Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de MaupassantЧитать онлайн книгу.
wir Sieben Teil. Meine Kameraden gehörten zu jener Klasse von schlimmen Subjekten, die in der halben Welt geplündert und geraubt hatten, um schliesslich in einer Fremden-Legion Dienst zu nehmen. Unsere afrikanische Armee war damals voll von diesen Kerls, ausgezeichneten Soldaten, aber nicht sehr gewissenhaft.
Mohammed hatte jedem von uns zehn Stück Strick-Enden von annähernd einem Meter Länge mitgegeben. Ich trug ausserdem als der Jüngste und Leichteste einen großen Strick von ungefähr hundert Meter Länge bei mir. Als wir unseren Führer fragten, wozu dies alles dienen solle, antwortete er mit freundlichem und verschlagenen Lächeln:
»Für den Araber-Fischzug.«
Hierbei kniff er boshaft ein Auge zu; eine Allure, die er von einem alten Pariser Chasseur d’Afrique angenommen hatte.
Er ritt an der Spitze unseres kleinen Zuges, auf dem Kopfe den roten Turban, den er stets im Felde trug, und lachte vielsagend in seinen großen Bart.
Er war in der Tat schön, dieser große Türke mit seinem dicken Bauche, den Schultern eines Kolosses und seiner ruhigen Miene. Sein Pferd war weiß, von mittlerer Figur, aber sehr kräftig; äusserlich schien allerdings sein Reiter zehn Mal zu groß für das Pferd.
Wir waren in ein kleines, steiniges, nacktes und ganz gelbes Tal hereingeritten, welches in das Tal des Chelif mündet, und sprachen von unserer Expedition. Meine Begleiter redeten in allen möglichen Sprachen, denn es waren unter ihnen zwei Griechen, ein Spanier, ein Amerikaner und drei Franzosen. Mohammed Fripouille selbst sprach ein tolles Kauderwälsch.
Die Sonne, die schreckliche Sonne des Südens, die man jenseits des Mittelmeeres nicht kennt, brannte auf unsere Schultern und wir ritten, wie dort üblich, im Schritt vorwärts.
Den ganzen Tag marschierten wir weiter ohne einen Baum oder einen Araber zu Gesicht zu bekommen.
Mittags 1 Uhr hatten wir in der Nähe einer kleinen Quelle, welche aus dem Gestein rieselte, Brot und trocknes Hammelfleisch gegessen, das wir in den Satteltaschen mitführten, dann machten wir uns nach einer Ruhepause von zwanzig Minuten neuerdings auf den Weg.
Endlich gegen 6 Uhr abends entdeckten wir nach dem endlosen Marsch, den uns unser Führer hatte zurücklegen lassen, hinter einem Hügel einen lagernden Stamm. Die niedrigen braunen Zelte warfen dunkle Schatten auf die gelbe Erde, wie große Wüsten-Pilze, welche die heisse Sonne am Fusse des rötlichen Hügels hervorgelockt hatte.
Es waren die, die wir suchten. Etwas weiter davon weideten am Rande einer kleinen dunkelgrünen Fläche die zusammengekoppelten Pferde.
»Galopp« rief Mohammed und wie ein Orkan waren wir plötzlich mitten im Lager. In großer Verwirrung durcheinander rennend und sich drängend wie eine gejagte Herde, rannten die mit weißen flatternden Fetzen bedeckten Frauen so schnell wie möglich den schützenden Zelten zu. Die Männer dagegen kamen von allen Seiten herbei, um sich zur Verteidigung anzuschicken.
Wir hatten den Säbel nach dem Beispiele Mohammeds in der Scheide behalten und galoppierten direkt auf das grösste Zelt, das des Häuptlings, zu.
Mohammeds Haltung war geradezu bewunderungswert. Unbeweglich ganz gerade sass er auf seinem Schimmel, der sich unter dem Druck seiner Schenkel wie rasend gebärdete. Gerade dieser Gegensatz zwischen der Ruhe des Reiters und der Lebhaftigkeit des Pferdes erregte Aufsehen.
Als wir vor dem Zelte des Häuptlings ankamen, trat dieser heraus. Es war ein hoher schlanker Mann von dunkler Hautfarbe, mit durchdringenden Augen, deren Brauen einen Bogen auf der gewölbten Stirn beschrieben.
»Was wünscht Ihr?« rief er uns auf Arabisch zu.
Kurz sein Pferd parierend fragte ihn Mohammed in seiner Sprache:
»Hast Du den englischen Reisenden getötet?«
»Darüber bin ich Dir keine Rechenschaft schuldig« antwortete stolz der Häuptling.
Um uns her grollte es wie bei einem nahenden Gewitter. Von allen Seiten liefen die Araber herbei und umdrängten uns wutschnaubend.
Mit ihren großen gebogenen Nasen, dem mageren Gesicht, und ihren flatternden Gewändern sahen sie wie wilde Raubvögel aus, die die Flügel regen.
Mohammed lächelte, unter seinem Turban mit den Augen blinzelnd, und ich sah, wie ein Wonneschauer über seine herabhängenden, fleischigen und faltigen Wangen huschte.
»Tod dem Mörder« rief er mit donnernder Stimme, die das Geschrei der Araber übertönte, und richtete gleichzeitig seinen Revolver auf die Stirn des Häuptlings. Ich sah eine Rauchwolke aufsteigen und dann rieselte rosiger Schaum und gleich darauf Blut aus dessen Stirn. Tötlich getroffen fiel er auf den Rücken, und seine weitgeöffneten Arme, in denen die Zipfel des Burnus sich verwickelten, sahen wie ausgespannte Flügel aus.
Jetzt glaubte ich wahrhaftig unser letztes Stündchen gekommen, so furchtbar war der Tumult, der losbrach.
Mohammed hatte seinen Säbel gezogen und wir folgten seinem Beispiele. Er warf mit einer Wendung seines Pferdes seine nächsten Gegner zur Seite und rief:
»Wer sich unterwirft, bleibt am Leben, die anderen müssen sterben.«
Mit seiner herkulischen Faust griff er den Nächsten, zog ihn auf den Sattel und hatte ihm die Hände gebunden, während er uns zurief
»Macht’s ebenso und säbelt die Widerspenstigen nieder.«
In fünf Minuten hatten wir ihrer Zwanzig gefangen, denen wir die Hände fest verschnürten. Dann ging’s an die Verfolgung der Flüchtigen; denn beim Anblick der gezogenen Säbel war eine allgemeine Flucht ringsum entstanden. Wir brachten noch einige dreissig Gefangene ein.
Über die ganze Ebene sah man weiße Punkte laufen. Es waren die Frauen, die ihre Kinder unter schrecklichem Geheul zu retten suchten.
Die gelben schakalartigen Hunde wimmelten knurrend um uns herum und fletschten die weißen Zähne.
Mohammed, der vor Freude närrisch geworden zu sein schien, ließ sein Pferd eine Kapriole machen und rief, den Strick ergreifend, den ich mitgebracht hatte:
»Achtung Kinder! Zwei Mann absitzen.«
Dann ordnete er etwas eben so Furchtbares wie Komisches an: Er befahl uns aus den Gefangenen