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– denn zieh ick!
Die rassige Ida stand zornrot da, eine Schnecke hatte sie noch in der Hand, hochrot war sie und immer röter wurde sie noch, je mehr ihr klarwurde, wie schwer sie beleidigt worden war. Die Thumannsche und Petra sahen ganz fassungslos auf diesen Sturm, der entstanden war; kein Mensch wußte woher und warum. (Und die rassige Ida, hätte sie nur nachdenken können, war sicher über den Schluß ihrer Rede genauso überrascht wie die beiden andern.)
Petra wäre ja am liebsten aufgestanden und in ihr Zimmer geschlüpft, hätte abgeschlossen und sich aufs Bett geworfen – oh, das gute Bett! Aber es wurde ihr immer schwächer und schwächer, es brauste manchmal in ihren Ohren und vor ihren Augen drehte es sich, dann sprach die zornige Stimme ganz ferne. Aber plötzlich kam sie wieder nahe, sie schrie direkt in ihre Ohren, und vor ihren Augen drehte es sich von neuem. Dann lief Feuer über ihren Nacken, den Rücken hinab, schwächender Schweiß brach aus … Wenn sie es genauer rechnete, hatte sie ja lange Tage nichts Rechtes mehr gegessen; immer nur, wenn Wolf grade Geld hatte, eine Bockwurst mit Salat, oder Schrippen und Leberwurst auf der Bettkante. Und seit gestern früh überhaupt nichts mehr, wo es so darauf ankam, daß sie sich gut nährte –! Sie mußte versuchen, schnell in ihr Zimmer zu kommen, und dann abschließen, vor allem fest zuschließen; selbst wenn sie mit Polizei anklopften, nicht öffnen; erst wieder aufmachen, wenn Wolfgang kam …
Jotte doch! hörte sie ganz in der Ferne die Thumann jammern, wat machste mir doch for Stunk mit deine freche Schnauze, Mächen! Solche, die nischt haben, müssen andern ooch nicht det Brot vom Tische quasseln, und de Ida is eene prima Dame, die jeden Tach mit ihrem Doller kommt – so eener haste gar nischt vorzuwerfen, vastanden?! Und nu mach, daß de aus meine Küche kommst, und een bißken dalli, sonst wackelt was …
Nee! schrie die Ida unerträglich scharf. Det jilt nich, Thumann! Entweder jeht die oder entweder ick! Beleidijen lasse ick mir nich von so einer – raus mit ihr aus de Wohnung oder ick ziehe noch diese Minute.
Aber, Mächen, Ida, Herzenskindting! jammerte die Thumann. Du siehst doch, wie se is: Spucke an ’ne Kalkwand, und nischt uff ’en Leib und nischt im Leib – so kann ick se doch nich türmen lassen …
Können Se nich, Thumann? Nee, det können Se nich? So – det wollen wir sehen – da können Se mir jleich in Ihre Entreetüre sehen, Frau Thumann –!
Mächen, Ida, bat die Thumann, warte doch bloß, bis ihr Kerl wiedakommt, tu mir die Liebe! – Dann sollen se ooch jleich beide dieselbe Minute noch jehn müssen! – Mache doch, dat de ihr aus de Oojen kommst, du dußlije Jans, du! flüsterte sie aufgeregt zu Petra. Wenn se dir bloß nich mehr sieht, wird se schon ruhich!
Ich gehe ja schon, flüsterte Petra und stand auf. Plötzlich konnte sie stehen und sie sah auch gut das schwarze Loch der offenstehenden Küchentür in den dunklen Flur hinein, aber die Gesichter der Frauen sah sie nicht. Sie ging langsam, die sagten noch etwas, immer schneller, immer lauter, aber sie hörte es nicht genau, konnte es darum auch nicht verstehen …
Dafür konnte sie aber gehen, und sie ging langsam aus der hellen, heißen Schwüle auf das schwarze Loch zu. Dahinter kam der fast dunkle Flur mit ›ihrer‹ Tür; sie brauchte nur einzutreten, zuzuschließen – und dann das Bett …
Aber sie ging vorüber, es war wie in einem Traum, ihre Glieder gingen anders, als der Kopf es ausdachte. Sie warf im Vorübergehen noch einen Blick in das Zimmer –›das Bett hätte ich doch noch machen müssen‹, dachte sie, und schon war sie vorüber. Schon war die Eingangstür da, und sie machte sie auf, tat einen Schritt über die Schwelle und zog sie hinter sich wieder zu.
Das Helle rechts und links waren Gesichter von Nachbarinnen.
Wat is denn det for Krach bei Ihnen? fragte die eine.
Die haben Sie woll rausjeschmissen, Fräulein?
Jotte doch! Wie ’ne aufjewärmte Leiche!
Aber Petra bewegte nur leise verneinend den Kopf. Sie durfte nicht sprechen, sonst wachte sie auf und saß wieder in der Küche, und die stritten und schrien sie an … Leise, nur leise, sonst schwindet der Traum … Sie faßte vorsichtig das Geländer, sie trat eine Stufe tiefer – und sie kam wirklich tiefer. Es war eine richtige Traumtreppe, man kam auf ihr tiefer, nicht höher.
Dann stieg sie weiter hinab.
Sie mußte sich eilen. Oben hatten sie die Tür wieder aufgemacht, sie riefen irgend etwas hinter ihr her: Mächen, mach doch keene Zicken! Wo willste denn hin, so nackig? Komm wieda ruff, die Ida vazeiht dir ooch …
Petra machte eine verneinende Bewegung mit der Hand und stieg tiefer. Sie stieg und stieg – auf den Grund eines Brunnens. Aber unten war ein helles Tor – wie im Märchen. Es gab so ein Märchen, Wolfgang hatte es ihr erzählt. Und nun ging sie durch das helle Tor in die Sonne hinaus, durch Gänge, über sonnige Höfe … und nun war da die Straße, eine fast leere, sehr sonnige Straße –
Petra sah sie hinauf und hinunter – wo war Wolf?
3
Feldinspektor Meier – Negermeier – ist nun doch gleich nach dem Arbeitsanfang um eins draußen auf dem Zuckerrübenschlag gewesen. Es war genau, wie er es sich gedacht hatte: der Vogt Kowalewski hatte in seiner Schlappheit die Weiber nur so obenhin kratzen lassen, die Hälfte des Unkrauts saß noch fest in der Erde.
Sofort hatte sich der kleine Meier aufgepustet, war rot angelaufen und hatte zu schimpfen angefangen: verfluchte Schweinerei, rumstehen und mit den Weibern poussieren, statt die Augen aufzumachen, elender Schlappschwanz – und so weiter, die ganze schon bekannte und bei jeder Unregelmäßigkeit wiederholte Tonleiter rauf und runter.
Leutevogt Kowalewski hatte den wütenden Sturzbach ohne ein Widerwort über sich ergehen lassen, den grauen, schon fast weißen Kopf gesenkt, und hatte dabei das eine oder andere jämmerliche Unkraut mit den eigenen Pfoten aus der staubigen, festen Erde gepuhlt.
Nicht grabbeln sollen Sie, sondern aufpassen! hatte Meier geschrien. Aber Sie grabbeln natürlich lieber!
Eine völlig grundlose Verdächtigung des alten Mannes. Aber Meier hatte seinen Lacherfolg bei den Leuten und schlug sich in die Fichten. Dort änderte sich seine Truthahnröte sofort in die gewöhnliche Gesichtsfarbe – ein gesundes Rotbraun – und er lachte, daß ihm der Bauch wackelte. Dem hatte er es gegeben, dem alten Trottel! Mindestens die drei nächsten Tage würde diese Abreibung mal wieder vorhalten! Das mußte man gelernt haben, vor Wut zu brüllen, ohne auch nur die Spur wütend zu sein, sonst machte man sich tot mit den Leuten.
Der Rittmeister, obwohl alter Offizier und Rekrutenabrichter, konnte das nicht. Der ärgerte sich, daß er schneeweiß wurde, daß er puterrot anlief, und war nach jedem solchen Ausbruch für vierundzwanzig Stunden völlig erledigt. Komische Nuß, großer Mann, wirklich!
Man durfte gespannt sein, mit was für Leuten er heute wiederkam, wenn er überhaupt welche brachte. Brachte er welche, waren sie natürlich ausgezeichnet, weil er, der Herr Rittmeister, sie verpflichtet hatte – und er, Meier, mußte sehen, wie er mit ihnen zurechtkam. Klagen ausgeschlossen.
Nun, es würde schon gehen. Er, der kleine Meier, war noch immer mit allen großen Männern zurechtgekommen, die Hauptsache blieb, daß ein paar nette Mädchen dabei waren. Amanda war ja soweit ganz gut, aber so ’ne Polenmadka hatte doch noch immer ganz andere Rasse und Feuer, und – vor allem – sie setzte sich nie was in den Kopf. Negermeier sang selbstvergessen vor sich hin: Denn die Rose und das Mädchen will beschissen sein!
Junger Mann – Sie sind nicht allein! sprach eine dröhnende Stimme – und zusammenfahrend sah Feldinspektor Meier unter einer Fichte am Wege den Schwiegervater seines Brötchengebers, den Geheimen Ökonomierat von Teschow, stehen.
Unterwärts war der alte Herr, zumal für solch drückend heißen Sommertag, völlig ausreichend bekleidet, nämlich mit hohen Stulpenstiefeln und grünlodener Büx. Von der Taille an aber, die jedoch ein ungeheurer Schmerbauch war, trug er nur ein Jägerhemd mit farbigem Pikee-Einsatz, das weit offen stand und die grauzottige,