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Von Chef zu Chef I. Heidemarie HirschmannЧитать онлайн книгу.

Von Chef zu Chef I - Heidemarie Hirschmann


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kann die Lieferungen annehmen, die vor dem Aufsperren kommen“, versprach ich noch, „dadurch kannst du länger schlafen und mußt erst um acht im Laden sein.“

      So hatte ich mit siebzehn Jahren meine erste sturmfreie Bude, klein, aber sauber, trotz des zarten Camembertduftes, und ruhig – bis auf das leise, warnende Scheppern der leeren Dosen im Schaufenster, wenn Herr Engelbert Epple es in meinem Bett zu arg trieb. Doch mit Herrn Epple, meinem ersten Chef, beginnt ein neuer Abschnitt.

      Wenn ich sage, Epple war Installateur, so gehörte das eigentlich damals schon längst der Vergangenheit an. Als ich ihn kennenlernte, war er ein Dichter, Denker, ein Apostel, Adept, und die Installationsfirma, die nominell er, in Wirklichkeit aber seine bekümmerte Frau leitete, diente nur noch dazu, diesen ganzen vierdimensionalen Betrieb zu finanzieren. Sie schaffte es spielend, denn die Schwaben bauten unermüdlich in der ganzen reizlosen Ebene zwischen Lech und Wertach, und die Firma Epple installierte alles, was gewünscht wurde, vom Bad im Schrank bis zur Wasserspülung im Kuhstall, von der Senkgrube bis zum geräuschlosen Gästeklo in herrschaftlichen Villen.

      Herr Epple war ein Mann mit Intelligenz und Ideen. Über seinem schmalen, langen Gesicht wölbte sich eine beängstigende Denkerstirn, und sein vager Blick war stets in unendliche Fernen gerichtet. Er besaß eine Villa, auf die ich noch zurückkommen werden, ein Appartementhaus, von dem allein die Epples hätten leben können und das der Trost seiner Frau bei all diesem nichts einbringenden Poetisieren und Spintisieren war, und ein schönes Stadthaus mit den Büro- und Ausstellungsräumen, einem Dutzend bunter Badezimmer, die für die verschwendungssüchtige Kundschaft aufgebaut waren.

      Als ich mich mit fünf anderen Bewerberinnen bei Herrn Epple einfand – er hatte in seinem Inserat ausdrücklich auf ein einnehmendes Äußere Wert gelegt, und ich bildete mir in dieser Hinsicht schon einiges ein – blitzte es in seinen Augen. Ich sah dieses Blitzen noch öfter, es ging immer irgendeinem Gedanken voran und wirkte sehr viel stärker als der Gedanke selbst. Er widmete den anderen Bewerberinnen, von denen nur eine noch so jung war wie ich, von diesem Augenblick an nur noch eine zerstreute Aufmerksamkeit, rief mich in sein protziges Chefbüro und erledigte alle Präliminarien mit erstaunlicher Schnelligkeit, ja beinahe mit Hast.

      Das Gehalt, das er mir bot – ich hatte zwar eine Wirtschaftsschule absolviert, war aber immerhin nur Anfangssekretärin – war für 1960 so auffallend gut, daß ich von vornherein auf eine Überraschung gefaßt war. Der Mann hatte offensichtlich Hintergedanken. Aber es schien zunächst nicht so schlimm zu werden. Ich sollte nach einer kurzen technischen Einschulung, die er persönlich übernehmen würde (aha!), im Kundendienst arbeiten, die Ordner über die Bestellungen verwalten und in den Ausstellungsräumen im ersten Stock alle Typen von Badezimmern, Küchen und WCs erläutern. Meine Arbeitskleidung bestand aus einem kurzen weißen Mantel, unter dem ich einen von der Firma Epple gestifteten schwarzen Bikini trug. Kamen Ehepaare, so führte ich die Badezimmer im weißen Mantel vor; kamen Herren allein, so mußte ich möglichst unauffällig und geschäftsmäßig aus dem Mantel schlüpfen, mich im Bikini in die Wanne setzen, brausen und so weiter. Das WC vorzuführen, blieb mir glücklicherweise erspart.

      Das also war der Gedankenblitz des Herrn Engelbert Epple gewesen, als er unter den Bewerberinnen um den ausgeschriebenen Posten eine hübsche Siebzehnjährige entdeckt hatte – wie man sieht, ein Mann auf der Höhe seiner Zeit.

      Von diesem Trick abgesehen, ging es bei Epple korrekt zu, auch mir trat er nicht zu nahe, obwohl er seine Blick oft sehr intensiv auf mir ruhen ließ, wenn ich im Bikini an den Hähnen hantierte oder gar unter der Brause stand. Eines Tages dann kam, lange angekündigt und mit Spannung erwartet, ein großes Tier, ein Industrieller, der für seine Belegschaft ein Erholungsheim im Allgäu bauen wollte. Die Gesamtinstallation des Vierzig-Zimmer-Hauses war zwar kein Millionenauftrag, aber doch ein so fetter Brokken, daß auch die Münchner Konkurrenz eifrig hinter dieser Bestellung her war.

      Der große Mann kam spät. Ich war sauer, denn ich sah schon den freien Abend flötengehen, das Rendezvous mit einem reizenden, aber ungemein schüchternen Jungen, für den die Enttäuschung sicherlich eine seelische Katastrophe bedeutete. Und dann kam die Bikinitour. Der Boss lächelte nicht, als ich aus dem Mantel schlüpfte. Er sagte keinen Ton, als ich mich so sinnlich-graziös wie nur möglich unter der Brause wand. Aber plötzlich hörte ich den mächtigen Mann ganz laut, so, als ob ich Luft wäre, zu Epple sagen:

      „Wenn die Kleine die restlichen Badezimmertypen ohne Bikini vorführt, kriegen Sie den Zuschlag!“

      „Aber, ich weiß doch gar nicht …“, stammelte Epple.

      Sein Blick ging unsicher zwischen mir und dem Kunden hin und her, seine Unterlippe zitterte.

      Das war, ich fühlte es, die erste faktische Chance in meinem Leben, eine große Chance für eine kleine Leistung, denn was konnten die beiden mir schon antun, da doch einer den anderen belauerte.

      „Fünf Prozent, Herr Epple“, zischte ich, „das hätten Sie Ihrem Vertreter auch geben müssen.“

      „Einverstanden“, sagte er leise, „aber kein Wort darüber im Geschäft!“

      Was brauche ich noch viel zu erzählen? Es wurde ein unerwartet amüsanter Abend. Nachdem ich eine halbe Stunde lang nackt von einer Koje zur anderen gepatscht war, immer unter den Augen des Mächtigen und gefolgt von Epple, der hingebungsvoll den nassen Bikini und den weißen Mantel trug, begossen wir das Geschäft im Fuggerkeller.

      Vor dem Nachtisch wurde alles unterzeichnet. Das Auftragsvolumen war – die Ziffer werde ich nie vergessen – 521 000 DM, mein Anteil reichte also spielend für einen gebrauchten Ghia, eine Erstausstattung an Kleidern und einen Notgroschen auf dem Sparbuch. Das Hinterzimmer im Käseladen gab ich jedoch nicht auf, denn so eine Bude, sturmfrei und kostenlos dazu, war doch von besonderem Wert. Als der Großkunde Miene machte, mich in die Drei Mohren zu entführen, wo er abgestiegen war, prüfte Epple flinken Blickes, ob er alle nötigen Unterschriften hatte, und sagte dann leise, aber deutlich:

      „Ob Fräulein Hirschmann dies auch noch tut oder nicht, ist natürlich ausschließlich ihre Sache, aber ich möchte doch darauf aufmerksam machen, daß sie noch nicht einmal achtzehn Jahre alt ist …“

      Dem großen Mann fiel die Kinnlade beinahe in das Käsesoufflé. Ich habe noch niemanden so enttäuscht gesehen wie ihn. Ich lächelte mein schönstes Lächeln, beugte mich tröstend über ihn, damit er einen letzten Blick in meinen Brustausschnitt werfen konnte, und zog dann mit Epple ab.

      „Hör mir gut zu, Heidemarie“, sagte mein sonst so traumverlorener Chef vor dem heruntergelassenen Rollbalken des mütterlichen Käseladens, „du hast heute durch mich 26 500 DM verdient, und wirst sie auch Zug um Zug bekommen, sobald dieses geile Schwein bezahlt hat. Aber das war das erste- und das letztemal, daß wir jemand anderen hinzugezogen haben.“

      „Wie meinen Sie denn das, Herr Epple?“ fragte ich so unschuldig, wie es mir trotz des vielen Sektes noch über die Lippen kommen wollte.

      „Ich habe dich heute nackt gesehen“, flüsterte Epple, „ich werde es nie vergessen, und du wirst mir gehören, denn an dir entzündet sich mein Geist; ich habe es geahnt, als ich dich zum erstenmal sah, aber jetzt ist es mir zur Gewißheit geworden. Du bist kein gewöhnlicher Mensch, du bist meine Muse!“

      „Aber vor allem, Herr Epple, bin ich noch nicht achtzehn, und minderjährige Arbeitskräfte müssen besonders früh ins Bett“, sagte ich schnell, entwand mich seinen feuchten Händen und war durch die Hintertür verschwunden, ehe der Gute mir nacheilen konnte. Aber die Flucht dieses Abends war natürlich nur ein Aufschub – bis zu meinem achtzehnten Geburtstag.

      Als jener ominöse Tag – der 29. Oktober – schließlich herankam, traf er mich nicht mehr ganz unvorbereitet, denn ich hatte bis dahin im Hause Epple schon einiges erlebt. Mein Bikiniauftritt hatte der Firma zu einer beträchtlichen Umsatzsteigerung verholfen, und sogar als nackte Badenixe hatte ich noch einmal zu posieren, als es um das Skifahrerheim Gott in den Bergen des Überkonfessionellen Vereins für Sport und Religion ging: der ganze Ausschuß war erschienen, und Epple seifte die würdigen Herren ganz einfach in der Weise ein, daß er – wie er sagte – ein Erinnerungsfoto schoß, auf dem ich


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