Tarzan – Band 6 – Tarzans Dschungelgeschichten. Edgar Rice BurroughsЧитать онлайн книгу.
deren Zweck sein könnte. Er verglich seine Wahrnehmungen und kam dabei zu Urteilen. Dann verglich er seine Urteile und gelangte zu Schlüssen, die wohl nicht immer richtig waren, aber er gebrauchte sein Gehirn zu dem Zweck, für welchen es Gott bestimmt hatte, und da er nicht durch das meist irrige Urteil anderer vorher beeinflusst war, fiel ihm der rechte Gebrauch nicht so schwer.
Und während er sich so wegen der Grube den Kopf zerbrach, tauchte plötzlich vor seinen Augen im Geiste eine massige, schwarzgraue Gestalt auf, welche gewichtig eine Dschungelfährte entlang trampelte. Im Nu spürte Tarzan schlagartig eine Gefahr dahinter. Entschluss und Ausführung fielen bei dem Affenmenschen gewöhnlich zusammen, und schon rannte er durch die belaubten Zweige davon, ehe er die Bedeutung der Fallgrube im Geiste noch ganz erfasst hatte. Von einem wehenden Ast zum anderen sich schwingend, eilte er durch die mittlere Terrasse, in welcher die Bäume am dichtesten mit den Zweigen aneinanderstießen, dann sprang er wieder zu Boden und schnellte sich leichtfüßig über den Teppich aus vermoderten Pflanzen, bis er wieder in die Bäume hinaufkletterte, wenn ihm dichter Unterwuchs das raschere Vorwärtskommen auf dem Boden verwehrte.
In seiner Hast vergaß er alle Vorsicht. Die Warnung der tierischen Instinkte war von der redlichen Freundschaft des Menschen übertönt, und so konnte es kommen, dass er eine große, baumleere Lichtung betrat, ohne vorher daran zu denken, ob nichts dort sei, was ihn den Weg streitig machen könnte.
Er war schon halb über die Lichtung hinweg, als gerade vor ihm auf dem Wege in nur wenigen Schritten Entfernung aus einem Flecken großer Gräser ein halbes Dutzend schnatternde Vögel aufflogen. Tarzan schlug sich auf die Seite, denn er wusste gut genug, was für ein Geschöpf die kleinen Schildwachen verrieten. Buto, das Nashorn, raffte sich auf seine kurzen Beine und schoss wütend zum Angriff vor. Buto rennt aufs Geratewohl drauf los. Mit seinen schlechten Augen sieht es selbst auf kurze Entfernung nicht viel, und es ist schwer zu entscheiden, ob sein irrsinniges Drauflosstürzen von sinnloser Angst beim Flüchten oder von dem jähzornigen Charakter, den man ihm zuschreibt, herrührt. Übrigens ist das auch für einen, den Buto angreift, ziemlich nebensächlich, denn wenn er gefasst und gespießt ist, lässt sich zehn gegen eins wetten, dass er nachher wenig Interesse für diese Frage hat.
Heute schoss nun Buto zufällig gerade über die wenigen trennenden Schritte Grasfläche auf Tarzan los. Er hatte die Richtung nach dem Affenmenschen genommen und griff ihn mit Schnaufen und Schnarren an, als er ihn vor seine schwachen Augen bekam. Die kleinen Nashornvögel flatterten im Kreise um ihren großen Beschützer, über ein Dutzend Affen drüben in den Zweigen an der Ecke der Lichtung schnatterten und schalten, als sie das laute Schnarchen der wütenden Bestie erschreckte und in Verwirrung in die höheren Zweige jagte. Nur Tarzan schien gleichgültig und heiter.
Er stand dem Ansturm mitten im Wege. Es war keine Zeit, jenseits der Lichtung auf den Bäumen Rettung zu suchen, aber Tarzan hatte auch gar nicht die Absicht, Butos wegen seinen Weg zu verzögern. Er war dem dummen Vieh schon früher begegnet und hatte nur höchste Verachtung dafür.
Jetzt hatte Buto ihn erreicht, der massige Kopf senkte sich und das lange, schwere Horn neigte sich für den furchtbaren Gebrauch, zu dem es die Natur bestimmt hatte. Aber als Buto aufwärts fuhr, spießte seine Waffe in die leere Luft, denn der Affenmensch war mit einem katzenartigen Satze in die Höhe und weit über dem drohenden Horn auf den breiten Rücken des Nashorns geschnellt. Noch ein Sprung, er war hinter dem Tier auf dem Boden und sauste wie ein Hirsch nach den Bäumen.
Geärgert und angeführt durch das merkwürdige Verschwinden seines Opfers wandte sich Buto und schoss wütend nach einer anderen Richtung, aber das war nicht die von Tarzans Flucht, der Affenmensch kam zu den deckenden Bäumen und setzte seinen eiligen Weg durch den Wald fort.
In einiger Entfernung vor ihm bewegte sich Tantor stetig auf der stark ausgetretenen Elefantenfährte vorwärts, während ein schwarzer, schleichender Krieger vor Tantor angestrengt mitten auf dem Pfad lauschte. Jetzt hörte er das erhoffte Geräusch – den krachenden, schnappenden Ton, welcher das Nahen eines Elefanten verkündet.
Zur Rechten und Linken an anderen Stellen des Dschungels wachten weitere Krieger. Ein leise weitergegebenes Zeichen meldete auch dem Entferntesten, dass die Beute nahe war. Rasch schwenkten sie nach der Fährte zu ein und postierten sich gegen den Wind auf Bäumen, an denen Tantor vorbei musste. Sie warteten schweigend und wurden bald durch den Anblick eines mächtigen Elefanten belohnt, der eine solche Menge Elfenbein in seinen langen Stoßzähnen trug, dass ihnen das gierige Herz im Leibe lachte.
Sobald er an ihren Stellungen vorbei war, kletterten sie von ihren Sitzen. Aber sie waren nicht mehr still, sie klatschten in die Hände und schrien, sobald sie auf dem Boden waren. Tantor, der Elefant, blieb einen Augenblick mit hocherhobenem Rüssel und ausgestrecktem Schwanz stehen und spitzte seine großen Ohren, dann schwang er sich in raschem, schleifendem Gang, die Wildfährte entlang – geradewegs auf die verdeckte Grube mit den geschärften Pfählen auf dem Boden zu.
Hinter ihm kamen die heulenden Krieger und jagten ihn in raschere Flucht, damit er nicht den Boden vor sich prüfen konnte. Tantor, der Elefant, der seine Gegner mit einem einzigen Angriff hätte in alle Winde zerstreuen können, floh; er floh wie ein gehetzter Hirsch – einem schrecklichen, qualvollen Tode entgegen.
Erst hinter der ganzen Hetzjagd kam Affentarzan, der mit der Eile und Gewandtheit eines Eichhörnchens durch den Dschungelforst raste, weil er die Rufe der Krieger gehört und sie richtig gedeutet hatte. Einmal hatte er einen gellenden Schrei ausgestoßen, der durch den Dschungel dröhnte, aber Tantor hörte entweder nicht mehr in seiner heillosen Angst oder er wagte nicht darauf zu achten.
Jetzt war der große Dickhäuter nur noch wenige Schritte vor dem im Wege lauernden Tode. Die Schwarzen waren ihres Erfolges bereits ganz sicher, schrien, tanzten, schwangen ihre Speere und feierten schon im Voraus den Gewinn des prachtvollen Elfenbeins an ihrer Beute und außerdem das Festmahl an Elefantenfleisch, das sie diese Nacht haben würden.
Sie waren so erpicht darauf, sich Glück zu wünschen, dass ihnen das leise Vorbeihuschen des Tiermenschen über ihren Köpfen ganz entging. Auch Tantor sah und hörte nicht, obgleich ihm Tarzan Halt zurief.
Noch ein paar Schritte und Tantor musste in die spitzen Pfähle stürzen. Tarzan flog derweil geradezu durch die Bäume, bis er das flüchtige Tier eingeholt und dann überholt hatte. Vor dem Rand der Grube sprang der Affenmensch in der Mitte der Fährte zu Boden. Tantor war fast auf ihm, ehe er mit seinen schwachen Augen den alten Freund