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20.000 Meilen unterm Meer. Jules VerneЧитать онлайн книгу.

20.000 Meilen unterm Meer - Jules Verne


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      Die Nacht über blieb die ganze Bemannung auf den Beinen, an Schlaf konnte niemand denken. Da der „Abraham Lincoln“ sich an Schnelligkeit nicht mit dem Gegner messen konnte, so hielt er sich bei schwachem Dampf und fuhr langsam weiter. Der Narwal dagegen machte es der Fregatte nach, ließ sich auf den Wellen wiegen und schien entschlossen, den Schauplatz des Kampfes nicht zu verlassen.

      Um Mitternacht aber verschwand er; oder besser gesagt, er „erlosch“ wie ein gewaltiger Leuchtturm. War er geflohen? Sieben Minuten vor ein Uhr morgens aber vernahm man ein betäubendes Zischen, als ob ein Wasserstrahl mit äußerster Heftigkeit emporgeschleudert würde.

      Der Kommandant, Ned-Land und ich befanden uns gerade auf dem Vorderdeck und schauten starr durch das tiefe Dunkel.

      „Ned-Land“, fragte der Kommandant, „Sie haben oft das Zischen der Walfische gehört?!“

      „Jawohl, Kapitän! Aber noch niemals von solchen Walfischen wie dem da, der mir zweitausend Dollars verschafft hat.“

      „Richtig, Sie haben ja ein Recht auf den Preis. Aber sagen Sie mir, ist denn dieses Getöse nicht das gleiche wie das der Walfische, wenn sie Wasser aus ihren Luftlöchern ausstoßen?“

      „Ganz dasselbe, aber unvergleichlich stärker. Ein Irrtum ist gar nicht möglich. Das Tier gehört zum Walfischgeschlecht. Wollen morgen bei Tagesanbruch zwei Wörtel mit ihm reden!“

      „Wenn es Lust hat, Sie zu hören“, meinte ich nicht ohne Ironie.

      „Kann ich ihm nur auf vier Harpunenlängen nahe kommen“, der Kanadier war schlagfertig, „so wird es mich wohl anhören müssen.“

      „Werd’ Ihnen ein Walfischboot zur Verfügung stellen!“ meinte der Kommandant. „Das heißt aber auch, das Leben meiner Leute aufs Spiel setzen!“

      „Und auch das meinige!“ entgegnete einfach der Harpunier. Da waren wir wieder still.

      Gegen zwei Uhr morgens zeigte sich die leuchtende Stelle wieder fünf Meilen vom „Abraham Lincoln“. Trotz der Entfernung, trotz des Brausens des Meeres und Windes hörte man deutlich die schweren Schwanzschläge des Tieres und sogar sein keuchendes Atmen.

      ‚Na’, dachte ich, ‚ein Walfisch von der Kraft eines Kavallerieregiments, ein hübsches Tier!’

      Man war zum Kampf gerüstet. Das Gerät zum Fischen lag bereit. Es wurden die kleinen Harpunenstücke geladen, auch die langen Büchsen mit Explodierenden Kugeln, die selbst den stärksten Tieren tödliche Wunden beibringen. Ned-Land hatte seine Harpune, eine fürchterliche Waffe, in der Hand.

      Um sechs Uhr begann der Tag zu grauen; mit dem ersten Schimmer der Morgenröte verschwand der Glanz des Narwals. Um sieben Uhr war es völlig Tag geworden, aber ein dichter Morgennebel fiel ein und beschränkte die Sicht. Zorn und Enttäuschung machten sich breit.

      Ich kletterte auf die Stangen des Hintermastes. Einige Offiziere saßen schon oben auf den Masten.

      Um acht Uhr stieg der Nebel allmählich auf. Der Blick wurde wieder frei und rein.

      Plötzlich ließ Ned-Land sich wieder vernehmen:

      „Der fragliche Gegenstand hinten links!“

      Die Blicke aller richteten sich dahin.

      Eine und eine halbe Meile entfernt sah man einen langen, schwärzlichen Körper einen Meter über den Wellen emportauchen. Sein Schwanz erregte mit gewaltigen Schlägen einen ungeheuren Wirbel. Blendend weißes, unendlich ausgedehntes Kielwasser bezeichnete in langer Kurve die Bahn des Tieres.

      Die Fregatte kam näher, und ich konnte es genau beobachten. Die Berichte des „Shannon“ und der „Helvetia“ hatten seine Größe übertrieben, ich schätzte seine Länge auf höchstens zweihundertundfünfzig Fuß. Seine Dicke zu schätzen war schwierig, aber im ganzen schien mir das Tier in den drei Dimensionen wohlproportioniert.

      Während ich das phänomenale Geschöpf beobachtete, schleuderte es aus seinen zwei Luftlöchern Strahlen von Dampf und Wasser, die gegen vierzig Meter hoch stiegen. Daraus konnte ich über die Art seines Atmens mir eine bestimmte Meinung machen. Es mußte zu den Wirbeltieren gehören, der Klasse der Säugetiere, Gruppe der fischförmigen, Ordnung der walfischartigen. Über die Familie war ich mir noch nicht klar. Das Weitere hoffte ich mit Gottes und des Kommandanten Hilfe bald bestimmen zu können.

      Die Mannschaft harrte mit Ungeduld der Befehle ihres Kommandanten, der, als er das Tier genau besehen, den Ingenieur rufen ließ.

      „Heizen Sie stärker, bis zu voller Dampfkraft“, befahl er ihm.

      Dreimaliges Hurra erschallte. Die Stunde des Kampfes hatte geschlagen. Nach wenigen Augenblicken entströmten schwarze Dampfwolken dem Rauchfang der Fregatte, und das Verdeck zitterte unter den Schauern der Kessel.

      Der „Abraham Lincoln“, von seiner gewaltigen Schraube getrieben, fuhr schnurgerade auf das Tier los, das ihn bis auf halbe Kabellänge gleichgültig an sich herankommen ließ. Da machte es eine Wendung zur Flucht, blieb aber in der gleichen Entfernung.

      Diese Verfolgung dauerte etwa dreiviertel Stunden, ohne daß die Fregatte dem Tier auch nur zwei Klafter abgewann. Es war klar, daß man so es nie erreichen würde.

      Kommandant Farragut war wütend.

      „Ned-Land!“ Er schrie wild den Namen des Harpuniers.

      Der Kanadier kam.

      „Na, Meister Land? Werden Sie mir jetzt noch raten, meine Boote ins Meer zu lassen?“

      „Nein, Kapitän, denn dieses Tier läßt sich so nicht fangen.“

      „Was soll man also tun?“

      „Womöglich die Dampfkraft steigern! Mit Ihrer Erlaubnis will ich mich auf den Wassersteg verfügen und, sobald wir auf Harpunenlänge kommen, harpunieren!“

      „Tun Sie das, Ned“, stimmte der Kommandant zu und gab Befehl: „Volldampf“.

      Ned-Land begab sich auf seinen Posten. Die Schraube drehte sich auf höchsten Touren, und der Dampf strömte aus den Klappen. Man fuhr mit äußerster Kraft.

      Aber das verdammte Tier schwamm mit gleicher Geschwindigkeit.

      Noch eine Stunde lang setzte die Fregatte dieses Manöver fort, ohne eine Klafter zu gewinnen! Ein stiller Zorn ergriff die Mannschaft; die Matrosen fluchten!

      Der Ingenieur wurde abermals gerufen.

      „Haben Sie den höchsten Grad des Dampfes?“ fragte der Kommandant.

      „Ja“, erwiderte der Ingenieur.

      „Noch stärker feuern!“

      Der Ingenieur gehorchte. Aber das Ungeheuer „heizte“ ohne Zweifel auch, denn es holte ebenfalls auf.

      Welch eine Verfolgung! Einige Male konnte man dem Tier nahekommen. Ich war ungemein erregt.

      „Wir bekommen es! Wir bekommen es!“ rief der Kanadier. Sowie er aber die Harpune auf das Ungetüm schleudern wollte, entwischte es mit einer unvorstellbaren Schnelligkeit. Und selbst bei unserer höchsten Kraft schien es die Fregatte durch sein Spiel zu höhnen!

      Um zwölf Uhr waren wir noch nicht weiter als um acht. Nun entschloß sich Kommandant Farragut zu drastischeren Mitteln.

      „Zum Teufel! Das Tier ist schneller als der „Abraham Lincoln“! Nun, wir wollen sehen, ob es seinen Spitzkugeln sich auch entziehen wird. Bedienung! An das Geschütz vorne!“

      Die Kanone des Vorderkastels wurde unverzüglich geladen und aufgeprotzt. Die Kugel wurde abgeschossen, sie fuhr aber einige Fuß über dem Tiere weg.

      „Ein anderer, der es besser versteht!“ rief der Kommandant, „und fünfhundert Dollars dem, der die höllische Bestie trifft!“

      Ein alter, graübärtiger Kanonier mit ruhigem Blick und kalten Gesichtszügen trat hinzu, richtete und visierte lange. Ein Schuß krachte, und die Mannschaft jubelte


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