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20.000 Meilen unterm Meer. Jules VerneЧитать онлайн книгу.

20.000 Meilen unterm Meer - Jules Verne


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war es nicht mehr zu sehen. Zwei Monate lang hörte man nicht mehr von ihm reden. Es schien, als habe das Einhorn Kunde von diesem Komplott bekommen. Man hätte zuviel davon gesprochen, vor allem über das Kabel, scherzte man; der schlaue Fuchs habe einige Telegramme aufgefangen und mache sich nun ihren Inhalt Zunutze.

      Als daher die Fregatte für eine weite Bahrt gerüstet und mit allen notwendigen Maschinen versehen war, wußte man nicht, wohin die Fahrt zu richten sei. Endlich verlautete, ein Dampfer von der Linie S. Franzisko in Kalifornien nach Schanghai habe das Tier drei Wochen zuvor in den nördlichen Gewässern des Stillen Ozeans gesichtet.

      Es entstand wieder hellste Aufregung. Man ließ dem Kommandanten Farragut kaum vierundzwanzig Stunden Frist. Seine Vorräte waren eingeschifft, Kohlen in Überfluß, kein Mann der Besatzung fehlte an seinem Platz; man brauchte nur zu heizen, auszulaufen! Nicht einmal einen halben Tag Verzögerung hätte man ihm verziehen! Zudem war der Kommandant selbst voll Eifer.

      Drei Stunden, bevor der „Abraham Lincoln“ von Brooklyn abfuhr, erhielt ich folgendes Billett:

      Herrn Arronax, Professor am Museum zu Paris,

      5 Avenue Hotel

      New York.

      Mein Herr!

      Wenn Sie sich der Expedition des „Abraham Lincoln“ anschließen wollen, wird die Regierung der Vereinigten Staaten erfreut sein, daß Frankreich durch Sie an dieser Unternehmung sich beteilige. Der Kommandant Farragut hält eine Kabine zu Ihrer Verfügung bereit.

      Ergebenst der Ihrige

       J. B. Hobsen,

       Sekretär der Marine.

      Drei Sekunden vor Ankunft des Briefes von J. B. Hobsen dachte ich ebensowenig das Einhorn zu verfolgen, als die nordwestliche Durchfahrt zu versuchen. Drei Sekunden nachdem ich den Brief des bekannten Sekretärs der Marine gelesen, begriff ich endlich, daß das einzige, wahre Ziel meines Lebens darin bestehe, das beunruhigende Ungeheuer zu verjagen und die Welt von ihm zu befreien.

      Aber ich kam eben von einer mühevollen Reise zurück und sehnte mich erschöpft nach Ruhe. Ich wollte nur meine Heimat wiedersehen, meine Freunde, meine kleine Wohnung im Jardin des Plantes, meine kostbaren Sammlungen! Aber nun konnte nichts mich zurückhalten: Ich vergaß Ermüdung, Freunde, Sammlungen und nahm ohne weiteres Bedenken das Anerbieten der amerikanischen Regierung an.

      ‚Übrigens’, so dachte ich, ‚führt ja jeder Weg nach Europa zurück, und das Einhorn wird wohl so liebenswürdig sein, mich nach den Küsten Frankreichs zu locken! Dieses respektable Tier wird sich sicher in den Gewässern Europas — zu meinem persönlichen Vergnügen — fangen lassen — und ich will dem naturhistorischen Museum mindestens einen halben Meter von seiner elfenbeinernen Hellebarde mitbringen’.

      Einstweilen aber mußte ich den Narwal im Norden des Stillen Ozeans suchen; das hieß etwa das gleiche, wie für die Rückkehr nach Frankreich den Weg zu den Antipoden einschlagen.

      „Conseil!“ rief ich ungeduldig.

      Conseil war mein Diener. Ein ergebener Bursche, der mich auf allen meinen Reisen begleitete; ein braver Flamländer, den ich liebgewonnen hatte und der mir’s vergalt; phlegmatisch von Natur, ordentlich aus Grundsatz, dienstbeflissen aus Gewohnheit, ließ er sich durch keine Überraschung irremachen; mit geschickten Händen zu jedem Dienst geeignet, war er niemals mit seinem Rat zudringlich.

      Durch den Verkehr mit den Gelehrten unserer kleinen Welt des Jardin des Plantes hatte Conseil es dazu gebracht, daß er viel wußte. Ich hatte in ihm geradezu einen Spezialisten, der, sehr bewandert in der naturhistorischen Einteilung, mit der Gewandtheit eines Seiltänzers die ganze Stufenleiter der Verzweigungen, Gruppen, Klassen, Unterabteilungen, Ordnungen, Familien, Gattungen, Untergattungen, Arten und Varietäten auf und ab lief. Aber hier lag auch schon die Grenze seines Wissens. Klassifizieren war sein Lebenselement, mehr aber verstand er nicht. Dehn in der Praxis hätte er nicht einmal einen Pottfisch von einem Walfisch unterscheiden können! Und doch, was für ein braver, tüchtiger Mensch!

      „Mein Herr ruft mich?“ Conseil trat ein.

      „Ja, mein Junge. Mach dich fertig und hilf mir! In zwei Stunden reisen wir ab.“

      „Wie es dem Herrn beliebt.“ Conseil war nicht aus der Fassung zu bringen.

      „Jeder Augenblick ist kostbar, also packe in meinen Koffer alles, Kleider, Hemden, Strümpfe, so viele du nur kannst, und rasch! Rasch!“

      „Und des Herrn Sammlungen?“ Conseil überlegte alles.

      „Später wollen wir uns damit wieder befassen.“

      „Wie? Die Archiotherium, Hyracotherium, Oreodon, die Cheropatamus und andere Gerippe meines Herrn?“

      „Man soll sie im Hotel aufheben!“

      „Und der lebendige Babirussa meines Herrn?“

      „Man soll ihn in meiner Abwesenheit füttern, Übrigens werde ich Auftrag geben, unsere Menagerie nach Frankreich zu befördern.“

      „Wir kehren also nicht zurück nach Paris?“ fragte Conseil.

      „Ja . . . gewiß . . .“, ich wich seinen Fragen aus, „aber auf einem Umweg.“

      „Wie es meinem Herrn beliebt.“

      „Ja! Ein kleiner Umweg, das ist alles. Wir fahren mit auf dem ‚Abraham Lincoln’!“

      „Wie es meinem Herrn beliebt.“ Conseil blieb seelenruhig.

      „Du weißt, lieber Freund, es handelt sich um das Ungeheuer . . . den famosen Narwal . . . Wir werden die Meere von ihm befreien! . . . Ein ehrenvoller, aber auch gefahrvoller Auftrag! Diese Tiere können sehr üble Laune haben! Aber trotzdem, wollen wir gehen?“

      „Was mein Herr tut, das tue auch ich.“ Es klang so selbstverständlich.

      Nach einer Viertelstunde waren unsere Koffer fertig, und ich war sicher, daß nichts fehlte, denn der Junge verstand Hemden und Kleider ebenso gut zu ordnen wie Vögel und Säugetiere. Noch ordnete ich im Kontor meine Rechnungen, gab Auftrag, meine Kisten mit ausgebalgten Tieren und getrockneten Pflanzen nach Paris zu schicken, und eröffnete dem Barbirussa einen hinlänglichen Kredit. Darauf stieg ich in Conseils Begleitung in einen Wagen, und nach einigen Minuten waren wir am Kai, wo der „Abraham Lincoln“ schwarze Rauchsäulen emporwirbelte.

      Unser Gepäck wurde gleich aufs Verdeck der Fregatte gebracht, ich selbst eilte an Bord und fragte nach dem Kommandanten Farragut. Ein Matrose führte mich aufs Vorderdeck zu einem Offizier von stattlichem Aussehen, der mir die Hand reichte.

      „Herr Pierre Arronax?“ redete er mich an.

      „Der bin ich. Kommandant Farragut?“

      „In eigener Person. Seien Sie willkommen, Herr Professor. Ihre Kabine wartet schon auf Sie.“

      Kommandant Farragut war ein tüchtiger Seemann. Er fühlte sich eins mit seinem Schiff, war seine Seele. Über das Seeungeheuer hegte er nicht den mindesten Zweifel, und er gestattete auch nicht, daß an Bord seines Schiffes über die Existenz des Tieres disputiert wurde. Er glaubte daran wie an einen Glaubensartikel. Das Ungeheuer existierte, und er hatte geschworen, die Meere von dem Untier zu befreien. Punktum! Entweder der Kommandant Farragut würde den Narwal töten oder der Narwal den Kommandanten. Ein Drittes gab’s für ihn nicht.

      Die Mannschaft brannte darauf, mit dem Einhorn zusammenzutreffen, die Harpune zu werfen, es an Bord zu ziehen und es zu zerhauen. Sie beobachtete achtsam die Meeresfläche, Übrigens sprach der Kommandant Farragut von einer Summe von zweitausend Dollars, die er ausgesetzt habe — Schiffsjunge, Matrose oder Offizier — wer das Tier signalisierte, sollte sie bekommen. Man kann sich denken, wie alles an Bord der „Abraham Lincoln“ die Augen anstrengte.

      Kömmandant Farragut hatte sein Schiff mit allem notwendigen Werkzeug versehen, um das Riesentier zu fischen. Wir besaßen alles: von der mit der Hand geworfenen Harpune angefangen bis auf die explodierenden Kugeln der Geschütze.

      Es


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