe und Kälber rissen sie nur, wenn es extrem kalt wurde und sich keine Beutetiere mehr in den Wäldern aufhielten. Sie gingen den Menschen möglichst aus dem Weg. Selbst Einheimische bekamen sie selten zu Gesicht.
Seine Einstellung, für einen Firefighter ausgesprochen bemerkenswert, und seine lockere Sprache nahmen sie sofort für Baxter ein. Normalerweise lag sie mit Regierungsbeamten und anderen Offiziellen im Clinch. Wölfe hatten ein schlechtes Image, auch bei den Behörden. Es gab über zehntausend Wölfe in Alaska. Was machte es schon, wenn ein paar Dutzend verbrannten? Viele Männer waren passionierte Jäger, die Wölfe als Feinde betrachteten.
»Und wie könnte ich helfen?«
»Wir haben genug mit dem Feuer zu tun und damit, gefährdete Menschen aus dem Gefahrenbereich zu bringen. Für Tiere bleibt da wenig Zeit. Die meisten Vierbeiner, die wir finden, sind bereits tot. Am Mystery Creek soll es ein Wolfsrudel geben, vielleicht sogar zwei, und da wir gerade Frühjahr haben, könnten sich einige Welpen in ihren Bauten aufhalten. Wie gesagt, uns fehlen die Leute und das Know-how. Sie wissen, wo Sie suchen müssen, und können vielleicht einige retten, solange das Feuer ihnen nicht zu nahe kommt.«
Carla war überrascht. »Sie rufen mich wegen ein paar Welpen an?«
»Aber ich dachte …«
»Ich bin nur überrascht, Mister Baxter.«
»Chief. Selbst meine Frau nennt mich so.«
»Angenehm