Wolf unter Wölfen. Ханс ФалладаЧитать онлайн книгу.
Gott, verred es nur mit meinem Willem, wo se jrade in’t fünfte Stock mauern! Wo ick mir so schon so ängstje! Aba es is doch ein Schiedunta, Mächen! Bauen muß sein, aber Spielen muß nich sein.
Wenn er’s doch aber braucht, Frau Thumann!
Braucht, braucht! Ick hör imma braucht! Meiner erzählt mir ooch imma ville, wat er braucht. Skat und ’ne Zigarre und Molle kräftig und womöglich noch kleene Mächen (aber det erzählt er mir nich!). Aber ick sare ihm: wat du brauchen tust, is ’en festet Kommando und freitags die Lohntüte vor’m Baubüro in meine Hand! Det brauchste! – Du bist ebent zu jut, Mächen. Aber jut kommt von schwach, und wenn ick dir so ansehe, morjens, wenn ick euch den Kaffe hinserviere, und ick sehe, wie du ihm die Oogen zurollst, bloß, er merkt es jarnich, denn weeß ick ooch, wie dies ausjeht. Spielen als Arbeit – wenn ick det bloß höre! Spielen is nich arbeeten und Arbeeten is nich spielen. Und wenn du es wirklich jut mit ihm meinst, Mächen, nimmst de ihm det Jeld wech, und er jeht mit Willem uffn Bau. Steinetragen wird er ja wohl noch können.
Gott, Frau Thumann, nun reden Sie ja schon genau wie seine Mutter! Die meinte auch, ich sei zu gut und unterstütze ihn noch in seinem Laster, und hat mir deswegen sogar eine Knallschote gegeben.
Knallschote is ooch wieda nich richtig! Denn bist du die Schwiejatochta? Nee, du machst es gewissermaßen nur zu deinem Vajniejen, und wenn es dir zu dumm wird, denn türmste. Nee, Knallschote war ooch nich fein, auf Knallschote kannste sojar klagen!
Aber es hat ja gar nicht weh getan, Frau Thumann. Solche Fingerchen, wie seine Mutter hat. Da war meine Mutter anders. Und überhaupt …
4
Es teilt eine Holzbarriere den Raum der Berliner Schnitter-Vermittlung in zwei Hälften, zwei sehr ungleiche Hälften. Der vordere Teil, in dem jetzt der Rittmeister von Prackwitz steht, ist ganz klein, und die Eingangstür schlägt auch noch hinein. Prackwitz kann sich kaum rühren.
Die hintere, größere Hälfte hat ein kleiner, fetter, schwärzlicher Mann inne – der Rittmeister kann nicht genau sagen, wirkt der Mann so schwärzlich wegen seines dunklen Haarwuchses oder wegen Unsauberkeit? Der schwärzliche Fette im dunklen Tuchanzug redet heftig, wild gestikulierend, mit drei Männern in Manchesteranzügen, die graue Hüte auf dem Kopf und Zigarren im Mundwinkel haben. Die Männer antworten ebenso heftig, und obwohl sie nicht laut reden, wirkt es doch wie Geschrei.
Der Rittmeister versteht kein Wort, natürlich sprechen sie Polnisch. Wenn der Neuloher Gutspächter auch jedes Jahr ein halbes Hundert Polen beschäftigt, Polnisch hat er darum doch, von ein paar Kommandos abgesehen, nicht gelernt.
Ich gebe dir zu, konnte er zu Eva, seiner Frau, sagen, die Polnisch radebrechte, ich gebe dir zu, daß ich es schon aus praktischen Erwägungen lernen müßte. Trotzdem, ich weigere mich, für heute und immer, diese Sprache zu lernen. Ich lehne das ab. Wir sitzen hier zu nahe der Grenze. Polnisch lernen – ah bah!
Aber die Leute machen die unverschämtesten Bemerkungen dir grade ins Gesicht, Achim!
Nun – und? Soll ich Polnisch lernen, damit ich ihre Unverschämtheiten auch noch verstehe –?! Ich denke gar nicht daran! Was also diese vier da im Winkel so heftig verhandelten, verstand der Rittmeister nicht, es interessierte ihn auch nicht. Aber er war kein sehr geduldiger Warter; was getan werden mußte, sollte rasch getan werden. Er wollte mittags nach Neulohe zurück, mit fünfzig oder sechzig Leuten, eine Bombenernte stand draußen auf den Feldern, und die Sonne schien, daß er das Prasseln des Weizens im Ohr zu hören meinte – Kundschaft! Wirtschaft! rief der Rittmeister.
Die redeten weiter, es sah genau so aus, als stritten sie auf Leben und Tod, gleich würden sie sich wohl an die Hälse gehen.
Heh! Sie da! rief der Rittmeister scharf. Guten Tag habe ich gesagt. (Er hatte nicht Guten Tag gesagt.) Grade die richtige Gesellschaft! Vor acht Jahren noch, ach, vor fünf Jahren noch hatte das vor ihm gewinselt und sklavisch versucht, ihm die Hand zu küssen –! Verdammte Zeiten, verfluchte Stadt – wartet nur! Wenn ich euch erst draußen habe!
Herhören, ihr da! schrie er mit seiner schärfsten Kommandostimme und schlug mit der Faust auf die Barre.
Jawohl – und wie sie herhörten! Diese Art Stimme kannten sie! Für diese Generation bedeutete solche Stimme noch etwas, der Klang rief Erinnerungen wach. Sofort hatten sie aufgehört mit reden. Innerlich lächelte der Rittmeister. Jawohl, das alte Ruck-Zuck, es tat doch und noch immer seine Wirkung – bei solchen Verlotterten am meisten. Fuhr ihnen vermutlich wie eine Vorposaune des Jüngsten Gerichts ins liederliche Gebein! Hatten eben immer ein schlechtes Gewissen.
Ich brauche Schnitter! sagte er zu dem dicken Schwärzlichen. Fünfzig bis sechzig. Zwanzig Männer, zwanzig Frauen, der Rest Mädchen und Burschen.
Jawohl, Panje, verbeugte sich der Dicke, höflich grinsend.
Ein tüchtiger Vorschnitter – muß Kaution im Werte von zwanzig Zentnern Roggen stellen können. Die Frau hat für Frauenlohn die Leute zu bekochen.
Jawohl, Panje, grinste der andere.
Hinreisegeld und Ihre Provision zahle ich; bleiben die Leute bis nach der Rübenernte, wird ihnen das Reisegeld nicht abgezogen. Sonst …
Jawohl, jawohl, Panje …
So – und nun ein bißchen dalli! Um 12 Uhr 30 geht der Zug. Dalli! Printgo! Verstehen? Der Rittmeister nickte, eine Last vom Herzen, sogar den drei Gestalten im Hintergrund zu. Machen Sie jetzt die Verträge fertig. In einer halben Stunde bin ich wieder hier. Will nur mal frühstücken.
Jawohl, Panje!
Dann wäre also alles in Ordnung? sagte der Rittmeister abschließend. Irgend etwas in der Haltung des andern machte ihn doch stutzig, das ergebene Lächeln erschien ihm plötzlich nicht so ergeben, mehr hinterhältig. Alles in Ordnung – oder –?
Alles in Ordnung! beruhigte der Dicke, mit einem raschen Aufleuchten des Blicks zu den andern. Alles nach den Befehlen vom Panje. Fünfzig Leut – gut, sind sie da! Eisenbahn – 12 Uhr 30 – gut, fährt sie ab! Ordentlich, pünktlich, nach Befehl – aber ohne Leut! Er grinste.
Was?! schrie der Rittmeister fast und verzog sein Gesicht zu tausend Falten. Was sagen Sie da?! Reden Sie deutsch, Mann! Wieso ohne Leute –?!
Und der Herr, der doch so gut kann befehlen, wird er auch befehlen, woher ich nehme die Leut? Fünfzig Mann – gutt, gutt, find sie, mach sie, schnell, fix, printgo, was?!
Jetzt sah der Rittmeister sich den Mann doch genauer an. Seine erste Verblüffung war vorüber, auch schon der erste Zorn, da er merkte, er sollte gereizt werden. ›Der kann ganz gut Deutsche‹ dachte er, da der andere immer grotesker, überstürzter redete. ›Der will bloß nicht.‹
Und die da hinten? fragte er und zeigte auf die drei im Manchester, denen die Zigarre noch immer wie erloschen im Mundwinkel hing. Sie sind doch Vorschnitter? Kommen Sie doch zu mir! Neue Schnitterkaserne, anständige Betten, keine Wanzenfallen.
Einen Augenblick lang kam es ihm jämmerlich vor, daß er sich so anpries. Aber es ging um die Ernte, eines Tages, eines sehr nahen Tages konnte es Regen geben. Ja, es war heute eigentlich schon hier in Berlin wie Gewitter in der Luft. Auf den dicken Schwärzlichen war nicht mehr zu rechnen, mit dem hatte er es verdorben, wohl durch seine Befehlsstimme. Nun, wie ist es? fragte er ermunternd.
Die drei standen bewegungslos, als hätten sie kein Wort gehört. Es waren Vorschnitter, der Rittmeister war seiner Sache sicher. Er kannte diese vorgestoßenen Kinnladen, diese entschlossenen, etwas wilden und doch trüben Blicke der Antreiber von Beruf.
Der Schwärzliche stand grinsend da, er sah den Rittmeister von der Seite an, sah überhaupt nicht nach den Leuten hin, so sicher war er seiner Sache. (Da ist die Straße und der Punkt, auf den ich sehe. Ich muß entlang!) Laut: Gute Arbeit – guter Lohn, guter Akkord – gutes Deputat! Wie ist es –? Sie hörten nichts. Und für den Vorschnitter dreißig, ich sage, dreißig gute echte Papierdollar in die Hand!