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Die Abtei von Northanger. Jane AustenЧитать онлайн книгу.

Die Abtei von Northanger - Jane Austen


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Tilney erschien nicht. Jedes Lebewesen in Bath war während der Promenadenstunden am Brunnen zu treffen, nur er nicht. Eine Unzahl Menschen ging jeden Augenblick aus und ein, die Treppen hinauf und hinunter, Menschen, um die sich niemand kümmerte, die niemand erwartete - nur er war nicht dabei. »Wie reizend doch Bath ist!« sagte Mrs. Allen, sich in der Nähe der großen Uhr niederlassend, nachdem man die Halle bis zur Ermüdung hinauf- und hinabgebummelt war, »und wie schön es erst wäre, wenn wir hier Bekannte hätten!«

      Dieser Wunsch war nun schon so oft vergebens geäußert worden, daß Mrs. Allen keinen triftigen Grund zu der Hoffnung hatte, es möchte sich noch einmal zu ihren Gunsten ändern; aber es heißt bekanntlich, man soll an der Erfüllung eines Wunsches niemals verzweifeln, da unerschütterliche Ausdauer schließlich doch zum Ziele führt. Und die unerschütterliche Ausdauer, mit der sie sich jeden Tag das gleiche gewünscht hatte, fand endlich ihre gerechte Belohnung; denn sie saßen noch kaum zehn Minuten, als eine fast gleichaltrige, neben ihr sitzende Dame, sie nach aufmerksamer Betrachtung freundlich ansprach: »Ich glaube mich nicht zu irren, Madam. Es ist zwar lange her, seit ich das Vergnügen hatte, Sie kennenzulernen - aber heißen Sie nicht Mrs. Allen?« Auf die bereitwillige Antwort nannte die Fremde ihren Namen: Mrs. Thorpe. Mrs. Allen erkannte unverzüglich die Züge ihrer früheren Schulkameradin und Busenfreundin, die sie seit ihrer beider Heirat nur noch einmal wiedergesehen hatte, und das lag viele Jahre zurück. Beider Freude über diese Begegnung war groß, da sie während der letzten fünfzehn Jahre nichts voneinander gehört hatten. Man tauschte Komplimente über das gute Aussehen; und nachdem man festgestellt hatte, wie schnell die Jahre seit dem letzten Beisammensein verflogen waren, wie wenig man eine Begegnung in Bath erwartet hatte und welche Freude es sei, einer alten Freundin wieder zu begegnen, fragten sie nach ihren beiderseitigen Familien, Schwestern und Basen. Sie sprachen beide gleichzeitig, und jede gab viel lieber Auskunft, als zuzuhören, so daß die eine nur sehr wenig von den Worten der anderen verstand. Mrs. Thorpe hatte jedoch einen großen Vorteil vor Mrs. Allen, da sie eine ganze Reihe Kinder besaß. Und als sie sich über die Begabung ihrer Söhne und die Schönheit ihrer Töchter verbreitete, als sie von ihren verschiedenen Stellungen berichtete - über John in Oxford und Edward bei einem Tuchgroßhändler, und daß William zur See fahre und einer bei seinen Vorgesetzten beliebter sei als der andere -, da hatte Mrs. Allen nichts dagegenzusetzen und keine ähnlichen Triumphe dem unwilligen und ungläubigen Ohr ihrer Freundin aufzuzwingen. Sie war dazu verurteilt, mit freundlichem Lächeln vorzugehen, als lausche sie aufmerksam den Ergüssen der stolzen Mutter. Aber sie tröstete sich derweilen mit der Entdeckung, daß die Spitze auf Mrs. Thorpes Umhang nicht annähernd so hübsch wie ihre eigene war.

      »Hier kommen meine lieben Töchter«, rief Mrs. Thorpe und wies auf drei hübsche Mädchen, die sich Arm in Arm näherten. »Meine liebe Mrs. Allen, ich brenne darauf, sie Ihnen vorzustellen. Alle drei werden entzückt sein, Sie kennenzulernen. Die größte ist Isabella, meine Älteste. Ist sie nicht eine hübsche junge Dame? Aber auch die anderen werden ziemlich bewundert. Ich halte jedoch Isabella für die Schönste.«

      Die Damen Thorpe wurden vorgestellt und Miß Morland, die man für kurze Zeit ganz vergessen hatte, ebenfalls präsentiert. Der Name schien allen aufzufallen, und nach einigen getauschten Höflichkeiten bemerkte die älteste der jungen Damen: »Wie sehr Miß Morland ihrem Bruder ähnelt!«

      »Ganz sein Ebenbild, wirklich!« rief die Mutter aus. »Ich hätte überall sogleich erkannt, daß sie seine Schwester ist«, wiederholten alle einige Male. Im Augenblick war Catherine überrascht. Aber Mrs. Thorpe und ihre Töchter berichteten kaum über die Geschichte iher Bekanntschaft mit Mr. James Morland, als sie sich entsann, ihr ältester Bruder habe sich unlängst mit einem jungen Mann seines Colleges, namens Thorpe, befreundet und die letzten acht Tage der Weihnachtsferien bei seiner Familie in der Nähe Londons verbracht.

      Als alles erklärt war, drückten die Damen Thorpe den Wunsch aus, einander näher kennenzulernen, zumal man sich durch die Freundschaft der Brüder bereits jetzt als Freundinnen betrachtete. Catherine hörte erfreut zu und antwortete mit all den zierlichen Sprüchen, die ihr zu Gebote standen. Als ersten Beweis ihrer Freundschaft schlug die älteste Miß Thorpe einen gemeinsamen Rundgang durch die Halle vor. Catherine war über diese Erweiterung ihrer Bekanntschaften in Bath entzückt und vergaß während der Unterhaltung mit Miß Thorpe beinahe Mr. Tilney. Freundschaft ist ein vorzüglicher Balsam auf die Wunden enttäuschter Liebe.

      Ihre Unterhaltung wandte sich jenen Themen zu, deren Erörterung viel zur Vertrautheit zwischen zwei jungen Damen beiträgt: nämlich Bälle, Kleider, Liebeleien und Lästereien. Miß Thorpe, vier Jahre älter und mindestens um vier Jahre erfahrener als Catherine, verfügte über einen entschiedenen Vorteil auf diesen Gebieten. Sie konnte die Bälle von Bath mit denen von Tunbridge vergleichen, die Moden von dort mit denen von London; sie vermochte die Ansichten ihrer neuen Freundin hinsichtlich geschmackvoller Kleidung zu berichtigen; konnte aus dem Lächeln zwischen irgendeinem Herrn und einer beliebigen Dame den Grad der Tändelei feststellen und verstand es, im dichtesten Gewühl zu lästern. Catherine waren solche Fähigkeiten völlig neu, und sie zollte ihnen die gebührende Bewunderung. Die so hervorgerufene Achtung hätte eine Vertrautheit kaum zugelassen, wenn nicht die leichte Heiterkeit in Miß Thorpes Benehmen und die häufigen Versicherungen ihres Entzückens über diese Bekanntschaft jede Ehrfurcht gemildert und nur zärtliche Liebe zurückgelassen hätten. Ihre wachsende Zuneigung war nicht mit ein paar Runden um die Brunnenhalle befriedigt, sondern veranlaßte Miß Thorpe, ihre Freundin Miß Morland bis zu Mr. Allens Wohnung zu begleiten, wo sie sich mit einem liebevollen und ausgedehnten Händedruck verabschiedeten. Es diente zur beiderseitigen Erleichterung, daß man sich noch am gleichen Abend im Theater von einer Loge zur anderen begrüßen und am nächsten Morgen die Andacht in der gleichen Kirche verrichten werde. Catherine rannte sofort hinauf und verfolgte vom Wohnzimmerfenster aus Miß Thorpes Weg die Straße hinab. Sie bewunderte die Grazie ihres Ganges, ihre vornehme Haltung, ihre geschmackvolle Kleidung und empfand gebührenden Dank für den Zufall, der ihr eine solche Freundin beschert hatte.

      Mrs. Thorpe war Witwe, und nicht einmal eine reiche; sie war eine gutmütige und wohlwollende Frau und eine sehr nachsichtige Mutter. Ihre älteste Tochter zeichnete sich wirklich durch große Schönheit aus, und die jüngeren wirkten auch gut, sie täuschten sich vor, ebenso hübsch zu sein, ahmten ihre Haltung nach und kleideten sich im gleichen Stil.

      Dieser kurze Bericht über die Familie Thorpe soll die Notwendigkeit einer langen und eingehenden Schilderung von Mrs. Thorpe, ihren früheren Abenteuern und Leiden ersetzen, die leicht einige Kapitel ausfüllen könnte über die Unwürdigkeit von Lords und Rechtsanwälten sowie über die unzähligen Unterhaltungen, die vor zwanzig Jahren stattgefunden hatten.

      Fünftes Kapitel

      Catherine war am Abend im Theater von Miß Thorpes Kopfnicken und Lächeln doch nicht so sehr in Anspruch genommen,um nicht in jeder ihrem Auge erreichbaren Loge nach Mr. Tilney auszuspähen. Aber sie schaute vergebens umher.

      Mr. Tilney schien für das Theater nicht mehr Neigung zu verspüren als für die Brunnenhalle. Sie hoffte, am nächsten Tag erfolgreicher zu sein; und als dann herrliches Wetter herrschte hegte sie keinen Zweifel mehr, denn ein strahlender Sonntag lockt in Bath alle Welt hervor.

      Gleich nach dem Gottesdienst gesellten sich die Thorpes und Allens zueinander; und als man nach längerem Aufenthalt in der Brunnenhalle festgestellt hatte, daß die Menschenmenge unerträglich und nicht ein vornehmes Gesicht anwesend sei -eine Entdeckung, die jedermann während der ganzen Saison an jedem Sonntag aufs neue machte -, eilten sie zum Crescent, um die frische Luft besserer Gesellschaft zu genießen. Catherine und Isabella gingen Arm in Arm und schwelgten unter rückhaltloser Vertraulichkeit in der Süßigkeit ihrer Freundschaft. Aber Catherines Hoffnung auf ein Wiedersehen mit ihrem Tanzpartner wurde erneut enttäuscht. Nirgendwo war er aufzuspüren, alles Suchen blieb gleich erfolglos, sei es morgens in den Salons oder bei den abendlichen Veranstaltungen. Ebensowenig befand er sich unter den Fußgängern, den Reitern oder den Herren, die morgens ihre Kabriolets kutschierten. Sein Name war in der Kurliste nicht verzeichnet. Mehr konnte die Neugier nicht erreichen. Er mußte Bath verlassen haben, obgleich er nichts davon hatte verlauten lassen, daß sein Aufenthalt so begrenzt sein würde. Diese Art von Geheimnis,


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