Von Chef zu Chef I. Heidemarie HirschmannЧитать онлайн книгу.
Miene dem Präses das feuchte Farbbild aus seiner Polaroid-Land-Kamera überreichte, erblaßte dieser, erzitterte und unterschrieb wortlos den Auftrag. Provision für mich: 9450 DM.
Diese sogenannten Wohltaten, bei denen es strittig war, ob ich sie der Firma Epple erwiesen hatte oder diese mir, gaben dem Chef seiner Meinung nach das Recht, mich als sein Geschöpf zu betrachten. Er sagte es mir natürlich nicht so deutlich, aber ich registrierte kurz vor meinem achtzehnten Geburtstag eine gewisse Geschäftigkeit, die mir gar nicht gefiel, und als schließlich am 27. Oktober Frau Epple mit einem langen und mißtrauischen Abschiedsblick in den Zug stieg, um sich zu einer Traubenkur nach Meran zu begeben, da ahnte ich Böses und wäre am liebsten hinter der braven Frau hergefahren, denn ein Auto hatte ich ja nun.
„Liebe Heidemarie“, sagte Epple am nächsten Tag feierlich, „ich hoffe, Sie werden mir die Ehre geben, Ihren achtzehnten Geburtstag auszurichten.“
„Wenn Sie wollen!“ antwortete ich achselzuckend. Ich haßte ihn nicht, denn es ging mir gut in der Firma, und das ist beim ersten Posten mehr als selten. Aber er ging mir mit seiner Scheinheiligkeit und seinen bedeutsamen Blicken irrsinnig auf die Nerven. Nur wenn er getrunken hatte, wenn er du zu mir sagte und so war wie andere Menschen, dann konnte ich ihn einigermaßen ertragen. Und etwas zu trinken würde es bei der Geburtstagsfeier ja wohl geben.
Um nicht mit ihm allein zu sein, hatte ich darauf bestanden, daß zwar nicht die Installateure, aber doch wenigstens das Büropersonal eingeladen würde: Die Buchhalterin, eine fesche Vierzigerin namens Schindle, zwei Kontoristinnen, von denen ich nur noch die Vornamen Paula und Karin weiß, und der Stift, dessen Namen ich wohl nie vergessen werde, denn er hieß Candidus Beinhackl und stammte aus einer steirischen Stadt namens Leoben.
Epple hatte sich nicht lumpen lassen. Als wir in seinem Opel Kapitän vor der Villa vorfuhren, strahlte das helle Licht der Kronleuchter schon durch die Fenster. Eine komplizierte Stereoanlage (wohl die erste in Augsburg) schickte leise Musik quer durch den riesigen Livingroom, und an der Stirnwand öffnete sich zu meinem Entsetzen eine Alpenlandschaft, die so grell angestrahlt war, als sollten im nächsten Augenblick die Oberammergauer Passionsspiele en miniature hier in Szene gehen.
Der Chef war feierlich angetan und so gerührt, daß er das Geburtstagsgedicht, das er auf mich verfaßt hatte, kaum zu Ende lesen konnte. Nach jeder Strophe hob er seinen tränenumflorten Blick und sah mich erwartungsvoll an, als hinge sein Lebensglück von meinem Urteil über seine jämmerlichen Verse ab. Schließlich konnte ich nicht mehr. Ich sah, daß sein Geburtstagscarmen noch mindestens acht Strophen umfaßte, acht Strophen, acht tiefe Blicke, daran wäre ich gestorben. Also sprang ich ihm einfach an den Hals, küßte ihn vor aller Augen ab und schrie: „Chef, du bist ein wunderbarer Dichter, mir bricht das Herz, ich kann nicht mehr hören, ich muß fühlen. Zeigt mir doch endlich, wie die Erwachsenen sich vergnügen, damit ich weiß, was ich vom Leben zu erwarten habe!“
„Hurra!“ schrie der Stift, der mit seinen sechzehn noch weniger erwachsen war als ich, sprang auf Paula zu und zog ihr blitzschnell ihre Seidenbluse über den Kopf.
„Aber Beinhackl!“ sagte Herr Epple mit umflorter Stimme, sah sich traurig in der Runde um und zog mit todernster Miene seinen Smoking aus, das Hemd, die Unterhose. Erst, als er nichts mehr auf dem Leib hatte als seine blaßvioletten Seidensocken, stahl sich ein Lächeln auf Engelbert Epples Züge.
„In jedem Spiritisten ist ein Exhibitionist verborgen“, flüsterte die Buchhalterin mir zu, „ich habe es immer geahnt.“
„Die Socken, die Socken!“ forderten mit ihren frischen Stimmen die Kontoristinnen im Chor und hielten sich den Leib vor Lachen, aber Epple wehrte milde ab:
„Das geht nicht, Kinder: wenn ich kalte Füße habe, steht er mir nicht!“
Es gab also mir zu Ehren eine richtige Orgie. Ich war ebenso geschmeichelt wie gerührt und beschloß, den anderen auch meinerseits ein wenig Vergnügen zu bereiten: Ich behielt mein neues Abendkleid (fescher durch Fischer) auch noch an, als selbst Frau Schindle schon mit entblößter Masse um mich herumwogte, und erklärte mich zum Preis des Abends: der Sieger in einem noch zu veranstaltenden Hürdenrennen dürfe mich nicht nur ausziehen, sondern auch vor allen Augen in die Geheimnisse des Geschlechts einweihen.
Das Rennen selbst verzögerte sich um eine Viertelstunde, als Epples Dienstmädchen, eine hübsche Bauerntochter aus Schwabmünchen, nichts ahnend mit dem Sekt den Raum betrat, angesichts des nackten Hausherrn und der bereits weitgehend entblößten Belegschaft spitz aufschrie und wieder umkehrte, so daß Candidus, der Stift, ihre Flucht nur noch dadurch verhindern konnte, daß er ihr ein Bein stellte. Geschickt wie Rastelli fing Karin das Tablett mit dem Sekt auf, während Candidus und Frau Schindle die sich wütend wehrende Raumpflegerin entkleideten. Als sie nichts mehr auf dem Leib hatte, warf sie uns allen einen bitterbösen Blick zu, entriß Karin das Tablett und grollte:
„Das möchte Ihnen so passen! Hier serviere ich!“
Wir ließen sie ausgiebig servieren, fraßen dazu die schönen Brötchen, die sie vorbereitet hatte, und gingen schließlich, schon beträchtlich angesäuselt, daran, die Superwohnung unseres Chefs in eine Art Moto-Cross-Landschaft zu verwandeln. Dann befreite ich Epple von seiner Omega-Skymaster und befahl:
„Der Chef als erster! Auf die Plätze – fertig – los!“ Engelbert Epple robbte, kletterte und klomm, als gehe es nicht um meine Jungfernschaft, sondern um sein Leben, und schaffte die Tour durchs Zimmer und zurück in 1:27. Wir hatten ihn dabei angefeuert, so gut wir nur irgend konnten, denn mitunter fehlte uns der Atem, weil wir vor Lachen einfach keine Luft mehr bekamen. Man stelle sich vor: Ein bleicher Vierziger in blaßlila Seidensocken, sonst aber nackt, auf dem Weg über das Sofa, unter dem Tisch durch, über zwei Fauteuils hechtend, durch die Röhre des großen Teppichs keuchend, und dann alles noch mal, in umgekehrter Reihenfolge und im Angesicht seiner brüllenden Angestelltenschar!
Nach Epple – wir hielten die Altersreihenfolge strikt ein – ging Frau Schindle auf die Reise, warf ihre Brüste voraus und zog den imposanten Hintern nach. Wir wären vor Lachen beinahe gestorben, als sie in der Teppichröhre steckenblieb, das Monstergesäß draußen, den Oberkörper drinnen und nur noch schwache Lebenszeichen von sich gab. Statt sie zu befreien, schoben wir sie mit vereinten Kräften ganz hinein, wobei unser schweinischer Stift die haarige Spalte der Wehrlosen so kräftig mit den Fingern bearbeitete, daß die Ärmste in ihrer Todesangst ihm über die Finger schiffte.
Karin, unser Sportsmädel, hätte Epple beinahe geschlagen. Es war selbst für mich als Frau ein Vergnügen, ihr zuzusehen, wie sie über das Sofa grätschte, eine Hechtrolle über die Fauteuils schoß und schneller, als man schauen konnte, in der Teppichröhre verschwunden war, ohne uns das hämisch erwartete Beispiel eines zappelnden Hinterns zu bieten. Aber beim Rückweg ließ sie, wie Candidus sich ausdrückte, ein Tor aus: statt unter dem Tisch durchzukriechen, setzte sie in einem Sprung darüber hinweg, der uns ihren süßen runden Arsch von unten zeigte, und wurde gnadenlos disqualifiziert.
Nur Candidus selbst, der letzte, konnte mich vor dem Schicksal retten, meine Unschuld ausgerechnet an Herrn Engelbert Epple zu verlieren, und ich drückte ihm herzhaft die Daumen, als er sich wie ein Ritter vor dem Turnier vor mir verneigte und an den Start ging. Aber Frau Schindle hatte nicht vergessen, welche Schmach er ihr angetan hatte. Als Candidus über die beiden zusammengestellten Fauteuils robbte, warf sie sich dazwischen, griff von unten an seinen Pimmel und schrie:
„Schiebung! Beinhackl hat sich den Schwanz eingeseift, um besser über die Sessel zu rutschen!“ Bei diesen Worten wichste sie den Verdutzten mit der Rechten und drosch mit der Linken auf seinen blanken Hintern, so daß er tatsächlich in einer glatten, crèmigen Flüssigkeit schwamm, als sich das Kampfgericht, das aus meiner Person bestand, an den Ort der Handlung begab.
Schweren Herzens mußte ich auch Candidus, den Stift, disqualifizieren, wir brachten das Zimmer notdürftig in Ordnung, und Engelbert Epple warf sich in Positur für die Siegerehrung. Vor der durch einen Knopfdruck mit Alpenglühen übergossenen Landschaft von Oberammergau machte sich mein Brötchengeber daran, mir feierlich die Hüllen vom Leib zu ziehen, was mir herzlich gleichgültig gewesen wäre, hätte es dabei bleiben können, denn schließlich waren die anderen