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Die Vollendung des Königs Henri Quatre. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Die Vollendung des Königs Henri Quatre - Heinrich Mann


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will ihm die Ratte nehmen, der Knabe schreit und läßt sie nicht los. Da hebt der große Landsknecht ihn selbst vom Boden auf, faßt ihn hinten am Kittel und hält das Kind an seiner Tatze vor sich hin wie einen Einkauf — stapft gewaltig und biegt um die Ecke. Sein bleicher Freund schielt, ein Auge eingedrückt, nochmals zurück, dann sind sie fort.

      In der Gasse die wenigen Personen bleiben vom Schrecken erstarrt, daher ist noch eine Weile das Wimmern des fortgetragenen Kindes zu hören. Seine Mutter will ihm nach, sie taumelt, sie stößt gegen eine andere Frau, die aus einem Hause tritt. Jetzt erst erfolgt der Schrei der Mutter, ein Schrei des Abscheus, des Grauens, des Versinkens, und die Mutter schlägt hin, sie rührt sich nicht mehr: die Frau aus dem Hause muß über sie wegsteigen. Zwei alte Leute an der dunkelsten Stelle wispern. „Die hat es schon getan. Was die Landsknechte jetzt vorhaben mit dem Knaben, diese Dame weiß, wie es schmeckt. Ihr eigener Sohn ist gestorben, aber niemand hat ihn tot gesehen, und seitdem lebt sie von Gesalzenem.“ Ihre zitternden Stimmchen ersterben, die alten Wesen verkriechen sich, die Frau aus dem Hause kommt vorbei. Sie ist fast eine Dame, sie rafft ihr Gewand, damit es nicht durch den Schmutz schleift. In ihrem steinernen Gesicht richten die Augen sich irrsinnig gegen das Grenzenlose.

      Ein Gewissenskampf

      Der König aber entließ des nächsten Tages dreitausend Personen aus der Stadt, damit sie nicht Hungers stürben. Als seine hohe Verbündete, Elisabeth von England, hiervon erfuhr, war sie mit ihm recht unzufrieden; er mußte ihr seinen besonderen Gesandten, Philipp Mornay, schicken — tat es übrigens gern, entfernte Mornay gern eine Weile aus seiner Nähe. Dieser sollte der Königin vorstellen, daß der Tod einiger armer Franzosen die spanische Partei zur Übergabe von Paris nicht bewogen haben würde, solange sie selbst noch Vorräte hatte. Überdies erlaubte er, daß die Bevölkerung kurze nächtliche Ausflüge machte, Getreide zu ernten, auf Feldern nahe der Mauer. Plötzlich erschien wieder Brot bei den Bäckern, wofür das Volk den König gesegnet hätte. Mönche und Bürgerwehr sorgten vor durch verstärkten Schrecken sowie auch vermittels der Nachricht, daß der König das Brot nur geliefert habe aus großem Bedürfnis nach spanischem Gold. Sein Heer entläuft ihm, und die Truppen unseres rechtmäßigen Herrschers Don Philipp sind im Anmarsch! Es lebe Gott, der kleine Ketzer ist verloren. Sein schönster Traum, die Hauptstadt des Königreiches aussterben zu sehen, erfüllt sich ihm nicht.

      Henri, dies hören, und Entsetzen ergriff ihn. Was hinter den Mauern über ihn an Abscheulichkeit umging und bis zu ihm herausdrang, es war leider nichts Unbekanntes: sein Gewissen gab ihm ganz dasselbe schon ein, und je länger, je heftiger bestand sein Gewissen darauf. ,Henri! Du kämpfst hier keine gute und tapfere Schlacht. Henri! Du besiegst Menschen, die keine Waffen führen, und es sind die Einwohner deiner Hauptstadt. Sie sinken durch Erschöpfung hin, sie verlieren den Verstand, ja, vergehen sich gegen die Natur — indessen du selbst in sicheren Häusern schläfst und tafelst.‘

      Womit sein Gewissen ihm noch nicht alles vorhielt, was es wußte. Er trieb auch Liebe mit der schönen Äbtissin eines Frauenklosters und verlegte sein Quartier sogar noch in ein zweites Ordenshaus. ,Henri!‘ sagte sein Gewissen nach genossener Freude. ,Diese Nonnen geben sich dir hin wie Judith dem Holofernes. Sie sind zuerst nur Lämmer auf der Schlachtbank, endlich aber rasend vor Glut, weil das Feuer der Verdammnis heranrückt, dafür möchten sie dich töten. So liegt ein Fluch und Unheil auf der Ketzerei‘ — fühlte der Protestant, trug aber nach wie vor eine Locke um das Ohr geschlungen in der Weise von Seinesgleichen. Sein Marschall Biron scherzte über seinen „Religionswechsel“: diesen Namen gab er der Abwechslung, die Henri bei mehreren geistlichen Frauen suchte. Der König ließ den Alten zu sich rufen und sprach zum erstenmal hier aus, daß er seine Religion abschwören und zu den anderen übertreten wollte.

      Die Reue entrang es ihm, die Verzweiflung über die Taten, die er nicht eigentlich beging, sondern er war in sie versetzt. Aber das versteht kein alter Kriegsmann bis zuletzt — obwohl gerade Biron belehrt war über einige Dunkelheiten und Tiefen seines leichten Kampfhahns und Königs. Ihre eigenen Kämpfe, bevor diese beiden einander gefunden hatten und in den Armen gelegen, waren besonders und von der Art strenger gegenseitiger Prüfung gewesen: Biron vergaß es nicht. Hager aufgerichtet, leicht schwankend von dem Wein, den er jederzeit trank, ohne jemals seine Klarheit zu verlieren, ein Totenkopf mit hängendem Schnurrbart — stand Marschall Biron, überlegte, erwog und brachte hervor, niemand hätte vermutet, wie zart und voll Zweifel: „Sire! Soll ich’s weiterreden?“

      Henri nickte, weil die Stimme ihm ausblieb. Dann flüsterte er: „Reden Sie — aber tun Sie, als ob Sie lügen.“

      Biron bestätigte es ihm. „Man wird die Wahrheit umsonst zu erraten suchen. Weiß ich sie doch selbst nicht. Denn Eure Majestät haben als Hugenott Ihren Glauben und Anspruch auf den Thron verteidigt länger als zwanzig Jahre: auch gegen mich, der ich Ihr Feind war und der Feind des Admirals Coligny, den wir Papisten ganz schrecklich töteten. Ich hab nichts aus all der Zeit vergessen. Sire! Und Sie?“

      Der König hörte die zarte, aber mächtige Ansprache eines Katholiken, der ihn warnte. ,Soll ich wirklich die Religion der Königin, meiner Mutter, abschwören?‘ erkannte Henri. Er blickte in eine niederschmetternde Helligkeit, woraus man ihn ansah und im Auge behielt — wer, das sagte ihm nur sein Schuldgefühl. Er war geblendet, die Helligkeit war das innere Licht des Gewissens. ,Mutter‘, dachte er. ,Herr Admiral‘, dachte er.

      Obwohl sehr bleich und mit einem Gefühl großer Schwäche, versteifte er sich, befestigte die Stimme und wiederholte seinen Befehl. Von der Tür, im letzten Augenblick rief er den Marschall noch zurück. „Aber nicht meinen Protestanten sagen Sie es! Nicht meinen Protestanten!“

      Er wußte, daß sie es natürlich erfahren würden. Auch das Verhalten jedes einzelnen der alten Freunde konnte er voraussehen. Froh war er nur, daß er Mornay oder die Tugend nach England geschickt hatte. Bis dorthin das Gerücht dringt, ist es eine matte Fabel, und der Königin Elisabeth, die dennoch Verdacht schöpfen könnte, wird Mornay ihn ausreden. Statt des einen Abwesenden zeigten genug andere ihm ihre strengen oder traurigen Gesichter: mehrere hätte er für leichter gehalten. Roquelaure, der gerne glänzt, ehrgeiziger Turenne, ihr habt die Kraft, wahr zu sein, und einen König, der lügen will, zu mißbilligen! Sein Agrippa stellte sich wohl nichtsahnend, gedachte aber in Wahrheit, seinen König zu überrumpeln. „Sire!“ begann er. „Ich bin in Gewissensnöten.“

      „Du, Agrippa?“

      „Ich. Wer denn sonst. Mir hat ein Freund aus Paris die Namen von Verschwörern verraten, schickt mir sogar ihre eigenen Briefe, daraus zu ersehen, was sie vorhaben gegen das Leben Eurer Majestät.“

      „Gib sie mir!“

      „Gerade Ihnen? Sire! Der spanische Gesandte wird mir mehr zahlen als Sie, wenn ich ihn in Kenntnis setze, daß dieses Unternehmen entdeckt ist. Aber obwohl ich auf Geld immer sehr bedacht bin, wie Sie wissen, erwerbe ich es doch niemals durch Verhandlungen mit den Feinden der Religion und meines Königs.“

      „Wartest lieber, bis die Mörder mich haben? Oder welchen Preis machst du mir?“

      Strafend wie jetzt hatte Agrippa noch niemals ausgesehen. In Minuten schien er um drei Zoll gewachsen.

      „Keinen. Es ist dafür gesorgt, daß Sie diese Leute, wenn sie Ihnen unter die Augen treten, nicht einmal erkennen.“

      „So werde ich dir nicht glauben, daß ich in Gefahr gewesen bin.“

      „Sire! Wie Sie befehlen“, schloß Agrippa kühn und auch wieder humorvoll nach seiner Art. Nun geschah es gleich darauf, daß mehrere spanische Herren im Auftrag Don Philipps dem König von Frankreich, der seine Hauptstadt belagerte, eine Infantin zur Ehe anbieten wollten. Henri in seiner Begierde nach Frieden mit seinen Untertanen, beeilte sich, die Unterhändler zu empfangen. Nur der erste von ihnen wurde zu ihm gebracht, und man hielt ihn bei den Händen, links ein anderer, aber rechts Agrippa, der sich stellte, als wäre dies eine unverfängliche Höflichkeit — hielt indessen dem Manne das Handgelenk fest. Henri begriff. Er fertigte den falschen Beauftragten schnell ab, fragte auch nicht, was mit ihm und den übrigen nachher geschah. Seinem Agrippa d’Aubigné bot er keine Belohnung für die Lebensrettung an, und


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