Tarzan – Band 6 – Tarzans Dschungelgeschichten. Edgar Rice BurroughsЧитать онлайн книгу.
Pflanzen, der jedem anderen als ihm den Durchbruch verwehrt hätte.
Tarzan auf dem Rande der Grube lächelte über Tantors würdelose Flucht. Die Schwarzen mussten bald kommen. Er war besser, dass Affentarzan von der Szene verschwand. Er wollte einen Schritt vom Rand der Grube wegtun, aber als das ganze Gewicht seines Körpers auf dem linken Fuß allein ruhte, gab die Erde nach. Tarzan machte eine einzige herkulische Anstrengung, sich noch nach vorne zu werfen, aber es war zu spät. Er fiel rückwärts hinab auf die spitzen Pfähle unten in der Grube.
Als die Schwarzen einen Augenblick später ankamen, sahen sie schon aus der Ferne, dass ihnen Tantor entkommen war, denn das Loch in der Grubenbedeckung war zu klein, um den gewaltigen Körper eines Elefanten durchgelassen zu haben. Sie dachten erst, ihre Beute sei mit einem der großen Füße durch die Deckung getreten und habe sich, dadurch gewarnt, zurückgezogen. Aber als sie an die Grube kamen und hinuntersahen, machten sie vor Erstaunen große Augen, denn auf dem Boden lag still und stumm der nackte Körper eines weißen Riesen.
Einige, die diesen Waldgott schon flüchtig gesehen hatten und ihm seit einiger Zeit die Wunderkräfte eines Dämons zuschrieben, zogen sich voll Scheu vor seiner Gegenwart zurück. Aber andere dachten nur an Gefangennahme eines Feindes, drängten sich vor, sprangen in die Grube hinab und hoben Tarzan heraus.
Eine besondere Verletzung war an seinem Körper nicht zu entdecken. Keiner der spitzen Pfähle hatte ihn durchbohrt – nur eine Geschwulst am Hinterkopf zeigte an, dass er beim Rücklingsfallen mit dem Kopf gegen die Seite eines Pfahles geschlagen war und dadurch das Bewusstsein verloren hatte. Die Schwarzen beeilten sich nach dieser raschen Feststellung, dem Gefangenen Arme und Beine zu binden, ehe er das Bewusstsein wiedererlangte, denn sie hegten einen heillosen Respekt vor diesem merkwürdigen Tiermenschen, der mit den behaarten Baumleuten zusammenlebte.
Noch ehe sie den Affenmenschen weit getragen hatten, blinzelte er mit den Augen. Er schaute einen Augenblick verwundert um sich, dann kam ihm mit dem vollen Bewusstsein auch sofort Klarheit über den Ernst seiner Lage. Von Kind auf gewohnt, sich nur auf seine eigenen Hilfsmittel zu verlassen, dachte er nicht erst an fremde Hilfe, sondern überlegte sich, welche Möglichkeiten zu entkommen in seiner eigenen Macht lagen. Er wagte keinen Versuch, seine Fesseln zu zerreißen, solange ihn die Schwarzen trugen, damit diese sie nicht aus erweckter Befürchtung verstärkten. Als seine Häscher herausfanden, dass er bei Besinnung war, hatten sie keine Lust mehr, den schweren Menschen in der Dschungelhitze zu tragen, sie stellten ihn auf seine eigenen Beine und zwangen ihn zum Vorwärtsgehen, indem sie ihn ab und zu mit ihren Speeren stachen, wobei sie aber ihre abergläubische Scheu vor ihm nicht ganz verbergen konnten.
Da sie entdeckten, dass das Stechen keine Zeichen von Schmerzen hervorrief, wuchs ihr Schauder noch, sodass sie die Quälerei bald sein ließen, weil sie schon halb und halb glaubten, dass der fremde, weiße Riese ein übernatürliches Wesen sei, dem man keinen Schmerz zufügen konnte.
Als sie dem Dorfe näherkamen, stießen sie ihren lauten Siegesruf aus, sodass um die Zeit, als sie das Tor tanzend und speerschwingend erreichten, eine große Menge von Männern, Weibern und Kindern zu ihrer Begrüßung versammelt war, um die Erzählung ihres Abenteuers zu hören.
Die Augen der Dorfbewohner blickten starr auf den Gefangenen und die großen Mäuler standen ihnen vor Staunen und Ungläubigkeit weit offen. Seit Monaten lebten sie in ständiger Angst vor einem unheimlichen, weißen Dämon, und nur wenige, die ihn gesehen hatten, waren am Leben geblieben, um ihn zu beschreiben.
Krieger waren schon in Sicht des Dorfes mitten auf dem Wege und aus der Mitte ihrer Kameraden so geheimnisvoll und spurlos verschwunden, als ob sie die Erde verschlungen hätte und später in der Nacht waren ihre Leichen wie vom Himmel herab auf die Dorfstraße gefallen.
Dieses fürchterliche Wesen war nachts in den Hütten erschienen, hatte getötet und hatte beim Verschwinden außer den Getöteten in den Hütten noch erschreckende Anzeichen seines unheimlichen Sinnes für Humor hinterlassen.
Aber jetzt war er in ihrer Gewalt und konnte sie nicht länger erschrecken! Langsam dämmerte ihnen die Erkenntnis dieser Tatsache. Ein Weib sprang mit einem Schrei vor und schlug den Affenmenschen in das Gesicht. Dann kam eine andere und wieder eine, bis Affentarzan von einem schlagenden, kratzenden, brüllenden Haufen der Wilden umgeben war.
Aber der Häuptling Mbonga ging zwischen sie hinein und hieb kräftig mit dem Speer nach den Schultern seiner Leute, bis er sie von ihrem Opfer wegtrieb.
Wir wollen ihn für heute Abend aufheben, sagte er. Weit draußen im Dschungel stand Tantor, der Elefant, mit hochgestellten Ohren und pendelndem Rüssel. Seine anfängliche sinnlose Angst hatte sich gelegt. Aber was ging in den Windungen seines wilden Gehirnes vor sich? War es möglich, dass er nach Tarzan suchte? Konnte er sich an den Dienst, den ihm der Affenmensch geleistet hatte, erinnern und seine Bedeutung ermessen? Das steht außer Zweifel. Aber fühlte er wohl Dankbarkeit? Hätte er wohl sein eigenes Leben gewagt, um Tarzan zu retten, wenn er die Gefahr gekannt hätte, die seinem Freunde drohte? Daran kann man zweifeln. Jeder, der mit Elefanten vertraut ist, wird es bezweifeln. Auch die Engländer, welche in Indien viel mit Elefanten gejagt haben, erklären stets, dass kein Fall bekannt ist, in welchem ein solches Tier einem Menschen in der Gefahr zu Hilfe gekommen wäre, wie oft auch der Mensch sich ihm freundlich gezeigt hatte. Es war also mehr als zweifelhaft, ob Tantor versuchen würde, seine instinktive Angst vor den schwarzen Menschen so weit zu bezwingen, dass er Tarzan zu Hilfe kommen konnte.
Die Schreie der wütenden Dorfbewohner drangen schwach an seine empfindlichen Ohren, er schwenkte wie erschrocken herum und dachte an Flucht. Aber irgendetwas hielt ihn zurück, er drehte sich wieder um, hob den Rüssel und ließ ein schrilles Trompeten ertönen.
Dann blieb er lauschend stehen.
In dem entfernten Dorfe, wo Mbonga mittlerweile Ruhe und Ordnung wieder hergestellt hatte, war Tantors Stimme für die Schwarzen kaum vernehmbar, aber für das scharfe Gehör Tarzans brachte sie eine Botschaft.
Seine Häscher führten ihn gerade nach einer Hütte, in der er bis zur nächtlichen Orgie seines martervollen Todes eingeschlossen und bewacht werden sollte. Als er Tantors Ruf hörte, hob er den Kopf hoch und stieß einen schauerlichen Schrei aus, dass es die abergläubischen Schwarzen kalt überlief und dass selbst die ihn bewachenden Krieger ein paar Schritte zurückwichen, obgleich dem Gefangenen die Arme auf dem Rücken gebunden waren.